Interview: Wolf Ingomar Faecks, Geschäftsführer der Agentur SapientNitro, über Service-Ökosysteme, fragmentierte Zielgruppen und das Marketing von morgen
Quelle: Trend Update 05/2015
Interview: Wolf Ingomar Faecks, Geschäftsführer der Agentur SapientNitro, über Service-Ökosysteme, fragmentierte Zielgruppen und das Marketing von morgen
Quelle: Trend Update 05/2015
Herr Faecks, die digitale Transformation stellt auch das Marketing vor neue Herausforderungen. Welchen Trend halten Sie für besonders richtungsweisend?
Immer entscheidender wird die Frage, welche Services eine Marke rund um ein Kernprodukt bietet und wie sie damit ein digitales Service-Ökosystem schaffen kann. Nur so lässt sich die Innovationsgeschwindigkeit deutlich erhöhen und die Loyalität der Konsumenten dauerhaft stärken. Für einen Energieanbieter bedeutet das etwa, Services rund um das Energieangebot zu etablieren, die es ihm ermöglichen, stärker im Leben des Kunden stattzufinden und dort einen realen Nutzen zu stiften. Dabei spielt auch Emotionalisierung eine wichtige Rolle – und damit auch der Kommunikationskanal Bewegtbild.
YouTuber stehen auch für eine hochpersönliche, individuelle Ansprache, den „Tod der Zielgruppe“.
Ja, die klassische Zielgruppen-Ansprache ist längst überholt. Zwar lassen sich noch ganz grob bestimmte Bedürfnispräferenzen bestimmen, etwa von Studenten oder Rentnern, und in der Basis-Markenarbeit mag eine breitere Ansprache noch sinnvoll sein, etwa bei einem Marken-Refresh. Doch in digitalisierten Zeiten wird es immer wichtiger, sehr schnell und gezielt auf einzelne Bedürfnisse eingehen zu können und das Marketing entsprechend anzupassen. Hinzu kommt, dass die Zielgruppenzugehörigkeit volatil ist. Was früher noch in bestimmten Milieus halbwegs treffsicher definiert werden konnte, hängt heute stark von den jeweiligen Nutzungskontexten ab. Auch diese Fragmentierung spricht für das Denken in Service-Ökosystemen: Services sind individuell nutzbar und ermöglichen direkten Austausch und Feedback, gerade über digitale Rückkopplungen. Darauf muss man sich als Unternehmen allerdings vorbereiten und entsprechend aufstellen.
So essenziell digitale Kommunikation ist: Sinkende E-Commerce-Umsätze stärken zugleich die These vom „Digital Backlash“. Steht uns ein Offline-Revival bevor?
Das E-Commerce-Phänomen ist vergleichbar mit der Bio- und Local-Rückbesinnung als Reaktion auf eine überprofessionalisierte Fleischproduktion. Im Grunde geht es um ein Implementierungsproblem, weil oft die zentrale Frage vergessen wird: Was bringen digitale Services meinem Unternehmen und meinem Kunden? Den E-Commerce wird das nicht nachhaltig beeinträchtigen, zumal hier noch große demografische Potenziale bestehen: In 20 Jahren wird digitales Einkaufen für die heute 60-Jährigen ein Service sein, der die Lebensqualität stark verbessert. Und gerade unter Älteren besteht eine unglaubliche Adaptions- und Nutzungsbereitschaft für Services, die praktisch und einfach zu nutzen sind.
Wolf Ingomar Faecks ist Geschäftsführer der Agentur SapientNitro und Präsident des Gesamtverbandes Kommunikationsagenturen GWA.