Ob natürlich oder künstlich: Jeder von uns isst täglich irgendetwas Aromatisiertes. Aber noch nie zuvor wurde so viel Energie in die Wiederentdeckung vergessener sowie in die Entwicklung neuer Aromen und Geschmacksstoffe investiert wie heute.
Food Report 2017
New Flavoring

Nahrungsaufnahme war und ist ein sensorisches Abenteuer. Dabei geht es heute vor allem um Genuss, um neue kulinarische Erfahrungen sowie um die Selbstgewahrwerdung und Distinktion der Essenden. Eine eher untergeordnete Rolle spielt hingegen die Gefahrenabwehr. Diese evolutionsgeschichtlich wichtige Funktion unseres Geschmacks- und Geruchssinns hat uns, entgegen landläufiger Vorurteile, die Lebensmittelindustrie abgenommen – mit hohen Hygiene- und Sicherheitsstandards und der gesetzlich vorgeschriebenen Allergenkennzeichnung. Die zweite wichtige Funktion unserer Nahsinne, die natürliche Geschmackspräferenz für Süßes, die uns einst auf gute Kohlenhydratquellen hinwies, hat sich in Zeiten des Lebensmittelüberflusses eher in ihr Gegenteil verkehrt: Sie läuft heute auf einen viel zu großen Zuckerkonsum hinaus.
Kein Wunder also, dass die Suche nach neuen Geschmackswelten heute in der Lebensmittelindustrie und in der Gastronomie in erster Linie kulinarische Ziele verfolgt. Im Zentrum von Erfindungen und Wiederentdeckungen stehen neue, aufregendere Aromen, die richtige Würze und das optimale Bukett von Speisen und Getränken. Mit „Flavor Science“ und „Synthetischer Biologie“ etablieren sich im Grenzbereich von Molekularbiologie, organischer Chemie, Ingenieurwissenschaften, Nanobiotechnologie, Psychologie und Informationstechnik neue Wissenschaften, die mit neurowissenschaftlichen und molekularbiologischen Methoden dem Geschmack und den Möglichkeiten, ihn zu beeinflussen, auf der Spur sind.
Erlebnis Geschmack
Zu lange, meint etwa Per Møller, Professor am Department of Food Science an der Universität Kopenhagen, hätten Ernährungswissenschaften sich nur für den Zucker-, Fett- und Eiweißgehalt des Essens interessiert. Doch das Geheimnis guten Essens lüfte Es ist primär der Geruch, über den unser Gehirn Geschmack wahrnimmt. man nicht durch isolierte Betrachtung einzelner Nährstoffe. Es liege woanders: in der komplexen Reaktion des Gehirns auf den Geschmack. Egal ob süß, bitter, salzig, sauer oder umami – ob wir Lebensmittel und Speisen schätzen und genießen können, darüber entscheidet letztlich unser Geruchssinn. Denn es ist primär der Geruch, über den unser Gehirn Geschmack wahrnimmt.
Ein Beispiel illustriert, wie Geruchs- und Geschmackssinn gemeinsam auf innovative Art und Weise angesprochen werden können:
Alcoholic Architecture Inhalable Flavors
Der neueste Londoner Trend wurde von den Betreibern des Erlebnis- und Innovationsstudios Bompas & Parr ins Leben gerufen und trägt den Namen „Alcoholic Architecture“. Um was es geht? Nun, wie der Name nahelegt, um Alkohol. Allerdings wird er hier nicht auf die „langweilige und normale“ Art einfach getrunken, sondern stattdessen wird eine Cocktailmischung (zum Beispiel Gin Tonic) als Dampf in den Raum geblasen und dann über die Augen und Atemwege aufgenommen. Das „weltweit erste alkoholische Wettersystem für die Zunge“ stellt dabei eine Hommage an die Mönche des der Bar gegenüberliegenden Klosters dar, die bereits über Jahrhunderte das Brauereiwesen vorangetrieben haben.
www.alcoholicarchitecture.com