Zukunftsthemen

Normcore: Same same but different

Geschrieben von Zukunftsinstitut | Sep 16, 2016 1:00:00 PM

Wie kann man auffallen in einer Welt voller Individualisten? Die Tatsache, dass alle anders sein wollen als die Masse, langweilt mittlerweile selbst die Modewelt. Schon seit einigen Jahren scheitert das Hipstertum zunehmend an dem Versuch, sich durch Individualität von der Masse abzuheben und dadurch an Status zu gewinnen. Der Konkurrenzkampf um Einzigartigkeit endet immer wieder darin, dass alle gleich aussehen: gleiche Hipsterbärte, -brillen, -tattoos.

Getrieben von Social Media und der Fast Fashion Branche ist es inzwischen möglich, täglich seinen Stil zu wechseln: heute Hipster, morgen Punk, übermorgen Indie. Konsistente Subkulturen können unter diesen Vorzeichen kaum noch existieren. Deshalb sehnen sich auch Trendsetter zusehends nach Einfachheit und Gruppenzugehörigkeit. Der dazugehörige Trend ist seit rund zwei Jahren zu beobachten: Wenn sich Teenies in Brooklyn oder Hipster in Soho kaum noch vom klassischen Touri mit Basecap, Hoodie und ausgewaschener Jeans unterscheiden, spricht man von Normcore.

Normcore, eine Wortschöpfung der New Yorker Trendagentur K-Hole, beschreibt genau dieses Bedürfnis: den Wunsch, irgendwo dazuzugehören, anstatt sich abzusetzen. Der Begriff beschreibt eine neue, post-authentische Coolness, die nach Gleichheit strebt. Normalität wird dadurch zu einem ironischen Statussymbol für die Menschen, denen der Begriff "normal" eigentlich zuwider ist. Zum Beispiel Steve Jobs oder Mark Zuckerberg: schlecht sitzende Jeans, Turtle-Neck Shirt, weiße Turnschuhe – fertig. Doch sich zu kleiden wie der Mainstream, hebt den Normcore-Trendsetter ab von denjenigen, die noch immer auf dem anstrengenden Trip der Nonkonformität sind.

Durch die Weiterentwicklung in Social Media beschreibt der Begriff Normcore inzwischen eine Art seriösen High-Street-Fußgänger-Look. Diese Normcore-Garderobe gestaltet sich um Kern-Kleidungsstücke, die länger als eine Saison getragen werden können: einfache Shirts, ausgewaschene Jeans, Kaschmir-Pullover und ein paar Sneakers – je cleaner, desto besser. Individualität wird durch Farb-und Form-Sprache ausgedrückt. Der Mainstream-Schuh, der Normcore perfekt symbolisiert, ist die Birkenstock-Sandale: Sie steht für Gemütlichkeit, Tragekomfort und Langlebigkeit. Neue Farben und Metallic-Looks machten den Schuh 2014/15 zum Trendsetter-Must-have – und zum Mainstream-Phänomen.

Normcore bedeutet heute also viel mehr als der Look, der ihm anfangs zugeschrieben wurde: Der Begriff steht für das bewusste Nicht-Darstellen von Status – und damit eine neue, reflektierte Form der Status-Symbolik zweiter Ordnung, nämlich die Möglichkeit, sowohl in der Masse untergehen als auch individuell hervorstechen. Damit definiert Normcore einen kaum wahrnehmbaren Style, der inneres Selbstvertrauen und tief verwurzelte Kompetenz ausstrahlt. Studien belegen, dass Menschen, die sich locker und ungezwungen kleiden, etwa in Trainingshose und Shirt, als selbstbewusst empfunden werden – und eher als Luxus-Käufer eingestuft werden als aufgestylte Pelzträger.

Dieser neue Twist hin zur Lässigkeit und zum souveränen Status-Understatement ist quasi das Gegenstück zum protzigen Bling-Bling-Style. Und er ist so populär, dass Normcore auch in die Arbeitswelt hineinwirkt, in der traditionell eine enge Verbindung von Mode und Status herrscht. So werden Sneakers oder Slipper immer öfter zu Anzügen kombiniert, und klassische Armani-Kostüme werden abgelöst durch Vintage-Kombinationen.

Image Credits: Unsplash / Brooke Cagle / University of Arkansas, Fayetteville, United States / CC0