Kolumne: Matthias Horx über Googles Self-Driving Car - und über eine Zukunft, in der harmlos aussehende Fahrkapseln statt SUVs das Stadtbild prägen werden.
Der selbstfahrende Teddybär
Wie fahren wir morgen Auto? Alle wollen es wissen, und fast alle haben eine dezidierte Meinung dazu. Die einen glauben, dass Autofahren aus ökologischen Gründen eher verboten wird. Die zweite, viel größere Gruppe glaubt, dass eigentlich alles so weitergeht wie bisher. Nur besser, schneller, grüner. Mehr PS bei weniger Benzinverbrauch. Und klar: Alle Autos fahren demnächst automatisch!
Wie das in der echten Wirklichkeit aussehen müsste, hat uns neulich Googles Fahrkapsel: Ein amputiertes Zwergenauto? Google vorgeführt. In einem witzigen Film rollt ein – ja was? von der Ladefäche eines Lastwagens. Ein geschrumpfter Käfer? Ein amputiertes Zwergenauto? Ein Teddy? Aber dann steigen einige überwiegend ältere Passagiere in diese – Fahrkapsel – und lassen sich herumfahren. Und strahlen. „Endlich muss ich den ewigen Autofahr-Stress nicht mehr aushalten!“
Autofahren für eine neue Spezies
Es gibt also eine Zielgruppe für ein ganz anderes Autofahren. Nennen wir es „podden“ oder „kapseln“. Aber Googles Experiment zeigt auch, wie stark Technologie pfadabhängig ist – und sich unter neuen Bedingungen radikal verändern muss. Unsere jetzigen Autos sind als Kontrollinstrumente gebaut. Es geht in Wahrheit nicht um Mobilität, sondern um Macht und Kontrolloperationen – vorwiegend männlicher Hirne. Deshalb all die gleißenden Armaturen, die massige Gestalt des Boliden.
Was aber passiert, wenn man den ganzen Kokolores gar nicht mehr braucht? Wenn die ganze Aufrüstung unsinnig wird? Dann evolutioniert eine gänzlich neue Spezies. Das Gefährt muss außen friedlichniedlich aussehen, und nicht einem Hai oder einer Schlange ähneln, die den Vordermann von der Spur jagt. Doch die meisten Auto-Hersteller basteln nur an einer schnöden Verlängerung der alten Autofahr-Logik: Ihre Selbstfahr-Autos sehen eben genau so aus wie ein Volvo oder ein Mercedes oder ein Golf.
Mit dem Google-Pod durch die Stadt
Technik ist immer Soziotechnik. Zu jedem Gerät gehört ein typisches humanes Gebrauchs- muster. Technologische Entwicklungen können auch in einer gewaltigen Abrüstung bestehen. Meine In Zukunft werden automatisch Google-Pods in Großstädten fahren Prognose: In zehn Jahren werden tatsächlich automatisch Google-Pods in Großstädten fahren (mindestens in San Francisco). Man steigt ein, sagt, wohin es geht, und geht auf langsame Fahrt. Ist wie Busfahren, nur individuell. Die einzige ungelöste Frage: Wie hält man die wütende Lobby der Taxifahrer und Autobauer davon ab, das Rathaus und den Bahnhof aus Protest in Brand zu stecken?