Commons-basierte Do-it-yourself-Communities boomen: Wie können Unternehmen von ihnen lernen und profitieren?
Von Patricia Wolf und Urs Gaudenz (09/2015)
Commons-basierte Do-it-yourself-Communities boomen: Wie können Unternehmen von ihnen lernen und profitieren?
Von Patricia Wolf und Urs Gaudenz (09/2015)
Der Trend zu Do-It-Yourself (DIY) und offenem Wissensaustausch wird als gesellschaftliches Phänomen immer bedeutsamer. DIY-Initiativen agieren commons-basiert, das heißt: Sie verstehen gemeinsam entwickelte Produktionstechnologien, Methoden, Informationen und Wissen als gemeinschaftliches Eigentum. Hier werden inter- und transdisziplinäre Zusammenarbeit, schneller Informationsaustausch und Kollaboration groß geschrieben.
Open-Design-Initiativen beispielsweise ermöglichen in lokalen FabLabs jedem einen bezahlbaren Zugang zu kostengünstiger digitaler Produktionstechnologie wie 3D-Druckern und Laser Cuttern. Sie entwickeln die Technologie der DIY-Geräte in Online-User-Communities weiter und tauschen Design-Baupläne von 3D-Objekten auf Plattformen wie Thingiverse aus, die für alle zugänglich sind.
Im Public Lab publizieren die Protagonisten Bauanleitungen für günstige DIY-Geräte, mit denen Bürger Bodenproben untersuchen können: Online werden die die Daten für alle zugänglich zusammengetragen. Initiativen der Open-Source-Biologie hacken wissenschaftliche Geräte und pharmazeutische Produkte wie Medikamente. Die BioStrike-Initiative der P2Pfoundation etwa entwickelt neue Antibiotika.
DIY-Communites fordern etablierte Institutionen wie Pharmaunternehmen, Hersteller von Designobjekten oder von Geräten mit Zukunftstechnologien heraus: Durch die Zusammenarbeit mit offenen Daten wird es möglich, Technologien und Wissen günstig und teilweise deutlich schneller und effizienter als in F&E Abteilungen der klassischen Unternehmen zu entwickeln. Daraus entstehen ganz neue Business-Ökosysteme: Alle interessierten Firmen oder Einzelpersonen haben Zugriff auf die Änderungen und Verbesserungen durch andere. Die Community lebt vom offenen Austausch innerhalb des Industriesegments. Der Markt entsteht von innen heraus, er wächst durch die Beteiligung - weshalb es auch keine klassischen Marktbereitungsstrategien oder Marketingkampagnen mehr braucht.
Ein aktuelles Beispiel aus der DIY-Biologie ist die Digitale Mikrofluidik: 2001 entdeckt, dient sie dazu, Laborvorgänge zu automatisieren: Es ist nicht mehr nötig, mühsam per Hand und mit Pipetten Chemikalien zu mischen, sondern dies passiert auf dem Gerät automatisch. Nach 14-jähriger Entwicklungsarbeit ist 2015 mit dem NeoPrep Library Prep System von der Firma Illumnia das erste industrielle Produkt auf den Markt gekommen. Das Gerät kostet rund 50.000 Euro. Die DIY Biologie Community griff diese Entwicklung auf, um das Gerät zu personalisieren: In nur drei Monaten wurde eine erste Alternative entwickelt – das „Open Drop“-Gerät ist einfach und leicht zusammenzubauen und kostet in der (Selbst-)Herstellung nur rund 500 Euro.
Vor diesem Hintergrund erstaunt es, dass die Commons-basierten Initiativen für Unternehmen noch immer einen blinden Fleck darstellen. Eine aktuelle Befragung von Management-Strategen in Schweizer Pharmaunternehmen zeigte, dass keiner jemals von DIY Biologie Initiativen gehört hatte. Gleiches bestätigen Open-Design-Aktivisten in einer Interviewstudie aus ihrer Perspektive: „The big companies, for whatever reason, just kind of seem to be sitting on their hands, while all of this is going on around them”, so ein US-amerikanischer Thingiverse-Nutzer mit eigenem 3D-Schmuck-Webshop.
Unternehmen werden nur langsam auf diese Entwicklung aufmerksam. Dass sie von einer Kooperation mit DIY-Communities in Bezug auf die Schnelligkeit und Effizienz in ihren F&E-Prozessen profitieren könnten, steht außer Frage. Allerdings müssten sie sich frühzeitig und bewusst überlegen, wie sie eine solche Zusammenarbeit gestalten würden, denn die Patentierung von Erkenntnissen ist in diesen commons-basierten Kontexten ein No-Go. Für Entscheider aus Unternehmen empfiehlt es sich also, ihre Umgebung möglichst frühzeitig auf DIY-Potentiale zu scannen und anschließend Kollaborationsstrategien zu entwickeln und auszutesten.
Literatur:
Guggiari, L. (2014). Open knowledge sharing and co-creation: Earning a living from a co-created idea. Lucerne: Lucerne University of Applied Sciences and Arts
Makvandi, K. (2015). Future strategies of the Swiss ecosystem for pharmaceutical industry towards DIY initiatives. Lucerne: Lucerne University of Applied Sciences and Arts
Prof. Dr. Patricia Wolf ist Leiterin des Zukunftslabors CreaLab und Forschungskoordinatorin des Instituts für Betriebs- und Regionalökonomie an der Hochschule Luzern.
Urs Gaudenz ist Berater und Dozent im Bereich Innovations- und Ideenmanagement. Er ist Gründer von GaudiLabs – Open Science Lab sowie Vorstandsmitglied des CreaLab und der Hackteria International Society.