Die Macht der Relevanz

Schaffen wir mit der Veränderung der Arbeitswelt den Schritt zu mehr Relevanz und sozialem Wirtschaften?

Von Daniela Mahr (08/2017)

StockSnap.io / Ben White / CC0

Was ist die Relevanz hinter unserem Tun, unserem Wirken? Oder sagen wir: hinter unserer „Arbeit“? Denn Arbeit ist ein Konzept, das sich in der nächsten Zeit immer weiter verändern wird. Seit der Soziologe Ralf Dahrendorf den westlichen Gesellschaften 1982 ein „Entschwinden“ der Arbeit prognostiziert hat, ist die Rede von der „Krise der Arbeitsgesellschaft“ allgegenwärtig.

Fortschreitende Digitalisierung, künstliche Intelligenz und Automatisierung werden künftig immer mehr bestehende Arbeitsplätze wegfallen lassen. Jeremy Rifkin und andere Theoretiker sprechen heute wieder vom „Ende der Arbeit“. Die Arbeit an sich wird uns nicht ausgehen, neue Bedürfnisse schaffen neue Berufe. Die Frage ist vielmehr: Wie wollen wir in Anbetracht der neuen Freiheiten arbeiten?

Finnland experimentiert derzeit mit dem Modell des bedingungslosen Grundeinkommens. Hierzulande ist dm-Gründer Götz Werner der prominenteste Verfechter des Modells. „Harte Arbeit“ im calvinistischen Sinne spielt jedoch nicht nur eine Rolle für die materielle Sicherheit, sondern auch für die soziale Identität und gesellschaftliche Anerkennung vieler Menschen. Andererseits empfindet ein beachtlicher Anteil der Menschen die ausgeführte Arbeit heute als absolut sinnlos. Betrachtet man die (Lebens-)Zeit, die für Arbeit aufgewendet wird, ist es nicht nur ratsam, über Arbeitsplätze an sich nachzudenken, sondern auch über die Relevanz unseres Tuns, den Sinn der Arbeit und des Wirtschaftens.

Nach wie vor können Computer nicht kreativ denken. Sie haben keine Fantasie. Es ist genau diese Vorstellungskraft, die uns Menschen so außergewöhnlich macht und die wir uns trauen sollten zu stärken. Nicht die Intelligenz lässt unser Tun relevant werden, sondern das Begreifen von größeren Zusammenhängen – und die menschliche Fähigkeit zur Empathie. Fähigkeiten, die nicht algorithmisierbar sind.

Selbstbestimmtes Arbeiten, bei dem das Wirtschaften dem Menschen und nicht dem Profit oder der sozialen Stellung dient, erfordert einen Paradigmenwechsel. Dieser Shift „entsteht dort, wo Tätigkeit und Muße, Engagement und Talent ineinander übergehen“, so der Zukunftsforscher Matthias Horx. Einfach ist das keineswegs, lohnenswert aber unbedingt.

Wirtschaft kann künftig nur dann nachhaltig funktionieren, wenn sie sich um die direkte Lösung von gesellschaftlichen Problemen kümmert. Damit erfüllt sie zwei Aufgaben: Sie schafft einen direkten Sinn für diejenigen, die ihr Wirken investieren – und verbessert das Zusammenleben und die Situation aller Menschen. Das wäre eine Wirtschaft, die dem Menschen dient – ein Modell, das Mohammed Yunus bekanntermaßen als “Social Business” bezeichnet: Im Gegensatz zu Non-Profit-Unternehmen arbeiten sie ökologisch und wirtschaftlich nachhaltig. Die erwirtschafteten Gewinne werden nicht als Dividende an die Kapitalgeber ausgeschüttet, sondern reinvestiert. Die Mitarbeiter erhalten angemessene und marktgerechte Gehälter.

Wenn die bereits vorhandene Innovationskraft und der Erfindergeist unserer Zeit das Kapital der Wirtschaft einbindet, ermöglicht uns das eine um ein Vielfaches schnellere und nachhaltigere Lösung von tatsächlichen Problemen und Bedürfnissen. Und nicht zuletzt: eine wirkliche Relevanz unseres Tuns.

Über den Autor

Foto: Norbert Müller

Daniela Mahr ist Philosophin und Gründerin von Reflecta. Ihre Schwerpunkte sind nachhaltiges Wirtschaften, neue Formen von Arbeit, Wirtschaft und gesellschaftlichem Zusammenleben, Identitäts- und Sinnforschung sowie Kulturvermittlung. Derzeit ist sie als Leitung des Reflecta Filmfestivals, Redaktionsleitung des Green City Guides, Leitung des Reflecta.Networks, Speakerin und Kuratorin tätig.

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