Oberflächlich, profitgetrieben, umweltschädlich, ausbeuterisch… Das Image der Modeindustrie könnte kaum schlechter sein. Wo bleibt der Wertewandel in der Fashionbranche?
Von Eva Maria Sirch (05/2017)
Oberflächlich, profitgetrieben, umweltschädlich, ausbeuterisch… Das Image der Modeindustrie könnte kaum schlechter sein. Wo bleibt der Wertewandel in der Fashionbranche?
Von Eva Maria Sirch (05/2017)
Das Image der Modeindustrie ist stark beschädigt. Spätestens seit der Veröffentlichung des Dokumentarfilms „The True Cost“ 2015 sind die Schattenseiten der Fast Fashion Branche hinreichend bekannt. Kann – und will – eine Industrie, die Umwelt und Menschen so schädigt, das Ruder überhaupt noch herumreißen?
Die Modeindustrie verbucht den zweithöchsten CO2 Ausstoß nach der Öl-Industrie, verschmutzt Gewässer und Umwelt und ist verantwortlich für verheerende Arbeitsbedingungen. Schuld daran ist vor allem die Schnelllebigkeit der Fashion Trends: Jeder Trend ist nur wenige Wochen in den Geschäften finden und landet wenig später – meist kaum getragen – in der Ecke des Kleiderschranks. Mode ist Wegwerfware geworden. Das Fast-Fashion-Modell ist eine Profitmaschine für die Unternehmen und eine Katastrophe für die Menschen am anderen Ende der Produktionskette.
Vor allem große Modekonzerne kommen kaum noch drum herum, mindestens nach außen einen nachhaltigeren, menschenfreundlicheren Ansatz zu vertreten. Um den Käufern ein besseres Gefühl zu geben, haben viele Unternehmen schon seit Jahren Charity-Projekte ins Leben gerufen. LVMH, das wohl größte Haus mit über 70 Luxus-Marken, pflegt bereits seit 1991 sein Image mit Projekten zum Schutz der Umwelt und Ressourcen und setzt sich für Bildung, Kunst und Kultur ein. Trotz dieser augenscheinlichen Bemühungen werden aber weder Lieferketten transparent gemacht noch ein richtiges Nachhaltigkeitsmodell offengelegt.
Auch Unternehmen wie Adidas oder H&M schmücken sich gerne mit Recycling-Aktionen oder sozialen Initiativen für Flüchtlinge. Meist bleiben die Statements und Initiativen jedoch vor allem eines: Marketing. Laut Human Rights Watch ist nicht viel passiert: Zwar hat H&M eine Foundation gegründet und initiiert Projekte wie den Global Change Award, doch das Wachstumsparadigma und die Schnelllebigkeit des Konsums an sich werden nicht in Frage gestellt. Doch es gibt Hoffnung: Die wachsende Zahl Social Startups könnten eine Kehrtwende in Gang setzen.
Junge Social Businesses wie beispielsweise Umano, ein E-Commerce-Startup, überzeugen mit einem ganzheitlich durchdachten Konzept. In ihrem Online-Shop vertreiben sie Shirts, die mit Zeichnungen von Kindern aus sozial schwachen Verhältnissen bedruckt werden. Für jedes Shirt, das aus nachhaltig gewonnenem Micromodal besteht, wird ein Rucksack mit Schulmaterial an ein Kind gespendet. Das Unternehmen versucht, jeden Faktor in seiner Beschaffungskette so nachhaltig wie möglich zu gestalten. Bedruckt wird selbst per Hand im Headquarter.
Warby Parker ist ein weiteres Social Business, dass das Konzept von „Buy one, give one“ ganzheitlich angeht. Abhängigkeiten, die durch die schlichte Vergabe von Sachspenden entstehen, werden vermieden, und durch die Zusammenarbeit mit der Organisation Vision Spring wird ein längerfristiger Impact angestrebt. Für jedes verkaufte Paar Sonnenbrillen wird ein weiteres gespendet – doch anstatt sie einfach an bedürftige Menschen in Afrika weiterzugeben, werden die Brillen an lokale Kleinunternehmen weitergegeben: Diese werden gleichzeitig trainiert, ihr eigenes Unternehmen zu starten – und verkaufen dann Sonnenbrillen in ihrer Community zu erschwinglichen Preisen.
Das junge Modeunternehmen Maiyet engagiert sich gemeinsam mit der Organisation NEST für Partnerschaften mit Handwerkern in Entwicklungsländern. NEST widmet sich der Ausbildung und Weiterbildung des Handwerks, um Menschen zu ermächtigen, sich selbst aus der Armut zu befreien. Die Hilfe zur Selbsthilfe ist das Konzept vieler erfolgreicher Social Startups. Unternehmen wie FEED oder Everlane setzen dagegen vor allem auf transparente Lieferketten, faire Arbeitsbedingungen und unweltfreundliche Materialien – und schaffen langfristige Beziehungen mit ihren Lieferanten. FEED arbeitet vor allem mit Handwerkskünstlern in Guatemala, Haiti, Indien, Kenia, Mexiko und Peru zusammen und sichert diesen einen nachhaltigen Lebensunterhalt.
Die Eco-Modebrands sind so gefragt, dass die nachhaltigen Fashion Shops wie Glore, Avocado Store oder Almasanta ihr Sortiment in den vergangenen Jahren fast verhundertfachen konnten. Doch auch wenn es eine wachsende Zahl fairer und nachhaltiger Anbieter gibt – ein echter Wandel ist nur möglich, wenn eine kritische Masse der Konsumenten sich dafür entscheidet, weniger und dafür bewusster und qualitativ hochwertiger zu kaufen: Ohne echten Druck von der Konsumentenseite wird die die Fast-Fashion-Industrie weiterhin wachsen und lediglich aus Marketingzwecken in Charity-Projekte investieren, anstatt wirklich faire und nachhaltige Arbeitsbedingungen zu schaffen.
Doch der stetige Anstieg des nachhaltig motivierten Konsums, vor allem in der Generation Global, macht Hoffnung: Immer mehr Menschen wollen wissen, woher ihre Kleidung kommt. Und gerade junge Menschen sind sich der Macht ihrer Konsumentscheidungen bewusster denn je. Ein günstiger Preis allein reicht für viele nicht mehr aus.