... Wachstum als allumfassende Maxime zu kippen
Wenn heute auf der Autobahn ein Unfall geschieht, ist das für unsere Brutto-Inlands-Bilanz sehr gut. Der Unfall erzeugt Aufwand und Umsatz und damit Wirtschaftswachstum. Und das ist unser gewohntes Paradigma: Wachsen, wachsen, wachsen. Wir definieren uns über Wachstum, es steht für erfolgreiches Wirtschaften und Wohlstand. Aber das quantitative Wachstum hat natürliche Grenzen. Die Ressourcen der Erde sind endlich. Und betrachtet man die Zahlen, ist seine Ära ohnehin schon vorüber. Seit der Weltwirtschaftskrise 2008 hat sich das jährliche globale Wachstum fast halbiert – von 4,5 bis 5 Prozent in den 1970er-Jahren auf heute nur noch 2,3 bis 3 Prozent. Einzelne Ausreißer ändern nichts am langfristigen Trend. Bis zur Jahrhundertmitte werden globale Wachstumsraten von unter 1 Prozent erwartet. Wann, wenn nicht jetzt, ist der richtige Zeitpunkt, Wachstum zu überdenken? Jetzt ist die Zeit, um auf politischer Ebene, Wachstum als rein ökonomische Kategorie zu erweitern um ein qualitatives Wachstumsverständnis, welches die gesellschaftliche, ökologische und menschliche Komponente mit einschließt. Es muss ein Next Growth werden, das Wirtschaft als systemisch und zyklisch, sich evolutionär zu höherer Komplexität entwickelnd begreift. Habt also den Mut, die Vorstellung von linearem Wachstum zugunsten zyklischer Entwicklungsprozesse zu begraben und damit Wirtschaft neu zu denken.
... für lokale Adaptionen von globalen Entwicklungen
Unsere Realität im 21. Jahrhundert heißt Globalisierung. Das gilt es zunächst einmal zu akzeptieren, mit all seinen Potenzialen und Schwierigkeiten. Der Fokus liegt aktuell auf Letzterem. Die zahlreichen globalen Probleme beschäftigen unsere Gesellschaft, aber mit regionalem Denken lassen sie sich nicht lösen. Im Sinne des Glokalen gilt es, kluge und lokal angepasste Lösungen im globalen Bewusstsein zu finden. Es geht nicht darum, das Eigene im Globalen aufzugeben, sondern es im Kontext des Globalen beständig zu adaptieren. Jede Tradition lebt von der Transformation: Keine Lederhose ohne Smartphone in der Tasche! Grenzen sind dabei genauso wichtig wie Öffnungen. Habt also den Mut, für eine neue Balance im Umgang mit dem Globalen zu sorgen.
... im postdigitalen Zeitalter selbst Fortschritt zu definieren
Technologie scheint aktuell die Antwort auf alle unsere Fragen zu sein. Selbst auf die, die sich nie gestellt haben. Alles lässt sich in Nullen und Einsen auflösen und am Ende übernimmt ohnehin die Künstliche Intelligenz die Welt, so das dominierende Narrativ unserer Zeit. Aber hat der mächtige Trendbegriff der Digitalisierung seinen Zenit nicht bereits überschritten? Menschliche Qualitäten werden gerade in einer hyperdigitalisierten Welt zunehmend wichtiger und wertgeschätzt. Das Digitale soll keineswegs verleugnet werden, es soll als das angesehen werden, als das es den größten Nutzen für uns hat: als selbstverständlicher, omnipräsenter Teil unseres Lebens. Als – ohne Zweifel – wichtiger Treiber der Wirtschaft. Aber ohne ihm die Macht zuzuschreiben, alles umzuwälzen und alle Probleme zu lösen. Habt den Mut, Technologie als neue, natürliche Umgebung anzuerkennen, die wir bestimmen und lenken.
... für die Stärkung der Co-Prinzipien der vernetzten Wir-Gesellschaft einzutreten
Co-Living, Co-Mobility, Co-Creation, ... das Co-Prinzip ist eine Antwort auf die Komplexität der heutigen Welt. Kooperation und flexible Gefüge machen es einfacher, auf instabile Wirklichkeiten zu reagieren und die Komplexität zu bewältigen. Neue Formen von Zusammenhalt und Zusammenarbeit wollen gespürt und geschaffen werden, weit über die Sharing Economy hinaus. Mehr denn je sucht das individualisierte Ich nach Resonanz in kollaborativen Gemeinschaften. Dabei geht es um mehr als Teilhabe, es geht um aktives Gestalten der eigenen Lebenswelt, Sinnstiftung und neue Gestaltungsräume. Statt um Ausgrenzung – die seit 2015 in Deutschland wieder en vogue ist – geht es um ein Zusammenleben, das aus der Vielfalt schöpft, unterschiedliche Werte toleriert und der Gesellschaft so die Möglichkeit gibt, sich weiterzuentwickeln – und gleichzeitig Bedenken und Sorgen ernst nimmt. Nicht allein die Herstellung von Konsens, sondern der Umgang mit Dissens macht eine Gruppe, eine Organisation, eine Demokratie stark und resilient gegenüber künftigen Krisen. Habt den Mut, das progressive Wir als Zukunftsbild zu erkennen und für ein gemeinsames Zukunftsbild zu arbeiten.