„Wir haben eine Priorisierung vorgenommen, hinter der wir alle stehen können“

Flughäfen spüren sehr früh die Auswirkungen von gesellschaftlichen Veränderungen. Megatrends wie Neo-Ökologie, gekoppelt mit veränderten Mobilitätskonzepten, fordern dazu heraus, Strategien zu überprüfen und zu adaptieren. Manuela Staub, Head Corporate Communications, und Stephan Widrig, CEO des Flughafens Zürich, schildern im Interview, wie sie sich gemeinsam mit dem Zukunftsinstitut startklar für die nächste Epoche gemacht haben.

© Flughafen Zürich AG

Wie sind sie auf das Zukunftsinstitut aufmerksam geworden? Und wie ist es zur Zusammenarbeit gekommen?

Stephan Widrig: Wir waren auf der Suche nach einem Challenger, mit dem wir unseren zukünftigen Handlungsspielraum als Flughafen diskutieren und strategische Initiativen ausarbeiten wollten. Mit dem Zukunftsinstitut gab es mehrere Anknüpfungspunkte. Die Megatrends waren uns ein Begriff, zudem waren wir Oona Horx-Strathern bei einem Vortrag in Zürich begegnet und wir hatten auch Kenntnis von der Kooperation des Zukunftsinstituts mit der Stadt Kloten, unserer Standortgemeinde.

Manuela Staub: Ein entscheidender Punkt für uns war, dass wir ausgehend vom Krisenmanagement rund um die Pandemie mithilfe die Megatrends den Blick wieder nach vorne richten und unsere Kader wieder aufs zukunftsgerichtete Handeln einschwören wollten. Wir folgten unserem Impuls, diese Intuition zu überprüfen. Das Vorgespräch mit Marcel Aberle hat uns dann bestätigt, dass wir in den Prozess einsteigen wollten.

Aktuelle Veränderungen in Mobilität und wachsende Anforderungen, ökologischen Richtlinien zu folgen, haben Sie zur Fragestellung gebracht, wie der Flughafen Zürich auf neue Gegebenheiten reagieren soll. Ihr Wunsch war, eine individuelle Megatrend-Map zu erstellen. Waren Sie bereits vor der Kooperation mit der Arbeit mit Megatrends vertraut?

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Widrig: Megatrends kommen in der öffentlichen Diskussion ja immer wieder vor, doch die durch das Zukunftsinstitut entwickelte Systematik ist schon sehr gut ausdifferenziert und hilft beim genaueren Analysieren und der Feinarbeit, den Trends auf den Grund zu gehen. Um in den Prozess hineinzukommen, gab das Zukunftsinstitut uns einen Impuls, indem die Fragestellung an uns zurückgespielt wurde. Wir sollten erkunden, wie wir selbst die Zukunft sehen, und welche Themen es sind, die Flughäfen beschäftigen. Aus diesen allgemeineren Überlegungen wurden die konkreten Handlungsstränge abgeleitet.

Waren Ihnen die Trends schon bekannt?

Widrig: Die übergeordneten Trends wie Mobilität, Digitalisierung, Dekarbonisierung etc. waren natürlich bekannt. Einzigartig war aber, wie wir in der Kooperation mit dem Zukunftsinstitut auf eine tiefere Stufe der Analyse gelangt und genau auf unsere Organisation eingegangen sind. Man kann sagen, dass die Stärke des Zukunftsinstitut darin besteht, aus den übergeordneten, allgemein bekannten Trends eine Individualisierung zu schaffen.

Haben sich daraus Inputs für Ihre Strategie ergeben?

Widrig: Unsere Strategie bestand bereits, sie hat sich durch die Kooperation mit dem Zukunftsinstitut nicht grundlegend verändert. Auch die gemeinsame Wahrnehmung nicht. Allerdings sind diejenigen Themenfelder genauer ausgearbeitet worden, bei denen derzeit große Veränderungen stattfinden, zum Beispiel rund um die Mobilität. Daraus haben wir dann Teilstrategien definiert und mit den obersten Kadern eine Priorisierung vorgenommen, hinter der wir alle stehen können.

Wie ist es gelungen, die Inputs „auf den Boden“ zu bringen und praktikabel zu machen? Inwiefern war das Zukunftsinstitut an dieser Umsetzung beteiligt?

Staub: Zur Vorbereitung gab es zwei Impulsreferate von Marcel Aberle, in denen er präsentierte, wie ein Zukunftsforscher denkt. Anschließend fand ein Gespräch darüber statt, was uns alle beschäftigt. Die TeilnehmerInnen dieser beiden Sessions im kleineren Kreis waren 6 VertreterInnen aus allen Unternehmensbereichen, bei denen wir in allen Aspekten auf Diversität geachtet haben. Wir filterten aus der Vielzahl der Megatrends heraus, welche für uns wichtig sein könnten. So entstand unsere individuelle Megatrend-Map. Damit hatten wir bereits konkrete Vorschläge und Ansatzpunkte für den größeren, eintägigen Workshop mit den 30 obersten Kadern. Dieser wurde gemeinsam mit dem Zukunftsinstitut und mit Führungskräften aus verschiedenen Bereichen abgehalten und verdeutlichte, wo eine Vertiefung der Reflexionen nötig war. Etwa bei der genaueren Definition von Begriffen wie „Green Pressure“, die durch den Trend Neo-Ökologie forciert wird, New Work oder auch kommerzielle oder architektonische Aspekte. Wir definierten, wo wir unsere Potenziale sehen, wo die Chancen liegen, was wir konkret aus den Trends machen können und wo Veränderung angesagt ist.

