Wissensmanagement in Social Enterprises

Die proaktive Nutzung von Social Media sowie die visuelle Aufbereitung von Daten sind wichtige Tools für das Wissensmanagement von morgen

Quelle: Leadership Report 2015

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„Wissen ist Macht“ – mit diesem Konzept sind die meisten der heute im Arbeitsleben stehenden Menschen vertraut. Schließlich wurden wir nach diesem Motto erzogen und auch in der Schule entsprechend sozialisiert: Was in Unternehmen heute Collaboration genannt wird und hoch gefragt ist, hieß im Klassenzimmer schlichtweg Abschreiben, war verpönt und wurde bestraft; denn nur, wer mehr weiß als die anderen, bekommt die gute Note. Die zugrundeliegende Haltung prägt fürs Leben: Wer etwas weiß, ist im Vorteil. Daher wird Wissen zurückgehalten und als Machtfaktor zum richtigen Zeitpunkt ausgespielt.

Im Laufe der beruflichen Karriere gräbt sich dieses Muster tiefer ein und entwickelt sich zur Kultur des „Information Hiding“ weiter, die entweder mit machiavellischer Finesse angewendet wird oder schlichtweg den Alltag in Firmen prägt. Immer wieder sitzen wir dem Irrglauben auf, dass die Kostbarkeit des Wissens sich aus dessen Verknappung ergibt. Doch Innovation ist immer auch „Abschreiben“, Erkennen von Nützlichem in Bestehendem, Neusortieren von Bekanntem und Neuordnen von Vorhandenem.

Demokratisierung des Wissensflusses

Damit im Unternehmen Ideen florieren und Innovation gedeiht, muss das Wissen möglichst frei fließen, Austausch gefördert und gefordert werden, müssen alte Zurückhaltestrategien aufgebrochen werden. Und zwar hierarchie- und abteilungsübergreifend, denn in komplexen Sachlagen und kreativen Aufgabenstellungen muss häufig auf Wissen zugegriffen werden, das über Strukturen hinweg verteilt ist.

Der Austausch im Unternehmen wird demokratischer, jeder kommuniziert mit jedem. So wichtig diese Forderung nach vernetzten Strukturen und frei fließender Information auch ist: Unsere aktuellen Arbeitsmittel und Prozesse sind dazu mehr schlecht als recht geeignet. Wer freier Kommunikation die Tür öffnet, muss Strategien entwickeln, mit der Informationsüberflutung zu leben.

In den meisten Unternehmen ist E-Mail das zentrale Medium für Kommunikation und Zusammenarbeit. Es wird genutzt, um Informationen auszutauschen, Dokumente zu verteilen, Aufgaben zu erledigen und Arbeitsabläufe zu gestalten. Trotz ihrer zweifelsfreien Stärken verursachen E-Mails heutzutage aber auch allzu oft Frustration. So empfinden Die E-Mail ist ein suboptimales Tool für das Wissensmanagement der Zukunft laut dem französischen IT-Konzern Atos 48 Prozent der Führungskräfte die Erwartungshaltung an eine zeitnahe Beantwortung von E-Mails als Belastung.

In den USA gilt die Diagnose „Blackberry-Daumen“ (Sonderform der Sehnenscheidenentzündung im Handgelenk) als anerkanntes Krankheitsbild. Britische Wissenschaftler beschreiben das Phänomen des „Phantom-Alarms“, dem zufolge der E-Mail-Stress auch dann noch zunimmt, wenn gar keine weiteren Mails eintreffen, man aber immer wieder nachsieht, ob nicht doch eine Nachricht gekommen ist. Der Begriff „Nomophobie“ umschreibt die krankhafte Angst davor, sein Smartphone zu verlegen und von der Umwelt abgeschnitten zu sein.

Inzwischen geht es bei der permanenten Verfügbarkeit von E-Mail nicht mehr um Höflichkeit, sondern um Grundsätzliches: Ist das Rund-um-die-Uhr-Beantworten von Nachrichten eine Frage der persönlichen Organisation oder berufliche Notwendigkeit? Als ein Leitmedium gerät E-Mail jedenfalls zunehmend in die Kritik und ruft radikale Gegenmaßnahmen zur Eindämmung der Mail-Flut auf den Plan.

