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Die Evolution der Medien

Medien interagieren mit ihrem Umfeld: Ihre Zukunft lässt sich vorhersagen, wenn man sie als sozio-evolutionären Prozess begreift.

Medien begleiten die Menschheitsgeschichte von Anbeginn an. Seit unsere Vorfahren vor hunderttausend Jahren mit Faustkeilen die ersten Symbole in Steine ritzten und vor fünfzigtausend Jahren die ersten Tiere an Höhlenwände malten, lösten sie damit einen evolutionären Prozess aus – allerdings nicht auf biologischer, sondern auf mentaler Ebene. Bild und Schrift, Musik und Tanz wurden Treiber nicht nur technologischer, sondern auch sozialer und kultureller Prozesse, die heute den ganzen Planeten erfasst haben. Medien bilden ein eigenständiges Universum, das längst eigene Evolutions-Gesetze ausbildet.

„Das Medium ist die Message“

Der ikonographische Satz des Medien-Philosophen Marshall McLuhan enthüllt im Internet-Zeitalter erst seinen prophetischen Gehalt: Es sind weniger die Inhalte, sondern der Strukturwandel der Medien selbst, der heute die Welt vorantreibt und wie keine andere Kraft Ökonomie, Gesellschaft, Produktion, Management und Werte verändert. Wohin aber geht es mit den Medien? Gibt es eine unheimliche Drift in Richtung Totalvernetzung, Überwachungsstaat und eines Always-on-Terrorismus? Oder kommt es, wie wir schon seit Jahren ahnen, zu einem „digital backlash“? Wie entwickeln sich die Projekte der neuen Mediengiganten Facebook, Amazon, Google und Apple, die den Anspruch haben, die Welt zu verändern? Und wie können sich Unternehmen, Manager, Innovateure besser auf die neue Medienwelt vorbereiten?

Der techno-evolutionäre Ansatz

Die Trend- und Zukunftsforschung hat heute neue „Tools“ für die Voraussage von Medienentwicklungen zur Verfügung. Mit dem Begriff „Technolution“ bezeichnen wir ein Vorhersage-Modell, das Technik nicht mehr als lineares, autonomes System sieht, sondern im Kontext von Kultur und Gesellschaft als evolutionären Prozess begreift. Denn Technologie allein entscheidet nicht darüber, was sich durchsetzt und was nicht, sondern vor allem die Frage, ob es einen Markt für etwas gibt und wie groß die Widerstände sind. Diese Faktoren sind kulturell bedingt und einem permanenten Wandel unterworfen. Wer die Entwicklung des Medien-Universums beobachtet, darf sie nicht außer Acht lassen.

Evolution arbeitet im Zusammenwirken von „Varianz“ und „Auslese“. „Varianz“ ist durch Zufall bedingt, und dieser Zufall entsteht im ständigen Innovationsraum der Medien durch immer neue Gadgets, Plattformen, Systeme. Die „Auslese“ jedoch findet durch Kauf- und Nutzungsverhalten statt – das durch soziale und kulturelle Motive geprägt ist, die oft nicht im Technischen liegen. In diesem Doppelspiel bildet sich ein technischer Zukunfts-Pfad aus, dessen Richtung wir verstehen und bestimmen können.

Techniker, Programmierer und Ingenieure, aber auch die Manager der Medienunternehmen folgen meist einem linearen Technik-Bild, das allzu oft auf reiner Die evolutionären Flops zu analysieren ist ein erster Schritt zu einer ganzheitlichen Medien-Prognostik Steigerungslogik basiert: schneller, kleiner, mehr Funktionen, billiger, mehr Geräte! Das führt zu Fehl-Allokationen am Markt, von denen es in der Medien-Geschichte der jüngeren Zeit geradezu wimmelt. Diese Flops zu analysieren ist ein erster Schritt zu einer ganzheitlichen Medien-Prognostik. Denn wie in der Evolution entsteht auch hier die Zukunft nicht, indem immer neue Dinge (Spezies) hinzukommen. Sondern indem das Aussterben Raum für neue, adaptivere Entwicklung schafft. Das Scheitern einer Medientechnologie mag für den Einzelnen tragisch sein, für die Balance des gesamten Systems ist es jedoch unbedingt notwendig – und es lässt Rückschlüsse zu auf die Veränderungen in den Bedürfnissen der Nutzer. Die Flops im Auge zu behalten ermöglicht einen Überblick über die „ökologischen Nischen“ des evolutionären Systems der Medien – das bedeutet, Märkte zu identifizieren.

