Die positiven Szenarien zeichnen sich durch eine starke lokale Verwurzelung der Menschen aus, die auf nachhaltige, tragfähige, allerdings örtliche Beziehungen setzen. Vieles spricht dafür, dass Corona ein neues goldenes Zeitalter der Regionalisierung einläutet: Die Menschen finden sich in Wahlgemeinschaften (Neo-Tribes) außerhalb der überfüllten Großstädte zusammen, wo sie in enger Symbiose mit lokalen Strukturen eine neue Kultur des Selbst praktizieren: Lokale Selbstbestimmung und Selbstversorgung sind der Humus, auf dem Neo-Tribes gedeihen. Einflüsse von außen – auch Krankheiten – lassen sich in kleinen Gemeinschaften leichter isolieren und kontrollieren.
Corona fördert die Glokalisierung
Isolationistisch muss diese Lebensform deshalb aber noch lange nicht sein, wie das Adaptionsszenario zeigt: Tribes, die sich als Subsysteme eines größeren Ganzen begreifen, können selbstbestimmt und dennoch koordiniert handeln und im besten Fall von internationalen Erfahrungswerten und institutionalisiertem Krisenwissen profitieren. Sie fungieren als Anker der Glokalisierung, Brücken zwischen Ortsverbundenheit und Kosmopolitismus. Vorbild können beispielsweise die 97 Metropolen sein, die sich im sogenannten C40-Cities-Netzwerk zusammengeschlossen haben (unter anderen Seoul, Toronto, Paris). Dieses inoffizielle Parlament einiger der einflussreichsten Bürgermeister und Bürgermeisterinnen der Welt (Parliament of Mayors) hat eine gemeinsame Corona-Taskforce eingerichtet, die Leitlinien für einen Neustart von Stadtentwicklung und Community Building nach der Pandemie erarbeitet. Das übergeordnete Ziel ist eine optimale Anpassung an die Risikolagen der Zukunft, auch über Corona hinaus, und die Steigerung der kollektiven urbanen Resilienz.
Wachstum von Mensch zu Mensch
Einem sozialen Zusammenrücken folgt oft der wirtschaftliche Schulterschluss. Direct Trade heißt das Prinzip des direkten Einkaufs von Qualitätsprodukten bei den Erzeugerinnen und Erzeugern. Das Prinzip kommt ursprünglich aus dem internationalen Kaffeehandel, entpuppte sich in Corona-Zeiten aber als Wirtschaftsform mit Mainstream-Potenzial. Alte Gatekeeper, die Zugang zu bestimmten Märkten willkürlich erlaubten oder beschränkten, werden damit heute zunehmend obsolet.