Wenngleich manche Maßnahmen eher wie Entzugsprogramme für eine nach der Droge E-Mail süchtige Wissensgesellschaft wirken, die grundlegende Kritik ist angebracht – sie darf allerdings nicht am Symptom der E-Mail-Anzahl hängen bleiben, sondern muss an der Ursache des Übels greifen. Denn allzu oft wird E-Mail zweckentfremdet eingesetzt. Hinzu kommt: E-Mail ist überwiegend personenbezogen und selten themenorientiert, und schon alleine aus diesem Aspekt ein suboptimales Wissensmanagement-Tool.

Komplexitätssteigerung durch Big Data

Die Entwicklung macht jedoch nicht halt. Mobile Informationsverarbeitung – ausgelöst durch die Allgegenwart der Smartphones – läutete das Post-Desktop-Zeitalter ein. Künftig wird aber unser Alltag durch den Einsatz intelligenter Gegenstände, Sensoren und Displays, die alle untereinander kommunizieren und Daten austauschen, komplett vernetzt sein: Schlagwort „Internet der Dinge“. Bis zum Jahr 2020 soll sich das weltweit verfügbare Datenvolumen um den Faktor 44 erhöhen, schätzen die Branchenriesen Hewlett Packard und SAS. Was Big Data so herausfordernd macht, sind nicht nur Menge und Geschwindigkeit, sondern auch die Vielfalt.

Folgt man Medienberichten, so rufen immer mehr Psychologen den unmittelbar bevorstehenden „Kollaps des Homo digitalis“ aus. In Deutschland gehen einzelne Die steigende Komplexität erfordert eine stärkere Ausdifferenzierung der eingesetzten Kommunikationsinstrumente Unternehmen bereits proaktiv an die Problematik heran: So hat der Automobilhersteller BMW festgelegt, dass Mitarbeiter sogenannte Mobilarbeit in ihre Arbeitszeitkonten eintragen können und dafür an anderen Tagen entsprechend weniger arbeiten. Gemeint ist dabei insbesondere die Bearbeitung von E-Mails außerhalb der eigentlichen Arbeitszeit. Die Beschäftigten von BMW sollen zudem mit ihren Vorgesetzten Zeiten vereinbaren, in denen sie grundsätzlich nicht erreichbar sind. Es werde „ein Recht auf Unerreichbarkeit definiert“, sagt Betriebsratschef Schoch. In Frankreich ist man mit einem Gesetz zur Nicht-Erreichbarkeit schon einen Schritt weiter: Ab 18 Uhr darf der Arbeitnehmer Handy und Laptop einfach ausschalten.

Die Erfahrung zeigt: Selbst in streng prozesshaft und erfahrensorientierten Organisationen wie etwa in Banken, Versicherungen oder der öffentlichen Verwaltung ist nur ein überraschend geringer Anteil der anfallenden Informationen in formalen Workflow-ManagementSystemen abgebildet, der überwiegende Teil entfällt auf sogenannte informelle Kommunikation, vom Flurfunk bis zum fachlichen Austausch zwischen Kollegen.

Demnach ist der bei weitem überwiegende Teil der Daten eines Unternehmens unstrukturiert – Prognose: weiterhin steigend. Nichtsdestotrotz müssen auch sie für Analyse und Entscheidungsfindung aufbereitet werden. War das Wissen früher in strukturierter Form in Datenbanken und Tabellen gespeichert, so liegt es heute auch als Audio-Dokument, als Videofile, Präsentation oder als transiente Daten aus dem nicht enden wollenden Strom von Kurznachrichten (etwa aus Twitter, Facebook oder eben von Sensoren) vor. Dem steht eine ebenso vielschichtige Benutzerbasis gegenüber: Wenn aus allen Teilen des Unternehmens zugegriffen werden soll, entsteht die Nachfrage nach sehr unterschiedlichen Perspektiven, Verknüpfungen und Zielsetzungen. Die Komplexität steigt. Erste Lösungsansätze zeigen sich in der stärkeren Ausdifferenzierung der in Unternehmen eingesetzten Kommunikationsinstrumente.

Dieser Artikel ist in folgenden Dossiers erschienen:

Dossier: Leadership

Dossier: Leadership

Die Weltwirtschaft ist nicht mehr von zwei oder drei großen Playern dominiert, sondern längst ein multipolares Spielfeld geworden. Wie können sich Führungskräfte in diesem Kontext behaupten und welche Fähigkeiten brauchen sie?

Folgende Menschen haben mit dem Thema dieses Artikels zu tun:

Franz Kühmayer

Franz Kühmayer gehört zu Europas einflussreichsten New-Work-Vordenkern. Als Keynote Speaker inspiriert er zur Reflexion über Leadership, Arbeit und Kultur.