Allen Service- und Convenience-Angeboten zum Trotz ist Shoppen heute tatsächlich deutlich komplexer geworden. Statt der Hausfrau besorgen die Einkäufe – je nach gerade verfügbarer Zeit – längst beide Partner und immer öfter auch die (nun länger) im gemeinsamen Haushalt lebenden Kinder. Und jeder entscheidet meist nach ganz anderen Kriterien, wobei man sich dabei einer immer größeren Vielfalt an Einkaufsoptionen gegenübergestellt sieht: vom Take-Away aus der Betriebskantine bis zur Gemüselieferung durch Amazon Fresh, vom Zwischenstopp beim Bauernmarkt oder Bio-Supermarkt bis zum Einkauf beim Discounter, vom Schlendern durch die Shopping-Mall bis zum Ordern von Kochboxen, die uns Start-ups offerieren. Es gibt so viel Bewegung und so viele Innovationen im Bereich der Einkaufsmöglichkeiten, dass man als Konsument leicht den Überblick verlieren kann: „Schatz, wer hat uns denn letzte Woche dieses leckere vegane Curry geliefert?“
Shopping – es ist kompliziert
Es sind viele unterschiedliche Faktoren, die dazu führen, dass wir uns beim Einkaufen nicht (mehr) für die einfachste Lösung entscheiden – den Gang zum Vollsortimenter, der uns fast alles bietet: Premiummarken, Bioprodukte, Fertigmenüs, Fair-Trade-Waren, Discountangebote etc., inklusive optionalem Zustellservice. Mehr und mehr nämlich gleicht unser Einkaufsverhalten unserem Medienverhalten: Statt uns mit der abonnierten Tageszeitung oder der abendlichen Tagesschau zu begnügen, surfen wir zusätzlich auf unzähligen News-Portalen im Netz, folgen den Links, die Freunde auf Facebook posten, googeln nach noch mehr Neuigkeiten, nur um zwar mehr Infos, aber weniger Überblick zu haben – sprich: gestresster und verunsicherter zurückzubleiben.
Ganz ähnlich agieren wir heute beim Einkaufen. Trotz der Klage über zunehmenden Alltagsstress haben wir es uns in unserer selbst geschaffenen, überkomplizierten Einkaufsroutine eingerichtet. Und sehnen uns zugleich nach einfachen Lösungen, die uns von beinahe allen Seiten versprochen werden: hier die Online-Händler, dort die klassischen Vollsortimenter und die „upgepimpten“ Discounter, die Lieferservices und die neuen Caterer. Jede Woche startet ein neuer Service, Supermärkte verändern laufend ihre Ladenkonzepte, ambitionierte Tante-Emma-Läden sperren auf (und nach wenigen Monaten oft wieder zu), Tankstellen werden zu Minimärkten, Restaurants zu Lebensmittelhändlern und Supermärkte zu „Grocerants“, in denen wir nicht nur frische Lebensmittel kaufen, sondern auch frisch zubereitete Speisen genießen können.
Ausblick
- In wenigen Jahren werden die Digitalisierung und die damit verbundenen Entwicklungen auch in der Lebensmittelbranche eine Selbstverständlichkeit sein und hyperpersonalisierte Angebote ermöglichen. Wer aber nur die technologischen Innovationen im Blick hat, läuft Gefahr, die Gesamtstrategie aus den Augen zu verlieren.
- Das Upgrading im Lebensmittelhandel wird sich in Zukunft weiter fortsetzen: Discounter wandeln sich zu Supermärkten, Supermärkte zu hybriden Gastro-Retail-Erlebnisorten. Der harte Preiskampf verlagert sich immer mehr ins Internet. Reine Versorgungseinkäufe finden künftig häufig (teil-)automatisiert über digitale Assistenten statt – dafür muss nicht mehr unbedingt ein Laden betreten werden.
- Erfolgreich werden in Zukunft Unternehmen sein, die ihren Kunden nicht nur individuell zugeschnittene Einkaufs- und Zustelllösungen für Lebensmittel, sondern je nach Situation und Lebenslage die insgesamt beste Esslösung bieten.
Dieser Text ist ein Auszug aus dem Food Report 2019.