Arbeit und Sinnerleben in Social Startups

Ein neues Nachdenken über Arbeiten und Wirtschaften verbreitet sich. Dies motiviert besonders junge Hochqualifizierte, ihr eigenes Unternehmen zu gründen, um ihre Werte zu vertreten.

Von Dr. Friedericke Hardering (06/2017)

Social Startups oder Sozialunternehmen widmen sich gesellschaftlichen Herausforderungen. Ziel der Gründung ist, ein tragfähiges Unternehmen aufzubauen, das einen sozialen Nutzen generiert. Die Gründer eines Social Startups motiviert meist genau dieser Anspruch: mit dem eigenen Tun die Welt verbessern zu können.

Um sich diesen Traum zu erfüllen, gehen viele der Gründer hohe Risiken ein: Manche kündigen einen lukrativen Job, hangeln sich dann mit Nebenjobs durch oder leben in der Gründungszeit von Erspartem. Besonders die ersten Jahre der Gründung gelten als schwierig, denn erst erweist sich, ob die Gründungsidee langfristig überhaupt tragfähig ist.

Bei so viel Unsicherheit stellt sich die Frage, wie die Gründer ihre Arbeit erleben, und ob sich trotz der materiellen Unsicherheit das erhoffte Gefühl einstellt, etwas Sinnvolles zu tun und einen Beitrag zum gesellschaftlichen Wandel zu leisten.

In einem Forschungsprojekt an der Goethe-Universität Frankfurt erforschen wir das Sinnerleben verschiedener Beschäftigtengruppen – aktuell die Arbeitsbedingungen und das Arbeitserleben in Social Startups. Die bisherige Auswertung unserer Ergebnisse zeigt, dass sich ein ausgeprägtes Engagement und eine hohe intrinsische Motivation bei den Sozialunternehmern feststellen lässt. Noch stärker als andere Beschäftigtengruppen beziehen Sozialunternehmer Fragen der Sinnhaftigkeit auf den sozialen Impact: Ihnen geht es um das „große Ganze“, sie deuten ihre Arbeit im Kontext des sozialen Wandels und ihnen ist die sozialtransformative Dimension ihres Arbeitens wichtig.

Die hohe Motivation und Begeisterung für die Arbeit hat aber auch eine Kehrseite: Wenn die Arbeit subjektiv so bedeutsam erscheint, dass sie zum wichtigsten Lebensinhalt wird, besteht die Gefahr, dass andere Bedürfnisse und Lebensbereiche ignoriert werden. Die Arbeit wird dann zur Belastung und kann gesundheitliche Folgen nach sich ziehen. Diese Ambivalenzen sinnvoller Arbeit sind freilich nicht nur ein Problem im Feld des Social Entrepreneurship: Sie können immer dann auftreten, wenn subjektiv hohe Ansprüche an die Arbeit gerichtet werden und andere Lebensthemen wie Familie, Freizeit und Selbstfürsorge aus dem Blick geraten.

In unserer Studie haben wir einige Sozialunternehmer gefunden, denen diese Gefahr durchaus bewusst ist und die gezielt gegensteuern: Für sie ist der soziale Impact ebenso wichtig wie ein nachhaltiger Umgang mit der eigenen Arbeitskraft. Dementsprechend versuchen sie von Beginn an, achtsam mit ihrer Zeit umzugehen und ihre anderen Lebensthemen zu berücksichtigen.

Solche Gestaltungsspielräume der Arbeit zu ermöglichen, wird in allen Bereichen der Arbeitswelt immer wichtiger. Und nur mit einem achtsamen Umgang mit Arbeitskraft und -zeit können neue Impulse für den gesellschaftlichen Wandel auch nachhaltige Wirkung entfalten.

Über die Autorin

Dr. Friedericke Hardering studierte Politische Wissenschaft und promovierte über die Zunahme von Unsicherheiten in der Arbeitswelt. Nach verschiedenen Tätigkeiten in Forschung und Beratung ist sie seit 2012 wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich Arbeitssoziologie an der Goethe-Universität Frankfurt. Seit 2014 leitet sie ein Forschungsprojekt über das Sinnerleben in der Arbeitswelt.

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