Retail-Trend Chatvertising

Der weltweite Boom von Instant Messaging und die Öffnung der Anbieter für kommerzielle Zwecke bietet einen neuen Marketingkanal für Unternehmen. Doch die Kunst, via Chat zu begeistern, erfordert kommunikatives Fingerspitzengefühl.
Retail Report 2017

Bild: chatShopper / www.chatshopper.com

Instant Messaging gehört heute rund um den Globus zur digitalen Alltagspraxis. 55 Prozent der Internetnutzer weltweit kommunizieren täglich über Instant Messenger. Drei von vier Personen nutzen diese Services mindestens einmal pro Woche. In Deutschland liegt die tägliche Nutzung bei 21 Prozent – doppelt so hoch wie im Jahr 2014 (TNS 2015). Während die Deutschen das Plaudern über Chat-Services gerade erst für sich entdecken, gehört es in Malaysia (77 Prozent täglich), Brasilien (73 Prozent) und China (69 Prozent) längst zum Alltag.

Chatten wird weltweit zum Mainstream

Der bekannteste und verbreitetste Service, WhatsApp, hat monatlich eine Milliarde aktive Nutzer und ist aus dem Alltag vieler Menschen kaum noch wegzudenken – weltweit und durch alle Altersgruppen. Obwohl WhatsApp inzwischen zu Facebook gehört, betreibt das Unternehmen weiterhin seinen Facebook Messenger mit 800 Millionen aktiven Nutzern im Monat. WeChat ist vor allem in China populär, circa 700 Millionen Personen verschicken Sofortnachrichten über diesen Service. Tencent ist das chinesische Pendant zu Facebook und bietet neben WeChat mit QQ noch einen weiteren Messenger-Dienst an, über den sich um die 850 Millionen Menschen via Chat austauschen. Alle anderen Anbieter liegen weit zurück in den Nutzerzahlen, auch wenn einige ein hohes Wachstum und eine steigende Beliebtheit aufweisen.

So hat der vieldiskutierte Messenger-Service Snapchat nach eigenen Angaben 200 Millionen monatlich aktive Nutzer und 100 Millionen Nutzer am Tag. Bei Snapchat kommt es auf den Moment an, auf Schnelligkeit und Flüchtigkeit. Texte oder Bilder werden versendet und kurze Zeit später automatisch gelöscht – private Nachrichten nach ein paar Sekunden, Storys nach einem Tag. Snapchat ist das perfekte Tool zur Echtzeit-Kommunikation von schnelllebigen News. Genutzt wird der Messenger-Service vor allem von Jugendlichen und jungen Erwachsenen: Rund die Hälfte der Snapchat-Nutzer ist zwischen 16 und 24 Jahre alt (Global Webindex 2015). Während die meisten Nutzer in Nordamerika zu finden sind, wird Snapchat lediglich von sechs Prozent der Internetnutzer in Deutschland genutzt; dagegen kommunizieren hier 69 Prozent über WhatsApp (DIVSI 2015).

Neuer Marketingkanal Instant Messaging

Die rasant wachsende Popularität von Sofortnachrichtendiensten weckt das Interesse von Unternehmen. Der Trend Chatvertising ist ein Experimentierfeld für innovative Marken und Händler, die bereit sind, in direkten Echtzeitkontakt mit ihren Kunden zu treten – und Kunden als Freunde sehen. Denn die Kommunikation via Chat ist hochgradig persönlich, werden diese Nachrichten doch in der Regel genutzt, um mit Freunden und Bekannten zu plaudern. Auf WhatsApp die Werbetrommel zu rühren kann daher nicht funktionieren – und wird weder von den Serviceanbietern noch von den Nutzern geduldet.

Die Verwendung von WhatsApp durch Unternehmen stellt eine rechtliche Grauzone dar: Zwar ist laut den AGB die Nutzung zu kommerziellen Zwecken untersagt, doch wenn der Kunde den Erstkontakt zum Unternehmen Die rasant wachsende Popularität von Sofortnachrichtendiensten weckt das Interesse von Unternehmen. herstellt, wird dies als Kommunikation gewertet und nicht als Werbung. Und genau darin liegt auch das große Potenzial: Der Nutzer hat sich bewusst dafür entschieden, mit einem Unternehmen auf Augenhöhe in Kontakt zu treten.

Aktuell arbeitet WhatsApp nach eigenen Angaben an einem Service für Unternehmen – im Klartext bedeutet das eine Öffnung für kommerzielle Zwecke. “Starting this year, we will test tools that allow you to use WhatsApp to communicate with businesses and organizations that you want to hear from“, erklärte CEO Jan Koum auf der DLD-Konferenz in München im Januar 2016 (Lunden 2016).

Trendprognose

Chatvertising ist ein Nischenphänomen und wird es auch künftig bleiben. Es liegt in der Natur der Sache: Chatten kann nur im persönlichen Rahmen funktionieren. Denn sobald das Messenger-Marketing in den Mainstream eintritt und eine breite Masse erreicht, verliert es seinen Reiz. Instant Messenger sind nicht einfach ein weiterer Vermarktungskanal – sobald es sich für den Kunden nach Werbung anfühlt, wendet sich dieser ab, filtert, blockiert.

Chatten bedeutet Plaudern: Platte, unpersönliche Werbebotschaften und aggressives Marktgeschrei werden hier nicht akzeptiert. Über Instant Messenger werden keine Verkaufsgespräche geführt und keine Rabattaktionen befeuert. Wer aber echten Mehrwert bietet – individuelle Kommunikation von Mensch zu Mensch, persönliche Beratung, relevante Neuigkeiten oder echten Service –, dem eröffnet sich ein unmittelbarer Zugang zum Kunden. Kurz: Wer den Ton trifft, gewinnt Freunde.

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Dossier: Handel

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„Handel ist Wandel“ – das ist die Devise einer Handelslandschaft. Das Flächenwachstum im stationären Einzelhandel stößt an seine Grenzen und im Internet wird die Handelswelt neu vermessen.

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