Wann haben Sie zum letzten Mal ein Telegramm verschickt? Das Bedürfnis, schnell und kostengünstig wichtige Nachrichten verschicken zu können, ist sicherlich eine „ökologische Nische“, ein Markt. Mitte des 20. Jahrhunderts konnte das Telegramm diese Nische noch problemlos besetzen, wurde dann aber von noch schnelleren, noch kostengünstigeren Technologien verdrängt. In den USA wurden 1929 noch 200 Millionen Telegramme verschickt, 2005 waren es noch 20 000. Western Union hat den Dienst inzwischen eingestellt, in Deutschland bietet die Post ihn aber nach wie vor an. Der Text lässt sich über ein Eingabefeld auf der Website der Deutschen Post eintippen.

Mit dem Blick auf die Evolution der Medien wollen wir die Faktoren identifizieren, die über Aussterben und Aufkommen alter und neuer Medien entscheiden. Mit diesem Analyse-Ansatz lassen sich auch berechtigte Zweifel an einigen heutigen Großprojekten der Medienindustrie begründen. Der Schwerpunkt liegt dabei auf dem Ausleseprozess: Was setzt sich durch und was nicht? Woran liegt das? Welche ökologischen Nischen werden frei, welche neu besetzt, welche verschwinden, welche entstehen neu? Wo liegen die Märkte für die Medien der Zukunft? Um diese Fragen beantworten zu können, lohnt sich ein Blick auf das Ökosystem, in dem sich Medien bewegen: Menschliche Kommunikation.

Das Wesen der humanen Kommunikation

Um die sozio-medialen Selektionsprozesse tiefer zu verstehen, müssen wir das humane Kommunikationsuniversum besser verstehen lernen. Grundsätzlich basiert menschliche Kommunikation auf vier Achsen: Wir können aktiv oder passiv kommunizieren (rezipierend oder interaktiv). Unsere Motive können sich auf soziale oder kognitive Elemente beziehen. Dabei haben Informationen in den jeweiligen Kontexten verschiedene Bedeutungen. In diesem Achsensystem entstehen nun Komplexitäts-Diagonalen, die das Kommunikations-Universum gleichsam „auffalten“:

  • Aktiv-kognitiv: Die Steigerung von Wissen zum Reflektieren (Zweifeln) zum noch aktiveren Lernen.
  • Aktiv-sozial:Vom Steuern eines bekannten Prozesses über Kontrollieren hin zu Managen und Motivieren, der komplexesten kommunikativen Funktion.
  • Kognitiv-passiv: Vom einfachen Informieren (im Rahmen eines kognitiven „frames“) über Bestätigen/Vergewissern zu Verstehen im Sinne eines kognitiven Prozesses. (Verstehen muss hier nicht in einem aktiven Lernprozess bestehen, es kann sich hier um ein Einordnen oder Ergänzen/Komplettieren handeln.)
  • Sozial-passiv: Vergewissern/Vergleichen – Verbinden – Klatschen. Hier finden sich die Primärfunktionen Sozialer Netzwerke. Dies ist das Segment der Gefühle, der Gruppenbindungen und sozialen (Selbst-)Vergewisserungen.

Natürlich sind alle vier Segmente menschlicher Kommunikation miteinander verbunden und gehen teilweise ineinander über. Wichtig ist aber, dass es sich um verschiedene Geistes- und Intensitätszustände handelt, in denen das Hirn auf unterschiedliche Weise operiert. Lernen erfordert einen anderen „Mindset“ als Managen oder Klatschen.

Wenn wir nun die einzelnen Kommunikationsformen und -intentionen in eine Komplexitätsachse bringen, entsteht ein Profil, das sich mit den vorhandenen Medien-Techniken matchen lässt. Bestimmte Medien eignen sich besser für bestimmte kommunikative „Tasks“ als andere. Das Fax zum Beispiel kommt im Grunde nur in einer einzigen kommunikativen Funktion vor – vergewissern (im geschäftlichen Bereich durch Verträge etc.). Hier zeigt sich die Substituierbarkeit verschiedener Kommunikationsformen, ihre „evolutionäre Drift“ in andere Medienplattformen. Soziale Medien zum Beispiel können „fast alles“. Sogar bis zu einem gewissen Grade managen und motivieren. Das boomende „Medium“ der Videospiele eignet sich für fast alle Kommunikationsvarianten: Lernen, Reflektieren, Steuern, Managen, Motivieren, aber auch Unterhalten, Bestätigen etc.

