Zukunftsthemen

Lazy-Eight-Modell: Verortungs-Tool für die Strategiearbeit

Geschrieben von Zukunftsinstitut | Feb 15, 2024 9:11:16 AM

Aufgrund der schnellen Transformation von Gesellschaft und Wirtschaft müssen Organisationen einen kontextübergreifenden Blick auf die Dynamiken komplexer Systeme werfen. Mithilfe des adaptiven Zyklus lassen sich diese Beobachtungen und Veränderungen unserer Zeit neu betrachten und einordnen. Ursprünglich stammt der Ansatz aus der Resilienzforschung und lässt sich auf unterschiedliche Systeme (Individuen, Ökologie, Wirtschaft etc.) anwenden.

 

 

Vier sich wiederholende Phasen werden darin beschrieben, in denen sich das System unterschiedlich verhält – zusammenbricht, destrukturiert, reorganisiert oder erneuert. Wegen seiner Form, die einer liegenden Acht gleicht, wird der adaptive Zyklus auch „Lazy Eight“ genannt. Diese vier Phasen des Lebenszyklus lassen sich auf Organisationen anwenden. Das Modell der Lazy Eight zeigt auf, wie es möglich wird, auf die Phasen nicht mit Robustheit und Stabilität, sondern mit adaptiven Maßnahmen zu reagieren. Diese stärken die Organisation und befähigen sie, die Phasen immer wieder erneut, allerdings auf einer höheren Ebene zu durchlaufen.

Der Strategieprozess ist entsprechend der Lazy Eight kein statisches Modell, sondern muss in Zyklen gedacht und entwickelt werden. Organisationen können mit dem Modell also einschätzen, an welcher Stelle des Zyklus sie sich gerade befinden und welche Phase als Nächste kommen wird. Die erste Frage betrifft also die eigene aktuelle Position im Zyklus. Dieses Wissen befähigt Organisationen zu Adaptivität und Handlungsfähigkeit. Denn strategische Zukunftsfähigkeit ist immer Abhängigkeit von der situativen Einschätzung. Die Lazy Eight ist dadurch ein unverzichtbares Element für die Strategiearbeit.

Adaptive Zyklen als Prozess für Erneuerung

Die Lazy Eight strukturiert die Lebensphasen von komplexen Systemen in vier unterschiedliche Phasen: Innovation, Wachstum, Stagnation und Erneuerung. Dabei durchlaufen Organisationen alle Phasen als einen evolutionären Prozess immer wieder neu und treten dabei jeweils in eine weitere Erneuerungsschleife ein. Dabei wird Altes zurückgelassen, Neues integriert und Bewährtes etabliert.

Die jeweiligen Handlungen während der unterschiedlichen Phasen sind dabei stets abhängig von der Systemdynamik. Je nach der entsprechenden Position müssen andere Qualitäten und Ressourcen aktiviert werden, um sich als Unternehmen, als Organisation zu entwickeln. In einer Phase der Innovation werden folglich andere Ressourcen benötigt als in einer Phase der Stagnation. Wesentlich für die Arbeit mit der Lazy Eight ist auch, zu verstehen, dass einzelne Kontexte sich an verschiedenen Punkten des adaptiven Zyklus befinden können. Das bedeutet, dass Gegensätzliches nicht nur ausgehalten werden muss, sondern sogar sehr hilfreich für die strategischen Maßnahmen ist. So können die Maßnahmen noch spezifischer auf die jeweilige Position (Innovation, Wachstum, Stagnation und Erneuerung) abgestimmt werden.

Die vier Phasen im Detail

Jede Phase ist durch zwei Subphasen gekennzeichnet. Dies bedeutet, dass innerhalb der Lazy Eight acht Subphasen durchlaufen werden können. In der Phase der Innovation befindet sich ein System zunächst in einem Moment des Entdeckens. Hier sind ein schnelles Erproben, Kreation und das Entwickeln und Testen von Prototypen handlungsleitend. Die Fallhöhe ist gering, die Organisation passt sich an die bestehenden Umweltbedingungen an. Danach beginnt ein Neustart, der von einer Verbindlichkeit und Sichtbarkeit geprägt ist. Die Organisation hat sich für einen klaren und eindeutigen Weg entschieden.  Die Phase führt in den Bereich des Wachstums. „Altes“ wird endgültig losgelassen, der Weg Richtung Skalierung wird eingeschlagen und die Ergebnisse sowie Erkenntnisse der Innovationsphase werden implementiert. Darauf aufbauend erfolgt das Etablieren von Ablauf und Aufbau – Prozesse und Strukturen verfestigen. Zudem werden die verschiedenen Rollen manifester und Interaktionen sowie Beziehungen stabilisieren sich. In der nächsten Phase beginnt eine Situation, in der Erhalt und Effizienz dominieren. Die Phase der Stagnation beginnt. Der Status quo wird unumstößlich erhalten. Das System ist von steigender Inflexibilität gekennzeichnet, wodurch die Krisenanfälligkeit steigt. Standardisierung und das Zurückgreifen auf Dinge, die „schon immer gemacht“ wurden, beherrschen die Lösungsfindung. Puffer werden aufgebaut, um das Bestehende zu schützen. Danach folgt die Krise. Das System reagiert mit Rückgriff auf Reserven, Durchhalteparolen, Krisenpläne und Interventionen. Auf die Phase der Stagnation folgt dann die Erneuerung. Trotz der Konfusion in der Organisation werden alte Hierarchien und Muster überstimmt. Es wird improvisiert und neue Autoritätssysteme werden entwickelt. Jetzt ist der Moment der kritischen Phase der sogenannten Bifurkation – der kritische Umschaltpunkt. Hier entscheidet sich, ob die Organisation wirklich in die Erneuerung (neues Spiel) geht oder am Alten (altes Spiel) festhält.