Nicht jeder Megatrend spielt die gleiche Rolle, weswegen man mit dem Artefakt ein maßgeschneidertes Bild entwickelt. Das Artefakt ist eine individualisierte Megatrend-Map und kombiniert Ergebnisse aus Innen- und Außenperspektive. Welche Rolle spielte die grafische Ausarbeitung?

Staub: Marcel Aberle startete mit einer Präsentation der großen Megatrend-Map mit mehr als 50 Trends, um dann immer mehr auf unsere individuelle Megatrend-Map einzugehen. Der Fokus wurde zunehmend auf die für uns relevanten Trends gelegt. Vom großen Ganzen gab es einen Zoom auf die maßgeblichen einzelnen Details, auf unser individuelles Artefakt.

Wie wirkte das Artefakt? War es konkret als Handlungsanleitung zu verstehen oder eher ein übergeordnetes Bild?

Widrig: Das Artefakt selbst ist eher abstrakt, aber man konnte sich durch die grafische Umsetzung auf die für uns relevanten Trends fokussieren. Es war Mittel zum Zweck.

Success Story Flughafen Zürich

Mit der Führungscrew auf der richtigen Flughöhe

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Wie werden die erarbeiteten Strategien umgesetzt?

Staub: Aus den relevanten Trends leiteten wir 5 konkrete Projekte ab, die dann als Heldenreise ausgearbeitet wurden. Diese Projekte sind jetzt in der Organisation in Umsetzung. Ein Projekt, die Neudefinition unseres Unternehmenszwecks und neuer Werte – inspiriert aus dem Megatrend New Work –, haben wir im März 2022 in der Organisation gelauncht.

Widrig: Wenn man von der Veränderung der Passagiere und des Konsumverhaltens ausgeht, muss man Teilstrategien individualisieren. Am Flughafen denkt man in eher langfristigen Zyklen, die Planungen sind auf 15 Jahre ausgerichtet. Es gibt also keine super-kurzfristigen Umsetzungen. Mental haben wir es aber geschafft, von der Krise auf die Zukunft umzuschwenken.

In Pandemie-Zeiten kommen wenige Leute auf die Idee, am Flughafen shoppen zu gehen, was deswegen relevant ist, weil der Flughafen nicht nur den Flugbetrieb organisiert, sondern auch Betreiber von Geschäftsflächen ist. Wie haben Sie die Entwicklung der Zukunftsvision für den Flughafen als Begegnungsraum – Stichwort „Healing Architecture“ – erlebt?

Staub: Das Thema „Healing Architecture“ stand immer mit unseren Zielen im Kontext – wir berücksichtigen es auch bei allen neuen großen Bauprojekten. Daneben beobachten wir auch ein verändertes Verhalten der Reisenden und BesucherInnen und begleiten dies mit einer weiteren Etablierung von „Third Places“. Wir legen mehr Wert darauf, wie wir den Aufenthalt in Mobilitätsdrehscheiben gestalten. „Third Places“ ist als eines der 5 Themen der Workstreams definiert.

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Mobilität: Trendbegriffe und ihre Definitionen

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Der Flughafen Zürich ist für seine Designaffinität und Ästhetik bekannt. Setzen Sie auch verstärkt auf den Aspekt, dass kommerzielle Zentren eher wie Galerien und Ausstellungsflächen wirken?

Widrig: Die Ästhetik des Flughafens ist Teil seiner DNA und wir entwickeln sie stetig weiter. Wir nehmen intuitiv Trends auf. Möglicherweise wird in Zukunft die Materialität im Sinne von Nachhaltigkeit gestärkt, indem wir mehr Holz verwenden statt Glas und Stahl.

Wie haben Sie insgesamt die Ergebnisse der Zusammenarbeit mit dem Consulting Team des Zukunftsinstituts in Ihr Unternehmen implementiert?

Staub: Die Leute hatten sich auf beiden Seiten intensiv mit Zukunft auseinandergesetzt und konstruktive Ergebnisse erarbeitet – am Anfang weiß man ja nie, auf was man sich einlässt. Mit den 5 Projekten aus dem Workshop haben wir am Schluss konkrete Resultate vorzuweisen.

Welche Unterschiede sehen Sie zwischen dem Zukunftsinstitut und anderen Beratungsinstituten?

Widrig: Wir arbeiten selten mit Beratungsunternehmen. Wichtig bei der Zusammenarbeit mit dem Zukunftsinstitut war der externe Input: die Distanz, mit der man in die Zukunft schaut. Bei anderen Beratungsorganisationen wird häufig konzeptuell oder mit Stimmungsbildern und Handlungsanweisungen gearbeitet. Das Zukunftsinstitut überzeugt mit der inneren Kraft der Megatrends. Außerdem waren die Moderationen von Valeria Romme und Marcel Aberle in den Workshops sehr gut.

Staub: Das Zukunftsinstitut punktet mit großer Glaubwürdigkeit. Themen werden sehr sachlich präsentiert, ohne sie zu hypen. Man hat nicht den Eindruck, dass etwas „verkauft“ wird, sondern man erhält kohärente und stimmige Einblicke.

Im Rückblick betrachtet: Welche Tools waren für Ihre Anliegen die wirksamsten?

Staub: Die Extrarunde gleich zu Beginn, in der die möglichen Auswirkungen der Megatrends reflektiert wurden. Um zu einer allgemeineren Einschätzung zu gelangen und nicht auf einer zu abstrakten Ebene in die große Diskussion einzusteigen. Um konkrete Angaben machen zu können, war es notwendig, eine Flughöhe tiefer zu gehen.

Widrig: Das Zusammenspiel der Methoden, die Kompetenz und zudem das Know-how, Workshops zu konzipieren.


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