Da ist die Alge sehr gut geeignet, finde ich. Ihr Zündstoff ist Sauerstoff, der höchst aggressiv ist, gleichzeitig aber auch das ermöglicht, was wir als Leben bezeichnen. Ich mag das Anekdotenhafte, das Kleinteilige und Große an Algen. Es gibt beispielsweise auch riesige Algen, etwa die Kelpwälder in Polnähe. Sie wachsen schon mal 80 Zentimeter am Tag und bis zu 110 Meter hoch. Es gibt Algen, die so tun, als wären sie eine Pflanze. Darunter sind auch sehr wohlschmeckende und welche, die viel Power in sich tragen. Kieselalgen hingegen sind ganz kleine Teilchen, die so hübsch sind, dass sie ein beliebtes Geschenk sind und es ein Genuss ist, sie unter dem Mikroskop zu betrachten.
Bemerkenswert ist auch die Praktik der Algen, Symbiosen einzugehen.
Dieses Prinzip finde ich sehr gut, vor allem die fakultative Symbiose. Oft gibt es Endosymbiosen: Gemeinsam können beide Partner sehr gut funktionieren, aber wenn einer abhaut, stirbt der andere. Ein Beispiel dafür ist das Korallensterben. Die Pracht von Riffen beruht maßgeblich auf der Arbeit der Algen, die dort eine Symbiose mit Nesseltieren eingehen. Wenn die Algen verschwinden, bricht alles zusammen. Die Partner in fakultativen Symbiosen funktionieren hingegen auch alleine. Eine weitere tolle Eigenschaft ist, dass Algen vergessen können. Wenn sich ihre Lebensumstände ändern, dann stellen sie auch mal komplett ihre Ernährung und Vermehrung um, das hat dann gar nichts
In einem Quartett des Lebens wäre die Alge die Chefkarte
mehr mit ihrem Vorleben zu tun. Davon könnten sich Menschen und Maschinen auch etwas abschauen. Die Alge trägt zudem sehr viel zur Reinigung der Meere bei. Bei uns vermittelt sie zuerst aber meist Schrecken: Der Pool sieht schlimm aus, der See ist dreckig, die Hauswand vergammelt. In asiatischen Ländern ist das anders, da läuft den Menschen das Wasser im Mund zusammen, wenn sie Alge hören. Es ist aber eben nicht alles rundum positiv und harmlos. Es gibt auch Killeralgen, die sehr gefährlich sind und auch einen langen Atem haben. Das zeigte ein Unfall bei der Reinigung eines Aquariums. Dabei gelangte eine Alge ins Mittelmeer, die eine Pflanze imitiert. Sie hat den ganzen Grund überwuchert, alles gekillt. Man hat versucht sie mechanisch und chemisch zu bekämpfen. Natürlich vergeblich, weil die Natur letztlich die Chefin ist. Irgendwann hat die Alge aber selbst gemerkt, dass sie dort nicht hingehört und sich ins Rote Meer zurückgezogen. Algen können auch durch Wind transportiert werden, es gibt terrestrische Algen in Bäumen oder Rotalgen, die als blutender Schnee in den Alpen bekannt sind.
Sie haben die Alge als einen Grundbaustein des Lebens beschrieben, aber was kann sie konkret für uns tun? Beispielsweise in der Ernährung.
Beim Thema Essen gibt sie viel her. Wenn die Meere überfischt sind und wir dennoch Omega-3-Fettsäuren brauchen, dann können wir uns diese durch Algen holen. Fische haben Omega 3 auch nur durch das Fressen von Algen. Algen sind aber auch die Ersten, die Gift aus etwas herausholen. Damit reinigen sie zwar die Welt, dass bedeutet für uns aber auch, dass wir noch mehr aufpassen müssen. Es gibt Algen, die Plastikmüll im Meer verarbeiten, das Toxische aufnehmen, durch die Strömung an die Küste gelangen und dort bei Menschen Hautreizungen verursachen. Die Algen sind dabei nicht böse, sondern wir haben Mist gebaut. In der Lebensmittelindustrie sind Süßwasseralgen auf dem Vormarsch, etwa bei Nahrungsergänzungsmitteln, Smoothies, Tabletten, Drinks und Speisen. Ein Niederländer baut beispielsweise Meeresspaghetti an. Die wachsen in Spaghettiform, werden geerntet, getrocknet und gekocht.
In Asien geht das Essen von Algen soweit, dass die Menschen dort über bestimmte Enzyme verfügen, um Algen richtig aufzuspalten und das Meiste aus ihnen herauszuholen. Wir haben die noch nicht, unser Körper kann das aber lernen. Man kann zudem Tiere mit Algen füttern. Es ist ein unglaublich schnell wachsendes Nahrungsmittel mit hohem Nährwert, Mineralien und Vitaminen. Es muss aber natürlich auch frisch sein und gut behandelt werden. Der Kapitalismus, der stets an der größten Handelsspanne interessiert ist, wird irgendwann auch anfangen, daran herumzuschrauben. Ein Huhn ist ja per se kein schlechtes Lebensmittel, sondern erst durch die Massenindustrie zu so einem geworden. Ähnliches blüht der Alge vielleicht auch. Das Bewusstsein für gesunde Lebensmittel ist in den letzen Jahren allerdings sehr, sehr, sehr stark gestiegen. Schönheit und ein langes Leben sind immer noch die wichtigsten Dinge für Menschen. Und wenn man weiß, dass man das auch durch Essen erreichen kann, statt durch Chirurgie, dann ist die Alge da ganz weit vorne.
Future Day 2018 - Interview Liechtenstein