Die Medien-Evolution können wir nun als ein allmähliches Ausfüllen der weißen Flecken auf der Landkarte der kommunikativen Möglichkeiten begreifen. Bei diesem Prozess kommt es zwangsläufig zu Konflikten, da sich geistige und technische Möglichkeiten nicht immer auf derselben Ebene befinden. Dieser „Medienstress“ ist der eigentliche Antreiber der „Media-lution“, der medialen Evolution.

Evolutionäre Sprünge

Menschliche Kommunikation ist das Ökosystem, in dem sich die Media-lution vollzieht. Es sind die kognitiven und sozialen Bedürfnisse der Menschen, die die Voraussetzungen für die Auslese in diesem Entwicklungsprozess schaffen. Diese Bedürfnisse verändern sich, auch in Wechselwirkung mit den technischen Möglichkeiten. Aktuell befinden wir uns in einer Umbruchsituation: Die Entwicklung der Medien macht so gewaltige Sprünge, dass die Analyse kaum noch hinterherkommt. Ein entscheidender Auslöser für diese Situation war ganz sicher das Aufkommen des Internets. Das Internet ist nicht nur ein Medium unter vielen, sondern erschüttert unser ganzes Verständnis des Medienbegriffs. War vordem von Lesern, Zuhörern und Zuschauern die Rede, können Medienunternehmen – alle Medienunternehmen – ihre Kunden heute als „Nutzer“ bzw. „User“ verstehen. Fernsehen, Radio und Zeitungen richteten sich an die passive Masse. Heute ist es der aktive Einzelne, der angesprochen werden soll.

Direkte, vernetzte Many-to-many-Kommunikation ist heute an einer systemischen Grenze angelangt. Das zeigt nicht nur der fallende Grenznutzen des Mediums E-Mail, das heute im Business-Raum mehr Zeit und Aufmerksamkeit verschlingt, als es komparativen Nutzen bringt (und das durch Soziale Netzwerke abgelöst wird). Generell Das Kommunikationssystem Internet vermischt Meinungen und Gefühle, ohne dafür neue Kulturtechniken zu entwickeln zeichnen sich die systemischen Grenzen eines explosionshaft wachsenden Kommunikationssystems ab, das zunehmend Stimmungen, Meinungen, Gefühle, Intentionen vermischt, ohne dafür neue Kulturtechniken zu entwickeln.

Ein Beispiel ist die Entwicklung der Shitstorm-Kultur. Deren Exzesse werden stellvertretend zu einer neuen sozialen Normierung der Netzkommunikation führen. Dabei werden sich große Massen der User aus dem Netz – oder in seine Nischen – zurückziehen, und/oder es werden verbindliche Normen erzwungen – womöglich auch durch Selbstorganisation, Selbstregulierung, eine Art „moralischer Gesetzgebung“ im Netz. Die wilden Zeiten des Netzes sind vorbei – es folgt die Domestizierung und Kulturisierung dieses Wilden Westens.

Der Paradigmenwechsel, der sich momentan vollzieht, lässt die klassische Einteilung verschiedener Medien – Print, TV, Radio – in sich zusammenfallen. Die alten Definitionen verschwimmen an den Rändern; völlig neue Formate entstehen, die in keine der althergebrachten Kategorien mehr passen. In dieser Studie sind wir daher so „kleinteilig“ wie möglich vorgegangen und haben unsere Analyse nicht auf solchen übergeordneten Sammelbegriffen aufgebaut. Stattdessen haben wir einzelne Medien, alte und neue, einer zentralen Fragestellung untergeordnet:

Wie wird sich die Nutzung der Medien verändern?

Medien leben von Aufmerksamkeit. Die Beachtung, die ihre Nutzer ihnen schenken, ist ihr täglich Brot. Es sind die Verschiebungen in der Aufmerksamkeit der Nutzer, die wir in den Mittelpunkt dieser Studie stellen wollen. Der Anspruch ist es, dabei nicht linear-quantitativ vorzugehen, sondern qualitativ und differenziert. Denn die Aufmerksamkeit der Mediennutzer wird nicht „weniger“, sondern „anders“. Diese Veränderung soll diese Studie beschreiben.

