3. Wie können Stadtverwaltungen, auch in westlichen Ländern, kreative und innovative Potenziale fördern?
Es gibt bereits einzelne beispielhafte Bottom-up-Projekte, die von Stadtverwaltungen mitinitiiert und unterstützt werden, wie das Laboratorio para la Ciudad in Mexico City, das den Austausch zwischen der Regierung und der Zivilgesellschaft in konkreten gemeinsamen Projekten herstellt und explizit urbane Kreativität durch die Bürger ermöglicht. Auch die European Networks of Living Labs verstehen sich als „Open Innovation Ecosystems“, in denen strategische Partner aus der Industrie, der Forschung, aber auch der Zivilgesellschaft zusammenkommen, um Projekte zu realisieren.
In Lokalregierungen setzt sich zum Glück immer mehr die Erkenntnis durch, dass solche partizipativen Ansätze das Potenzial haben, Stadtqualität
Fortschrittliche Verwaltungen erkennen, dass sie sich in einem Wettbewerb mit anderen Städten befinden
zu erhöhen. Es werden inzwischen vermehrt Budgets freigesetzt, die auch Experimente zulassen. Innovation hat zwar nicht zwangsläufig etwas mit Partizipation zu tun, aber es ist ein wesentlicher Weg, um Kreativität freizusetzen.
4. Welche Rolle spielen kreative Industrien in Bezug auf die Innovationskraft einer Stadt?
In „Creative City“ beschreibe ich die Bedeutung von Kultur und kreativen Industrien für die Stadt. Städte sollten diese Sektoren unbedingt fördern und für sich selbst auch sichtbar machen, welche Synergien und wirtschaftlichen Vorteile sie herstellen – zum Beispiel, inwiefern sie die Stadt auch für andere Industrien interessant machen. Allerdings kann es nicht um sie alleine gehen, denn auch der Gestaltungswille der Menschen vor Ort wächst. Die Verwaltung muss Formate entwickeln, die den kreativen Umgang mit Stadtraum für alle ermöglichen. Städte können durch ihre Bewohner eigene Alleinstellungsmerkmale und Potenziale entwickeln. In diesem Sinne ist eine wahrhaftig kreative Stadt nicht nur eine, in der viele Menschen aus dem kulturellen und kreativen Sektor leben, sondern ein Ort mit einer flexiblen, innovativen Alltagskultur, in die sich alle Bewohner einbringen können. Die Städte sollten den Wunsch nach Partizipation ernst nehmen, denn der globale Wettbewerb um talentierte und innovative Bürger nimmt zu. Fortschrittliche Verwaltungen erkennen, dass sie sich in einem Wettbewerb mit anderen Städten befinden und dass eine engagierte kreative Zivilgesellschaft von großer Bedeutung für die Zukunftsfähigkeit einer Stadt ist.
5. Städte wachsen und schöpfen neues Innovationspotenzial: Was aber geschieht derweil mit ruralen Gegenden?
In der Schaffung von Arbeitsplätzen liegt sicher ein Schlüssel zur Integration ruraler Gebiete, doch auch dies kann aufgrund von damit einhergehenden Veränderungs- und Gentrifizierungsprozessen negativ empfunden werden. Auch rurale Orte müssen sich gegenüber Innovation öffnen und Kreativität aus sich selbst schöpfen, um zu überleben. Letztendlich ist dabei die Geschwindigkeit, mit der Veränderung und Diversität erfahren werden, entscheidend. Vielfalt zu akzeptieren ist so gesehen keine abstrakte Sache: Menschen sind gleichzeitig sozial und „tribal“. Forschungen zeigen, dass Menschen sozialer werden, je wohler sie sich fühlen. Fühlen sie sich unwohl, werden sie hingegen „tribal“. Die Relevanz von Begegnungszonen nimmt also zu, und die Frage nach der Geschwindigkeit der Dynamiken.
Unabhängig vom konkreten Standort wollen aber heute immer mehr Menschen bestimmter sozialer Communitys zugleich urbane und rurale Lebensqualitäten erleben. Darauf reagieren auch Kulturinstitutionen, wie die internationale Kunstgalerie Hauser & Wirth, die seit Mitte 2014 eine Dependance in Somerset, also im eher ruralen Teil Großbritanniens, betreibt. Ähnliche Tendenzen erkennen wir aktuell in Upstate New York. Auch in Deutschland finden bereits Durchdringungen und Überlagerungen urbaner und ruraler Qualitäten statt. Die Breuninger Stiftung beispielsweise hat sich mit ihrem Stiftungszentrum in Brandenburg angesiedelt. Was allgemein für die Städte gilt, muss aber auch für rurale Gegenden beherzigt werden: Erfindungssinn freisetzen und Teilhabe zulassen – wenn die Veränderung auch von innen kommt, wird sie anders erlebt, nämlich positiver.