Die Digitalisierung sorgt vielerorts für Verunsicherung – auch, indem sie die inflationäre Verwendung von Buzzwords beschleunigt. Besonders deutlich wird das beim Hype-Thema Künstliche Intelligenz (KI), das heute stark emotional aufgeladen ist. Die einen sehen KI als Menschheitserlöser, die anderen fürchten sich vor einer
Computer können Go spielen, Autos steuern und einen Platz im Restaurant reservieren. Aber sie werden nie fühlen, wie das ist
drohenden Übermacht der Maschinen. Beide Sichtweisen sind nicht geeignet, um die Anwendung von KI im unternehmerischen Kontext produktiv anzugehen.
Wer die Digitalisierung meistern will, ist gut beraten, menschliche und maschinelle Intelligenz konstruktiv miteinander zu verknüpfen. Denn kombiniert sind sie erfolgreicher als für sich allein: Die Zukunft gehört der Allianz von Mensch und Maschine. Um sich zukunftsweisend aufzustellen, gilt es deshalb zunächst die Frage zu beantworten: Was bedeutet Künstliche „Intelligenz“ – jenseits dystopischer Auslöschungsängste und naiver Technikeuphorie? 6 Thesen zu einem kompetenten Umgang mit KI.
1. KI ist ein Mythos
Ein Gespenst geht um in den Köpfen und Seelen, in den Zukunftsbildern der Gesellschaft sowie im Strategiediskurs der Wirtschaft. Es ist das Gespenst der Künstlichen Intelligenz (KI). Eine unbekannte Lebensform, die mit zunehmender Geschwindigkeit aus der Zukunft auf uns zu rast, wie Arnold Schwarzenegger als „Terminator“. Ihre Absicht ist unklar und schwer zu erkennen. Sie macht uns Angst. Geht es darum, Menschen zu versklaven? Oder sie gar zu eliminieren? Werden wir nutzlos? Oder stehen wir vor einer Epoche, in der „kluge“ Maschinen uns von allem Elend, allen menschlichen Nöten erlösen, indem sie das perfekte Paradies auf Erden schaffen?
Beides wird nicht geschehen. Denn heute ist KI vor allem ein Mythos, der sich von der Realität verselbstständigt hat.
2. KI ist ein Missverständnis
Schon im Begriff der „Künstlichen Intelligenz“ entsteht ein Missverständnis. Er beruht auf dem, was Niklas Luhmann einen „Kategorienfehler“ nannte. Ein Kategorienfehler ist es, wenn ein Bauer versucht, Bratkartoffeln anzubauen. Im Wortspiel der „Künstlichen Intelligenz“ verwechseln wir zwei fundamental verschiedene Kategorien: das Lösen strategischer Probleme, das sich als Intelligenz interpretieren lässt. Und das Bewusstsein, das in der Fähigkeit besteht, auf die Komplexität der Welt durch Kreativität und Gefühl zu antworten.
Gefühle, Instinkte, Stimmungen, Wahrnehmungen, Berührungen sind Teil des Bewusstseins. Sie setzen uns in Beziehung zur Welt und zu uns selbst. Computer können Go spielen, Autos steuern und einen Platz im Restaurant reservieren. Aber sie werden nie fühlen können, wie das ist. Wenn Computer im menschlichen Sinne „intelligent“ sein sollten, müssten sie Fleisch, Schmerz und Sterblichkeit besitzen. Sie müssten Leid und Freude empfinden können. Dann wären sie aber keine Maschinen mehr, sondern Organismen.
3. KI ist ein Meister der Prognose
Künstliche Intelligenz wird sich in vielen Bereichen durchsetzen, weil sie einen entscheidenden ökonomischen Faktor aufweist: Sie verbilligt Prognosen. Im Unterschied zur „Datenverarbeitung“ schaut KI in die Zukunft. KI kann die Bewegung eines Autos prognostizieren und seine Kollisionswahrscheinlichkeit reduzieren. KI kann Millionen von Bildern nach Krebsanzeichen durchsuchen. KI kann den Ausfall von Systemen und Maschinen voraussagen. KI kann zeigen, wie Kriege verlaufen und Verkehrs- und Warenströme sich unter bestimmten Bedingungen entwickeln.
Diese prognostische Kompetenz erleichtert die Entwicklung komplexer Systeme. KI-Systeme können helfen, den Verkehr fließend zu machen, Rohstoffkreisläufe zu maximieren und den Production Flow in einer Fabrik radikal zu verbessern. KI optimiert Innovationsprozesse, assistiert bei der Zukunftsentwicklung von Städten und der Erhaltung der Gesundheit von Millionen von Menschen. KI-Systeme sind das Fernrohr, durch das wir den Verlauf berechenbarer Dinge besser erkennen können. Nicht weniger. Aber auch nicht mehr.