Eine Einteilung der Nutzer in „Zielgruppen“ ist dabei nicht unsere Intention. Anstatt sie nach starren demographischen Merkmalen in Schubladen zu pressen, zeigen wir, dass konkurrierende Nutzungssituationen für die Medien viel bedeutsamer sind. Dieser mikro-situative Ansatz analysiert also nicht generelle kommunikative Bedürfnisse der Mediennutzer, sondern ihre konkreten Erwartungen in dem Moment, in dem sie das Medium nutzen. Denn, was die Wirkungsforschung für die Werbung seit einiger Zeit vertritt, lässt sich im erweiterten Sinne heute auf die Nutzung jeder Art von Medium übertragen:

1. Aufmerksamkeits-Diffusion: Nutzer erwarten Zerstreuung. Sie lassen die Inhalte auf sich zukommen, wollen im Alltag ein mediales Hintergrundrauschen erzeugen. Auch der virtuelle Schaufensterbummel fällt in diese Kategorie: Man schaut mal, was es so gibt, und stößt dabei vielleicht zufällig auf etwas Interessantes. Medien, die das Bedürfnis befriedigen, sich auf diese Art und Weise „berieseln“ zu lassen, bezeichnen wir als Diffusionsmedien. Von einer kategorischen sozialen Zielgruppen-Zuordnung der Aufmerksamkeits-Diffusion nehmen wir bewusst Abstand: Diffusionsmedien sind keine „Unterschichten“-Medien. Auch Philosophieprofessoren erleben schließlich Momente, in denen sie nur in den Sessel fallen und sinnlos durch die Kanäle zappen wollen. Es sind diese Momente, um die es hier geht, nicht die formalen Bildungsabschlüsse der Nutzer.

2. Die Rückkehr der Konzentration: Im allgemeinen Overload und der Omnipräsenz medialer Gleichzeitigkeit entsteht ein neues Bedürfnis danach, sich endlich mal wieder ganz in Ruhe auf etwas konzentrieren zu können. Überraschende Erfolge wie etwa der der Wochenzeitung Die ZEIT („Genießen Sie die ZEIT“) sind in Wahrheit ein kluges Ausnutzen dieser ökologischen Nische. Im Gegensatz zu Diffusionsmedien wissen die Nutzer dieser Fokusmedien schon ungefähr, was sie erwartet, und sind bereit, Zeit und Geld in diese Medienerfahrung zu investieren. In dieser Situation ist es ihr Ziel, voll und ganz in die Medienwelt „hineingesaugt“ zu werden und den Alltag vollständig hinter sich zu lassen. Das Event als Medium eignet sich besonders dafür: Kinos und Theater fungieren für ihre Besucher im Idealfall als das Kaninchenloch, durch das „Alice im Wunderland“ eine fremde Zauberwelt betritt.

Das Rekursionsprinzip

Ein weiteres Element, um die Zukunft der Medien zu verstehen, baut auf einer alten Erkenntnis auf: Kein Medium schafft ein altes vollkommen ab, aber jedes neue Medium verändert die vorhergehenden. Projektionen, die bestimmten medialen Plattformen oder Techniken ein Endfälligkeitsdatum zuweisen, gehen deshalb immer in die falsche Richtung. Zum Beispiel: Wann wird die letzte Zeitung und das letzte Buch gedruckt werden? Wann werden wir alle nur noch auf Facebook kommunizieren? Wann werden alle Fernsehsendungen nur noch als Videoclips gesehen? Diese Fragen führen in die Irre, weil sie den rekursiven Aspekt ignorieren, der durch die Medien-Evolution entsteht. Dabei gelten zwei Hauptregeln:

1. (Fast) jedes Medium erlebt ein Retro: Als das Farbfernsehen flächendeckend eingeführt wurde, war klar: Das Kino wird sterben. Aber das Kino erfand sich neu – als intellektueller Treffpunkt in Form der Programmkinos, als Multi-Ort in der neuen Freizeitwelt, als Fokusmedium. Als die CD eingeführt wurde, sprach man vom Ende der Schallplatte – heute wird ein Fünftel aller Musikträger wieder auf Vinyl gepresst.

2. Jedes Medium verschiebt seine Gebrauchs-Kontexte unter gesteigerter Konkurrenz in Richtung einer prägnanteren Nische: Nach dem Prinzip der evolutionären Drift besetzen in einem Biotop, in dem Ressourcen knapp werden, einzelne Spezies immer engere Nischen in immer spezifischeren Ausprägungen. Übertragen auf die Medienwelt: Gedruckte Bücher werden durch E-Reader nicht abgeschafft, sondern driften in eine höhere Spezialisierung. Gewinnen werden in diesem Prozess Kunstbücher (Coffeetables), schöne, sinnlich hergestellte Bücher mit haptischem Wert, Klassiker und „Wohnbücher“, die einen dauerhaften Wert repräsentieren. Die Buchentwicklung spaltet sich in einen elektronischen Nutzwert-Bereich und einen haptischen Sektor.

