5. Next Growth und Reduktion
Zum unternehmerischen Umgang mit Wachstum gehört auch dessen strategische Reduktion. Diese Notwendigkeit unterstreichen auch verschiedene Indikatoren mit Blick auf Umwelt und Klimawandel. So ist die deutsche Wirtschaft beispielsweise immer energieeffizienter geworden, doch am Gesamtenergieverbrauch hat sich aufgrund von Wachstumseffekten in den vergangenen 20 Jahren nicht viel geändert. Und zuletzt stiegen auch wieder die Treibhausgasemissionen an, vor allem im Verkehrssektor.
Das hat viel mit dem sogenannten Rebound-Effekt zu tun: Steigt die Effizienz bei einem Produkt, dann wird dieses Produkt gefühlt günstiger, es erhöht sich also zugleich die Nachfrage. Gefragt ist hier ein Denken in Richtung absoluter Reduktion materiell-energetischer Verbräuche über den gesamten Lebenszyklus. Sowohl beim individuellen Produkt oder der individuellen Dienstleistung als auch beim Gesamtabsatz.
Nicht nur gesetzliche Restriktionen, sondern auch verantwortungsvolles unternehmerisches Denken spricht in unterschiedlichen Bereichen für Reduktionsstrategien – die gleichzeitig neue unternehmerische Perspektiven eröffnen. Ein Beispiel im Bereich der Sharing Economy sind Carsharing-Geschäftsmodelle, die für Konsumenten das Produkt „Mobilität“ gewährleisten und gleichzeitig eine Reduktion von klimaschädlichen Emissionen fördern. Eine unternehmerische Reduktionsstrategie kann somit auf die Reduktion des ökoologischen Fußabdrucks der Konsumenten sowie des Materialdurchsatzes in der Wirtschaft abzielen. Produktbasierte Reduktionsstrategien werden im Endkundenbereich erfolgreich sein, wenn sie sich auf Produkte beziehen, bei denen die (status-)symbolische Komponente des Konsums nicht im Vordergrund steht.
Treiber für Reduktionsstrategien sind zunehmend die Konsumierenden selbst: Verbraucher und Verbraucherinnen legen immer mehr Wert auf Produkte, die nachhaltig oder erneuerbar sind. Nachgefragt wird ein reflektierterer Umgang mit Mensch und Umwelt. In dieser (Wachstums-)Reduktion liegen für Unternehmen attraktive Zukunftschancen.
6. Next Growth und Kreisläufe
Ein besonderer Ansatz für Unternehmen, um Next-Growth-Prozesse zu gestalten, ist die Kreislaufwirtschaft. Diese zielt auf die Wiederinstandsetzung, Erneuerung und Lebenszyklusverlängerung bereits bestehender Produkte ab. Produkte – und damit Ressourcen – sollen möglichst lange im Wirtschaftskreislauf verweilen. Unternehmen in diesem Segment sorgen für eine Verdrängung von kurzlebigen Produkten zugunsten längeren Produktnutzung.
Vor allem im B2B-Bereich ist so ein Renovationsansatz schon seit Längerem im Einsatz. Remanufacturing und Redesign sind bei langlebigen, kostspieligen Produkten bewährt und sinnvoll. Sogar in der schnelllebigen Textilbranche ist die Weiternutzung und -verarbeitung gebrauchter Textilien ein Erfolgsmodell. Die Maker-Bewegung und Repair-Cafés machen aus Konsumierenden (Re-)Produzierende. Das Potenzial der Vernetzung mit den neuen Reproduktionsakteuren wird von Unternehmen derzeit noch nicht annähernd ausgeschöpft. Wer auf Kreisläufe und Renovation setzt, steht vor ganz neuen, ökologisch wie ökonomisch sinnvollen Wachstumsperspektiven.
7. Next Growth und Kollaboration
Dank Digitalisierung und Wertewandel eröffnen sich für Unternehmen vollkommen neue Perspektiven der Zusammenarbeit. Die Plattformökonomie fördert und fordert Kollaborationen ganz unterschiedlicher Akteure und bietet dafür innovative Marktplätze. So repräsentiert die Sharing Economy eine neue Logik des Handels und Handelns, die aus der „Wir-Gesellschaft“ auch eine „Wir-Ökonomie“ macht. Die unternehmerische Bürger- oder Zivilgesellschaft eröffnet neue ökonomische und gesellschaftliche Handlungsperspektiven. Beobachter dieser Entwicklung sprechen bereits von „Zivilökonomie“ oder „Zivilkapitalismus“.
Die Kollaboration von Unternehmen, Konsumenten und Akteuren der Zivilgesellschaft ermöglicht es Unternehmen, ihre Kunden zum Teil des unternehmerischen Wertschöpfungsprozesses zu machen. Praktiziert wird dies bereits im Bereich usergenerierter und -unterstützter Innovationsprozesse (Ko-Kreation) sowie im Rahmen des Open-Innovation-Ansatzes. Unternehmen, die sich für Kundeninnovationsprojekte öffnen, generieren damit auch neue Wertschöpfungs- und Wachstumsgemeinschaften. Aus traditioneller Entrepreneurship wird Interpreneurship, das Unternehmertum in Netzwerken.
Eine konkrete Ausformung der entstehenden Kollaborationskultur zwischen Unternehmen und Gemeinschaften ist das Prinzip des Crowdfundings. Es mobilisiert das Kapital von Menschen, die in Ideen investieren wollen, bisher aber keinen Anreiz sahen, in Unternehmensprojekte zu investieren. Auch hier verspricht der Kollaborationsansatz vielfältige Chancen für Unternehmen, sich weiterzuentwickeln und ihre eigenen Wachstumsstrategien zu kultivieren.
8. Next Growth und Unternehmertum
Das „Unternehmende im Unternehmen“-Prinzip verweist darauf, dass die Entwicklung zukunftsfähiger Unternehmensstrategien maximale unternehmerische Handlungsfreiheit benötigt. Das ist allerdings nicht nur eine Frage der staatlichen Rahmenbedingungen – auch „hausgemachte“ Hürden können dem entgegenstehen. Unternehmerische Restriktionen, die sich aus überdimensionierten Strukturen und einer kaum mehr möglichen Steuerung des Betriebs ergeben, erschweren die Identifizierung und Erschließung neuer Potenziale jenseits einseitiger Wachstumsfixierung.
Umso wichtiger wird es in Zeiten unsicherer Wachstumsperspektiven, die Qualitäten eines Unternehmens bestmöglich in die Praxis umsetzen zu können. Im Mittelpunkt steht dabei die Kompetenz, Probleme – individueller wie gesellschaftlicher Natur – rechtzeitig aufzuspüren und im Rahmen der unternehmensspezifischen Geschäftsmodelle, Produkte und Leistungen zu lösen. Je weniger ein Betrieb durch Struktur- oder Wachstumszwänge dabei behindert wird, umso besser.
Die Problemlösungskompetenz von Unternehmen und ihrer Kollaborationspartner umfasst in der Next-Growth-Ära auch die Fähigkeit, soziale Innovationen hervorzubringen – ein Thema, das von der Wirtschaft bisher weitgehend vernachlässigt wurde, aber ganz neue Handlungsfelder für ein anderes Wachstum eröffnet.
Next Growth ist möglich. Man muss es nur denken – und umsetzen.
Dieser Text ist ein Auszug aus der Trendstudie „Next Growth“.