Dass Passivität zum Ausdruck einer globalen Protestbewegung wird, zeigt, wie sehr die heutige Arbeitswelt global unter Spannung steht. Denn so unterschiedlich China und die USA hinsichtlich Wirtschaftspolitik und Gesellschaftssystem aufgestellt sind, verbindet sie doch eine gemeinsame Arbeitsmoral: Wohlstand wird als Konsequenz von Fleiß betrachtet. Nun wird immer deutlicher, dass der Leitsatz „Harte Arbeit zahlt sich aus“, der vor allem die Generation der Babyboomer maßgeblich prägte, obsolet geworden ist. Wohlstand wird heute häufiger geerbt als erarbeitet, und Aufstiegsgeschichten sind keinesfalls die Regel, sondern vielmehr die Ausnahme. Harte Arbeit zahlt sich nur noch manchmal aus – und sie hat ihren Preis.
Burn-out – und Burn-on
Im Sommer 2022 erregte das neu beschriebene Krankheitsbild des Burn-on Aufsehen. Im Unterschied zum Burn-out, bei dem eine akute Erschöpfungsdepression zum plötzlichen Zusammenbruch von Leistungsfähigkeit, Wohlbefinden und Gesundheit führt, beschreibt Burn-on eine chronische Erschöpfungsdepression. Die Betroffenen erleben und pflegen dabei oft über Jahre hinweg einen Spagat zwischen Unvereinbarkeiten auf unterschiedlichsten Ebenen. Im Arbeitsleben werden dann einerseits Projekte aktionistisch vorangetrieben und Herausforderungen mit betont positiver Haltung angegangen, andererseits fehlen somit Energie und Zeit für alltägliche Aufgaben, die immer weiter aufgeschoben werden – und sukzessive überfordern und deprimieren.
Auf mentaler Ebene stehen sich beim Burn-on zwei Denkwelten unversöhnlich gegenüber: ein anspornender Perfektionismus – und ein Unzulänglichkeitserleben, das keine langfristige Zufriedenheit zulässt. Gut gelaunt die Erschöpfung akzeptieren? Das kann bei kurzfristigen Stressphasen hilfreich sein, wenn ein darauf folgender Erfolg belohnt. Sind aber Stress und Abgabedruck der Normalfall, fehlt die Zeit, Erfolge zu feiern. Die ersehnte Entspannung bleibt dann eine Hoffnung, die immer wieder in die Zukunft verschoben wird.
Dabei spielt das soziale Umfeld der Erkrankten oft eine zentrale Rolle als Ursache und Verstärker. Erschöpfung und Stress gehören längst zum guten Ton in der Arbeitswelt: Bewundert und gefördert werden jene, die gut gelaunt in Einklang bringen, was nicht zusammenpasst. Auch ein ungesundes Verhältnis zu Flexibilität wirkt dabei verstärkend, denn nur durch persönliche Kniffe und Life Hacks wird Widersprüchliches miteinander vereinbar. Wir leben real-digital, machen Workation und feiern das Work-Life-Blending, wir gestalten unsere Multigrafien co-individualistisch und glokal – am liebsten würden wir mehrere Leben unter einen Hut bekommen.