Eine alte Branche, die Logistik, verjüngt sich – und erkennt zögerlich, dass immer mehr Startups ihr bisheriges Geschäftsmodell überflüssig machen oder bereichern.
Von Harald Ehren (02/2017)
Eine alte Branche, die Logistik, verjüngt sich – und erkennt zögerlich, dass immer mehr Startups ihr bisheriges Geschäftsmodell überflüssig machen oder bereichern.
Von Harald Ehren (02/2017)
Seit Jahrtausenden lernen die Jungen von den Alten: Der Lehrling wird zum Gesellen, indem er vom Meister lernt – und gibt später selbst im Alter als Meister sein Wissen an Jüngere weiter. Erst in der jüngsten Zeit hat sich die Richtung des Wissenstransfers geändert: Immer mehr etablierte alte Unternehmen versuchen, etwas vom Spirit der Startups und Gründer einzufangen. Einige verpassen sich sogar eine Frischzellenkur, etwa indem sie sich über Inkubatoren an disruptiven Geschäftsmodellen beteiligen – so lernt Alt von Jung. Immer mehr Unternehmen wollen den Startup-Spirit in den eigenen Reihen spüren. Denn es sind Ideen gefragt, wenn das Geschäftsmodell morgen noch existieren soll.
Die Transport- und Logistikbranche ist traditionell abwartend gegenüber Neuem. Hält gerne an Altem fest, zaudert gar und sammelt nur zögerlich die guten Ideen auf, die buchstäblich zuhauf auf der Straße liegen. Doch langsam – und notgedrungen immer schneller – setzt ein Umdenken ein bei Speditionen und Hafenbetrieben, in der Luftfracht und auf der Schiene. Denn wer nicht in Neues investiert, wird über kurz oder lang abgehängt.
Deutlich bestätigt dies eine Untersuchung der Boston Consulting Group unter weltweit 500 Unternehmen der Transport- und Logistikbranche. Die zentralen Erkenntnisse: Transporteure und Logistiker steigern ihre Marktanteile vor allem durch Akquisitionen und die Erschließung neuer Geschäftsfelder – verfehlen dabei aber ihre Profitziele. Neue Geschäfte werden nicht adäquat und schnell genug in bestehende Organisationen und Prozesse integriert. So verschenken die Logistiker wertvolle Synergien und Einsparpotenziale.
Indes: Wachstum allein reicht nicht, es muss dauerhaft profitabel sein. Dazu braucht es Erneuerung und Investition in Innovation, Optimierung von Strukturen und Prozessen durch konsequente Digitalisierung. Nur so lassen sich die entscheidenden Erfolgsfaktoren einlösen: Qualität und Serviceorientierung. Das belegen auch die Beispiele junger Logistik-Unternehmen.
Unternehmen mit starkem Gewinnwachstum setzen konsequent auf die Zukunftsthemen Digitalisierung, Urbanisierung, E-Commerce und Nachhaltigkeit. Dies sind die Schlagworte der jüngsten Kongresse und Veranstaltungen der Branche – etwa zu neuen Geschäftsmodellen und Startups auf dem Deutschen Logistik-Kongress im vergangenen Herbst. Und auf diese Themen fokussiert auch „Blue Rocket“, das neue Innovationhub der Deutschen Verkehrs-Zeitung (DVZ): Hier stellt das Leitfachmedium der Logistik-, Transport- und Supply-Chain-Branche Startups und junge Unternehmer vor, die das Digitalisierungs-Gen besitzen und mit ihren Produkten und Entwicklungen die Supply Chain transparenter darstellen wollen.
Einer, der den neuen Typus des Logistikers verkörpert, ist Rachid Touzani, Gründer von Cargosteps, das sich seit Februar 2016 auf dem Logistikmarkt behauptet. Die Geschäftsidee: Alle Transportbeteiligten bekommen auf Wunsch sofortige Status-Updates per E-Mail zu ihren Sendungen und sehen jederzeit per GPS, wo sich die Fracht in diesem Moment befindet. Nachdem Touzani viele Prozesse im Alltag bei zeitkritischen Frachten erlebt hat, wollte er diese für sein Transportunternehmen, die T World Service GmbH (TWS), verbessern. Cargosteps bietet eine unabhängige und neutrale Lösung für die Logistikbranche. Die Software zur Echtzeit-Sendungsverfolgung lässt verschiedene Unternehmen bei gemeinsam abzuarbeitenden Aufträgen auf ein und dieselbe Track-and-Trace-Lösung zurückgreifen. Und der durchgängige Informationsfluss spart zugleich viele Telefonate und E-Mails – und somit Zeit und Geld.
Auf ähnliche Weise bringen viele weitere Startups bringen das Thema Digitalisierung in die Logistikbranche:
Denn eines hat die Logistikbranche bei der Umstellung auf digitale Prozesse en passant registriert – ob Konzerne wie Kühne+Nagel und DB Schenker oder mittelständische Spediteure wie Fiege und Dachser: Sie alle besitzen einen Datenschatz, den es jetzt zu heben gilt. Viele in der Branche können das Gerede um Startups und Disruption nicht mehr hören, halten es für überbewertet. Nur: Wenn in spätestens zehn Jahren Startups in Verbindung mit Big Data für völlige Markttransparenz gesorgt haben, hat der Schatz von heute seinen Wert verloren. Spätestens dann wird die Umsatzrendite derer, die nicht in die Chancen der Digitalisierung investiert haben, gleich Null sein. Und dann wird es für die Alten zu spät sein, um noch von den Jungen zu lernen.