Die Lazy Eight als Teil der Business Map

Je nachdem, welcher Kontext einer Organisation betrachtet wird, kann sich dieser an einer anderen Position innerhalb der Lazy Eight befinden. Das bedeutet, dass der Kontext Antrieb sich exemplarisch in der Phase der Innovation befinden kann, der Kontext Trends aber in der Phase der Stagnation und der Kontext Angebot wiederum in der Phase der Erneuerung. Diese erste Erhebung ist fundamental, um ein Strategiemodell der Organisation zu erhalten, mit dem anschließend strategisch weitergearbeitet werden kann. Das Modell gibt auf einen Blick an, in welcher Phase sich der jeweilige Kontext der Business Map befindet. Zur besseren Übersicht werden die jeweiligen Phasen dabei mit unterschiedlichen Farben repräsentiert: Gelb steht für Innovation, Grün für Wachstum, Rot für Stagnation und Blau für Erneuerung.

Einschätzung des Kontexts im adaptiven Zyklus

Diese erste Analyse ist eine Selbsteinschätzung. Organisationale Dynamik ist stets geprägt von subjektiver Sichtweise. Jedes Individuum wird eine eigene Sicht auf die „Realität“ beziehungsweise die Verortung der Kontexte haben. Eine häufig gewünschte „objektive“ Einschätzung, wie beispielsweise durch Kennzahlen, ist eine Konstruktion und kann durch gemeinsames Commitment gegebenenfalls als Stütze dienen. Es benötigt jedoch einen Konsens der Beteiligten eines Systems, wo sie den entsprechenden Kontext auf der Lazy Eight verorten. Denn darauf aufbauend wird die Richtung der folgenden Arbeit mit der Business Map umgesetzt. Diese Entscheidungen sind somit die Basis für die folgenden strategischen Entscheidungen, die getroffen werden. Zielführend sind verschiedene Formate der Datenerhebung (Gruppendiskussion, Befragungen etc.) mit den an der Strategiearbeit beteiligten Mitarbeitenden. Sie können ihre Einschätzung abgeben, in welcher Phase sich welcher Kontext der Organisation aktuell befindet. Die jeweiligen Subphasen auf der Lazy Eight erleichtern diese Evaluation. So eignet sich beispielsweise eine Einfachauswahl zur Bestimmung der Häufigkeitsverteilung. Alternativ ist auch eine gemeinsame Konsensfindung im Workshop denkbar.

Der Prozess der Entscheidungen für eine Phase

Innerhalb der Phase Innovation lauten die Subphasen „Entdecken“ und „Neustart“. Wenn partizipativ evaluiert wird, dass dies für zum Beispiel den Kontext Antrieb zutrifft, wird dieser auf Gelb gesetzt. Subphasen innerhalb der Phase Wachstum wären zum Beispiel „Skalieren“ oder „Etablieren“. Wenn sich beispielsweise die Mehrheit der befragten Mitarbeitenden im Kontext Kunden dafür entscheidet, wird der Kontext auf Grün für Wachstum gesetzt werden. Stagnation ist von den Subphasen „Status quo“ und „Krise“ geprägt. Wenn eine Mehrheit sich im Kontext Trends für diese Einschätzung entscheidet, wird der Bereich auf der Business Map dann rot markiert. In der Phase Erneuerung lassen sich die Subphasen „Konfusion“ und „Bifurkation“ beobachten. Fällt seitens der Befragten für den Kontext Organisation die mehrheitliche Wertung für diese Phase, wird sie als blaue Wabe dargestellt, und so weiter.

Anhand der farblichen Markierungen auf der Business Map wird auf einen Blick sichtbar, welcher Kontext sich derzeit in welcher Phase der Lazy Eight befindet. Durch die Zuordnung erhält die Organisation das Strategiemodell. Durch die Übersichtlichkeit lässt sich die organisationale Dynamik leicht ablesen und das Wissen entsprechend für unternehmensstrategische Konzepte nutzen. Das Wissen über die jeweilige Zyklusphase des Kontexts dient als Basis für die vertiefende Arbeit in der Context Map – dem strategischen Lagebild der Organisation.