Wer sich intensiv mit den Auswirkungen der globalen Erhitzung auseinandersetzt, kann allzu leicht verzweifeln. Uns rennt die Zeit davon. Und im Hinblick auf die gesellschaftlichen Umwälzungen, die für eine Klimaneutralität erforderlich sind, haben wir noch viel zu wenig erreicht. So scheint es zumindest – wenn wir gesellschaftliche Veränderungen als lineare Prozesse verstehen.
Doch eine Studie unter der Leitung von Ilona Otto, Professorin für gesellschaftliche Auswirkungen des Klimawandels am Wegener Center für Klima und Globalen Wandel an der Universität Graz, bietet nun eine neue Perspektive: Rapide gesellschaftliche Veränderungsprozesse finden demnach nicht als linearer Vorgang statt, sondern nichtlinear – mit Hilfe von sozialen Kippelementen: Die Nichtlinearität der globalen Erwärmung erfordert die Nichtlinearität sozialer Systeme.
Butterfly-Effekt für das Klima
Soziale Kipppunkte zeichnen sich dadurch aus, dass innerhalb einer sehr kurzen Zeitspanne und ohne einen gravierenden oder vorhersehbaren Auslöser tiefgreifende gesellschaftliche Veränderungen stattfinden. Ein Beispiel dafür ist die weibliche Emanzipation. Innerhalb von wenigen Generationen wird ein über viele Jahrhunderte andauerndes Gesellschaftssystem und das damit verbundene Menschenbild auf den Kopf gestellt.
Angestoßen werden diese Kipppunkte von einer kleinen, aber engagierten Minderheit, der es gelingt, die Einstellung einer Mehrheit zu ändern und damit weitreichende Bewegungen in allen gesellschaftlichen Bereichen anzustoßen. Sobald eine kritische Masse überzeugt ist, braucht es nur noch einen kleinen, unscheinbaren Auslöser, um eine gewaltige Dynamik in Gang zu setzen, die schlussendlich alle Gesellschaftsbereiche beeinflusst. Dann genügt es plötzlich, wenn eine Schülerin in Schweden einmal die Woche die Schule schwänzt, um vor dem Parlament für mehr Klimaschutz zu protestieren – und damit nicht nur die Politik weltweit in Bedrängnis bringt, sondern auch Großunternehmen zum Umsteuern bewegt.