Aufbruch in ein neues Zeitalter der Mobilität

Die Welt im 21. Jahrhundert ist vor allem durch eine zunehmende Vielfalt an Mobilitätsformen gekennzeichnet. Das macht Waren und Dienstleistungen rund um Mobilität zu einem der größten Wachstumsmärkte.

Quelle: Megatrend Dokumentation (2012)

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Mobilität ist weltweit zum Ausdruck von Freiheit, Unabhängigkeit, Wohlstand, Individualität und Selbstbestimmung geworden. Das zeigt sich besonders deutlich an den Schwellenländern, die derzeit auf dem Sprung in die moderne Mobilitätsgesellschaft sind. Dort erfüllen sich die neuen globalen Mittelschichten mit neuen Mobilitätsoptionen das Versprechen wirtschaftlichen Aufstiegs, die Chance auf größere individuelle Freiheit und den Anschluss an den westlichen Lifestyle. Wenngleich sich im Westen die Phase der naiven Mobilitätsbegeisterung dem Ende zuneigt, wird in einer von Globalisierung und Individualisierung, von Bevölkerungswachstum und Urbanisierung geprägten Welt der Mobilitätsbedarf weiter steigen.

In den EU-Ländern legte der Personenverkehr allein zwischen 1990 und 2010 insgesamt um ein Drittel zu – auf gigantische 6,5 Billionen Personenkilometer pro Jahr. Der Anstieg bis 2030 wird mit 29 Prozent nicht viel geringer prognostiziert. Rund drei Viertel dieser Mobilitätsleistung gehen, heute wie auch in den nächsten zwei Jahrzehnten, auf das Auto zurück. Dass Automobilität einer der zentralen Treiber des Megatrends bleibt, zeigt auch der Blick auf den weltweiten Kraftfahrzeugbestand, der sich in den letzten 50 Jahren fast verzehnfacht hat und allein seit zwischen 2000 und 2010 um 35 Prozent anstieg. Heute rollen rund um den Globus weit über eine Milliarde Fahrzeuge. Das Auto bleibt also auf absehbare Zeit das Verkehrsmittel Nummer eins. Zu sehr ist das Mobilitätsverhalten auch in Zukunft mit dem Bedürfnis nach individueller Fortbewegung verknüpft.

Der Beginn der multimobilen Ära

Alles wie gehabt, könnte man meinen. Doch der Konsum von Mobilität, wie wir ihn jahrzehntelang praktiziert haben, erlebt gegenwärtig eine historische Zäsur. Was vor uns liegt, ist der Beginn eines neuen, multimobilen Zeitalters. Wir stehen vor ähnlichen Umwälzungen wie nach der Erfindung des Autos vor 125 Jahren. Wenn heute von der Zukunft der Mobilität die Rede ist, geht es nicht länger nur um räumliche Fortbewegung, um Verkehrsmittelnutzung, neue Antriebsformen und Fahrzeug-Features. Wir stehen vor ähnlichen Umwälzungen wie nach der Erfindung des Autos Wer von der Zukunft von Mobilität spricht, ruft damit gleichzeitig Begriffe wie Nachhaltigkeit, neue Energieinfrastrukturen und postfossile Mobilitätskonzepte auf den Plan. Und: vernetzte Städte, Car-to-Car-Kommunikation, intelligente Transportsysteme und -dienstleistungen, virtuelle Unternehmen, mobiles Arbeiten, Mobile Commerce.

Die Welt im 21. Jahrhundert ist nicht nur durch einen weiter wachsenden Mobilitätsbedarf gekennzeichnet, sondern vor allem durch eine zunehmende Vielfalt an Mobilitätsformen. Ob berufliches Pendeln, Schulwege, Familien- oder Arztbesuche, Shopping und Freizeitaktivitäten, Urlaubs- und Geschäftsreisen, Smartphones und Tablets, mobiles Internet, Video- und Telefonkonferenzen, wir sind – immer, überall und gleichzeitig – unterwegs, zu mehr Orten als je zuvor. Das führt in der Konsequenz zu einer Multi-Mobilität. Unser Leben in der 24/7-Gesellschaft spielt sich künftig vor allem im „Dazwischen“ ab.

Das Ende grenzenloser Freiheit

Während der Mobilitätsaufwand weiter steigt, wird die Zukunft aber nicht zwingend schneller. Nicht das Höchsttempo bestimmt die mobile Gesellschaft von morgen, sondern die Art der Fortbewegung und wie wir tatsächlich „am besten“ ans Ziel kommen. Das Problem: In den meisten Großstädten lässt die Verkehrssituation das Auto praktisch Nicht das Höchsttempo bestimmt die mobile Gesellschaft von morgen, sondern die Art der Fortbewegung immer öfter zum Hindernis werden, hier sinkt die Durchschnittsgeschwindigkeit von Automobilität tendenziell. Wenn in Berlin und London „Rush Hour“ ist, bewegt sich oft kaum mehr etwas. Spätestens dann wird klar, dass die medialen Abbilder von Metropolen – im Zeitraffer vorbeisausende Autos, Busse und Bahnen – Fiktion sind. Auf den hektischen Magistralen, in pulsierenden Innenstädten, an Verkehrsknotenpunkten und städtischen Nadelöhren sind Autofahrer oft mit quälender Langsamkeit unterwegs. Die Folge: Mit dem Fahrrad ist man heute in vielen Citylagen im Schnitt schneller als mit dem Auto.

Einer der Gründe für die weltweite Renaissance des Rades. Baustellen, Staus, Sperrungen, rote Ampeln, schlechte Parkplatzsituation, Gebühren von der City-Maut bis zum Parkplatz machen das Auto immer ineffizienter, wenn es um die Fortbewegung in Städten geht. Noch verheerender ist die Situation in vielen Megacitys, die längst unter einem täglichen Verkehrskollaps leiden. Sharing und Multimodalität: Neuer Mobilitätsmix Wenngleich dem Auto weiterhin eine Schlüsselstellung zukommt, ändert sich vielerorts der Mobilitätsmix radikal. Es bilden sich vermehrt Trends heraus, die neue Nutzungsgewohnheiten hervorbringen und intermodale Mobilität verstärken.

Menschen verzichten immer öfter auf den Besitz eines eigenen Autos und greifen eher auf Carsharing-Angebote zu, die ihnen die flexible Nutzung eines Autos ermöglichen, wann und wo sie es tatsächlich brauchen. Vor allem in Städten, Ballungsräumen und Metropolregionen, erst recht in Megacitys wird sich die Verkehrsmittelnutzung künftig deutlich wandeln. Nicht zuletzt zugunsten des öffentlichen Nahverkehrs, des Radfahrens und des Zufußgehens. Um ans Ziel zu kommen, wechseln Menschen immer häufiger das Verkehrsmittel und wählen – situativ, ad hoc, gepoolt – das jeweils bestmögliche: mal das Auto, mal die Bahn, mal das Rad. Und wir werden eben auch wieder mehr zu Fuß unterwegs sein.

Das Ergebnis: Wird heute noch rund die Hälfte aller Wege hauptsächlich mit dem Auto, 30 Prozent mit Bussen und Bahnen zurückgelegt, aber nur jeweils 10 Prozent mit dem Rad und zu Fuß, wird sich das Verhältnis nach Prognosen von Andreas Knie, Leiter des Innovationszentrums für Mobilität und gesellschaftlichen Wandel, bis 2030 ausgeglichen haben. Das erfordert einerseits eine Neugestaltung von Mobilitätsangeboten, es erzeugt andererseits aber auch enorme Potenziale für die zukunftsweisende Weiterentwicklung von Verkehrskonzepten.