In Zeitungen werden ihre genuine Sinnstiftungs- und Diskurs-Funktion ausbauen – und diejenigen, die dies tun, überleben nicht nur, sondern prosperieren diesem Sinne lassen sich nun die Evolutionen jedes einzelnen Medien-Genres antizipieren: Was passiert mit der Zeitung, wenn „Information“ in Echtzeit ins Internet wandert und die Suchfunktionen von Zeitungen (Jobs, Autos, Wohnungen) im Netz viel funktionaler sind? Zeitungen werden ihre genuine Sinnstiftungs- und Diskurs-Funktion ausbauen – und diejenigen, die dies tun, überleben nicht nur, sondern prosperieren. Oder sie werden plattformübergreifende regionale Service-Funktionen als ökonomisches Standbein ausbauen. Das Fernsehen hingegen muss mit dem Verlust seines Programmschemas seine ganze Erzählweise ändern – und das tut es heute bereits im Boom anspruchsvoller Serien, im Erfolg des hochwertigen Features, aber auch in der Mutation des Trash-TV.

Wichtig für die weitere mediale Entwicklung ist es, zu verstehen, dass „Informationen“ immer auch einen sozialen Aspekt haben. Wir wollen wissen, was andere wissen! Beziehungsweise: Wir glauben nur das, was andere auch glauben! Damit wird es immer Formen von Massen- und „Verkündungsmedien“ geben. Die totale Individualisierung von Information ist eine Illusion. Auch wenn „Redaktionen“ zu „Kuratoren der Wirklichkeit“ werden, verschwindet die weltordnende Funktion von Medien nie. Sie re-konfiguriert sich nur neu.

Infografiken: Der kognitive Reiz

Das Internet hat die Medienlandschaft in zwei Dimensionen revolutioniert: Zeit und Interaktion. Es fügte den vorhandenen fixierten und linearen Medien – vom Buchdruck bis zum Fernsehen – Echtzeit-Information und einen Rückkanal hinzu. Damit entstand eine völlig neue „Geographie“, auf der sich nun die evolutionären Muster der menschlichen Kommunikation ausbreiten wie in einer Fitness-Landschaft, in der es Täler mit niedriger Adaption und Berge mit hoher Adaption gibt. Dieser Prozess wird dauern, er erfordert eine Vielzahl von sozialen, kulturellen, kognitiven Anpassungen, die ihre Zeit brauchen, Sozio-Techniken sind langsamer als technische Techniken. Die Kultur hinkt immer hinterher. Die nächsten Innovationen auf diesem Feld werden weniger spektakulär sein als die „Sensationen“ der Sozialen Netzwerke. Sie werden mit hoher Wahrscheinlichkeit Rekursionen „alter“ Kulturtechniken betreffen. Etwa des Lernens, des Managens oder des „Welterkennens“.

Ein aktuelles Beispiel ist der spektakuläre Aufstieg eines neuen und dennoch alten Mediums: Infografik. Infografische Darstellungen gehen auf das 19. Jahrhundert zurück. Aber erst heute können sich die Jetzt-Zeit-Daten des Internet mit Design-Innovation und humaner Interpretation zu einer mächtigen medialen Gattung verbinden, die unsere Welt-Wahrnehmungen und Zukunftsbilder verändern kann. Infografik macht es möglich, dass unsere auf lineare Prozesse getrimmten Hirne auch komplexe Veränderungen verstehen können. Infografik ist ein Massenmedium und ein Individual-Medium, ein technisches Medium und ein künstlerisches Medium zugleich. Viele, die in den letzten Jahren zum ersten Mal mit dynamischen Infografiken konfrontiert wurden, sprechen von einer Erfahrung von Schönheit.

Auch das ist genuin evolutionär: Die Evolution bringt „Schönheit“ als selektives Merkmal hervor, wenn es um evolutionäre Fitness geht. Und genau das bietet ein gutes, neues Medium der menschlichen Kultur: Es verändert den menschlichen Geist in Richtung Verstehen, Kreativität und Komplexität. Das galt schon bei den wunderbaren Höhlenmalereien unser steinzeitlichen Vorfahren. Es galt bei einem schönen Buch oder einer wohlgestalteten Schallplatte. Und es gilt auch in Richtung Zukunft.

Image Credits: vege / Fotolia.com