„Mehr Customer Journey im Shopping Center!“

Markus Lentzler, Managing Director Architecture & Construction bei der ECE, über die Zukunft des stationären Handels und die künftige Bedeutung der Shopping Center.
Retail Revolution (04/2016)

Trend Update: Welche Aufgabe haben Shopping Center heute?
Markus Lentzler: In erster Linie sind Shopping Center für mich, wie früher auch, eine klassische Handelsplattform – ein Ort, an dem Menschen zusammenkommen, wo ge- und verkauft wird und an dem Interaktion zwischen Menschen stattfindet, nicht umsonst werden sie als Third Places bezeichnet. Austausch von Waren und Kommunikation, das sind für mich die wichtigen Aufgaben eines Shopping Centers in der Vergangenheit, heute und auch in der Zukunft.

Nicht ganz so zeitlos ist die Handelswelt, da hat sich einiges verändert. Welche Veränderung hat den Bau von Shopping Centern hauptsächlich geprägt?

Wichtig ist, dass ein Shopping Center flexibel sein muss. Es darf nicht zu differenziert auf einen Mieter maßgeschneidert sein. Denn wenn sich ein Mietkonzept im Laufe der Jahre ändert, muss das Shopping Center darauf reagieren können. Flexibilität ist also zentral. Und was heute aus meiner Sicht wichtiger wird, ist – neben der Plattformfunktion – das Bestreben, Aufenthaltsqualität zu schaffen. Aufenthaltsqualität heißt dabei Licht, Luft und Raum. Zum Beispiel durch Glasdächer, aber auch durch Flächen, die auch mal einen Durchblick schaffen und eine Beziehung nach außen herstellen können.

Gerade stellt der Onlinehandel viele Traditionen auf den Kopf. Warum braucht es Ihrer Meinung nach noch den stationären Handel?
Handel ist immer auch Interaktion zwischen Menschen. Und da kann man auch gleich noch die nächste Ebene mit hineinnehmen, nämlich die Haptik. Natürlich kann ich vieles online kaufen, ich habe eine breite Auswahl und die ständige Verfügbarkeit, das sind zweifellos die großen Vorteile. Aber mir fehlt natürlich der Austausch mit Menschen, die beispielsweise sagen: „Das steht Ihnen aber gut.” Das Anfassen, Ausprobieren und Sich-Inspirieren-Lassen ist entscheidend im stationären Handel. Und ich kann das Shoppingerlebnis mit einem Freizeiterlebnis kombinieren, indem ich mich zum Beispiel mit Freunden treffe. Das sind aus meiner Sicht ganz wesentliche Vorteile des stationären Handels. Ich glaube, dass der Handel noch sehr viel ungenutztes Potenzial hat, um diese Vorteile noch stärker herauszuarbeiten.

Der Onlinehandel wird seine Position neben dem klassischen Handel sicherlich halten und vielleicht auch noch ausbauen. Wenn sich der klassische Handel aber auf seine Kernkompetenzen besinnt – Beratung, Warenangebot, Haptik und auch das Verführen des Kunden, ist er sehr gut aufgestellt für die Menschen, die in beiden Welten unterwegs sind. Und genau darum geht es: Die Menschen agieren in beiden Welten gleichzeitig, online und offline. Das sieht man letztendlich auch an den Händlern. Es gibt nur noch ganz wenige, deren Waren nicht online und offline verfügbar sind. Vor einigen Jahren gab es noch Händler, die gesagt haben: „Mit Online wollen wir nichts zu tun haben!” – das ist natürlich schon lange passé.

Welche Innovationen beobachten Sie denn zurzeit im Bereich der Shopping Center?
Ich glaube, dass die eigentliche Innovation die Konstanz im Wandel ist, also in der stetigen Veränderung liegt. Man hat schon immer gesagt „Handel ist Wandel”, aber die Geschwindigkeit, mit der jetzt Innovationen ausprobiert werden und Trial & Error praktiziert wird, ist größer als früher. Unsere Future Labs sind dafür ein klassisches Beispiel. Es wird etwas ausprobiert, und wenn es sich bewährt, wird es weitergeführt. Wenn nicht, läuft es einfach aus. Man ist also nicht mehr gezwungen, für die nächsten x Jahre ein Konzept zu entwickeln, das gleich überall umgesetzt werden muss, sondern man kann es einfach probieren. Das ist spielerischer und lässt mehr Raum für Innovationen.

Auch die Gastronomie hat sich komplett verändert, weg von der reinen Bedarfsdeckung hin zum Schaffen von Erlebnissen. Und diesen Trend sieht man auch vermehrt in Shopping Centern. Wir als ECE wollen diese Verweilqualität weiterhin massiv erhöhen. Also mehr Customer Journey, Erholen, Relaxen, das ist das Angebot.

Es gibt die Debatte, ob man nun kleine Flächen, die spezialisiert und gut eingebettet sind, oder große Flächen für Erlebnisse bevorzugen sollte. Gibt es da eine „wahre” Antwort?
Ganz einfach: Es braucht das eine und das andere. Es braucht die großen Flächen für die großen Formate. Ein Primark Shop oder ein Apple Store brauchen natürlich viel Platz. Und es braucht die kleinen Flächen. Ein Beispiel sind Pop-up-Stores – ein sehr gutes Format, um zu testen, welche Konzepte sich entwickeln und beweisen können. Das ist zum einen eine Chance für diejenigen, die diese Pop-up-Konzepte entwickeln, und zum anderen auch eine Chance für uns als Shoppingbetreiber. Diese Stores müssen klein und flexibel sein. Und zwischen den großen und kleinen Flächen benötigt ein Shopping Center jede Menge flexibel nutzbare Flächen, die auf größer oder kleiner werdende Handelsformate der Mieter reagieren können. Ich persönlich denke, es gibt nicht eine „wahre“ Antwort.

Inwiefern haben denn Shopping Center Einfluss auf das Stadtbild?
Shopping Center beeinflussen natürlich immer das Stadtbild. Wenn sie gut designt sind, sind sie Teil des Stadtbilds. Und sie sind immer auch ein Impuls für Veränderung und Weiterentwicklung. Denn das Shopping Center lebt immer weiter, und man kann heute in Deutschland viele Städte finden, in denen Shopping Center Leben und Energie mit sich bringen. Das ist ein weiterer Grund, warum es wichtig ist, dass Shopping Center wirklich gut gemacht sind. Dass sie auch mit der Stadtplanung und der Architektur des Umfelds in Einklang sind und eine Kommunikation zwischen Außen- und Innenraum ermöglichen. Unser Shopping Center in Aachen ist meiner Meinung nach ein gutes Beispiel dafür. Es ist inzwischen in kürzester Zeit ein Teil der Fußgängerzone geworden und hat sein Umfeld angekurbelt. Überall wird neu investiert, und dieser Teil der Innenstadt stark aufgewertet. Wenn die Shopping Center also sehr gut gemacht sind, werden sie Impulse setzen und es wird eine sehr positive Entwicklung in den Städten geben.

Markus Lentzler ist Managing Director Architecture & Construction bei der ECE und Experte für die Rolle der Shopping Center in der Handelslandschaft der Zukunft. Die ECE entwickelt, plant, realisiert, vermietet und managt große Gewerbeimmobilien in den Sparten Shopping, Office, Traffic und Industries und ist der europäische Marktführer für innerstädtische Shopping Center.

Das Interview führte Theresa Schleicher.

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