Die neuen Werte der Generation Y

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Was und wie wir in den kommenden Jahren arbeiten werden, betrifft uns alle. Dem Management stellt sich diese Frage in besonderem Maße: Was Führung morgen heißt, und mit welchen Kräften es Unternehmen künftig zu tun haben, ist von der richtigen Einschätzung, sorgfältiger Planung und einer fundierten Strategie gegenwärtiger Manager abhängig. Diese Strategien in wirtschaftlichen Erfolg umzusetzen, wird bedingt von den Menschen, die sie Realität werden lassen. Für die Manager der Gegenwart geht es um den Überblick, heute die Weichen für die Führung von morgen zu stellen. Die richtigen Mitarbeiter zu finden, sie zu motivieren und zu halten. Womit erreichen heutige Führungskräfte die nächste Generation? Welche Ziele, Motive und Ansprüche kennzeichnen die nachrückenden Mitarbeiter und Manager?

Abschied von der paternalistischen Konzernlogik

Neue Generationen verlangen eine andere Ansprache. Das galt so schon immer, doch der Strukturwandel der Arbeitswelt beschleunigt sich weltweit und läutet eine Ära neuer Arbeitsorganisation und eines neuen – umfassenderen – Wettbewerbs ein. Die Generation der heute 20- bis 35-Jährigen, benannt als Generation Y, wächst mit diesen Veränderungen auf. Sie sind ihr „New Normal“, ihr selbstverständliches Lebens- und Arbeitsumfeld. Führungskräfte von heute müssen sich dessen bewusst sein. Sie müssen verstehen, welche Gegebenheiten ihre „Nachfolgergeneration“ als grundlegend voraussetzt und dass dies vom eigenen bisherigen Verständnis erheblich abweichen kann. Gegen individuellere Ansprüche, den Wunsch nach mehr Teilhabe und den Drang nach permanenter Bildung zu argumentieren mag in der klassisch paternalistischen Konzernlogik stimmig gewesen sein, in der Zentralisierung, Effizienzsteigerung durch Normierung und Temposteigerung durch Vereinfachung zur Bedienung einer Massengesellschaft ökonomisch Sinn ergaben. In Zeiten einer Welt-Gesellschaft, deren Grundverständnis geprägt ist vom Anspruch des Einzelnen auf Individualismus, auf persönliche Energiebalance und einen höheren Komplexitätsgrad, erreicht dieser Ansatz die High Potentials nicht mehr.

Neue Technologien, Globalisierung und der überall spürbare demografische Wandel verändern die Arbeitswelt drastisch. Bevölkerungsstrukturen wandeln sich und mit ihnen das Potenzial und die Ansprüche der Arbeitskräfte. Wo straffe Führung früher die Norm war, verlangen junge Mitarbeiter heute in fast allen Teilen der Erde nach Erklärung, Transparenz, Mitgestaltung. Internationale Arbeitsmigration, überall gesuchte Hochtalentierte und die immer deutlicheren Auswirkungen niedriger Geburtenraten erzwingen eine neue Sicht auf Leadership, Mitarbeitermotivation und Formen der Kooperation. Unternehmer, Manager und Personalverantwortliche können es sich heute nicht mehr erlauben, darauf zu setzen, dass Nachwuchskräfte im eigenen Land bleiben oder hiesige Top-Unternehmen als Arbeitgeber über alle anderen in der Welt stellen. Employability hat für die nächste Generation vor allem ein Ziel: die Wahl zu haben.

Auf dem Weg in die Wissensgesellschaft

Die gesamte globale Gesellschaft befindet sich in einem tiefgreifenden Veränderungsprozess: von der Industriegesellschaft zu einer Wissensgesellschaft – mit einer ganz anderen Akzentuierung der Wertschöpfung. Schwere körperliche Tätigkeiten rücken durch Automation und veränderte Arbeitsprozesse weiter in den Hintergrund, Wissens- und Serviceberufe nehmen immer mehr Raum ein. Kreativität, Empathie, ganzheitliches Denken und Problemlösungskompetenz zeichnen den Mitarbeiter von morgen aus – egal ob Angestellter oder Freelancer. Das führt zu einem Paradigmenwechsel mit Auswirkungen auf das Bildungssystem und individuelle Qualifikationswege.

Überall in der Welt wird Wissen inzwischen als die Schlüsselressource für wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt erkannt. Die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen und Volkswirtschaften hängt immer stärker vom Humankapital und der daran gekoppelten Innovationsgeschwindigkeit ab. Die Folge: Eine „Ausbildung“ oder ein „Abschluss“, mit dem Lernen beendet war und der für ein gesamtes Berufsleben qualifizierte, reichen heute nicht mehr aus. Wer in der Arbeitswelt bestehen will, muss sich Lernbereitschaft und Neugier bis ins hohe Alter bewahren. Kontinuierliche Aus- und Weiterbildung wird zum selbstverständlichen Teil der Lebensplanung, zum persönlichen Investment in die eigene Employability.

Gerade junge Menschen erleben diese neuen Anforderungen aber nicht als Zwang oder Bedrohung. Im Gegenteil: Sie begegnen ihnen sehr selbstbewusst und aufgeschlossen, weil sie wissen, dass Bildung einen Zuwachs an Beweglichkeit und persönlicher Autonomie bedeutet. Neugierig zu bleiben und sich immer weiterzubilden, so das Ergebnis der Umfrage der vorliegenden Trendstudie, zählt für 85 Prozent der 20- bis 35-Jährigen zu den wichtigsten Zielen in ihrem Leben. Dass lebenslanges Lernen zum zentralen Lebensinhalt Bildung wird vom Einzelnen als strategische Investition verstanden wird, hat aber auch sehr handfeste Motive: In einer Zeit, in der institutionelle Sicherungen durch Staat und Arbeitgeber als immer unzuverlässiger empfunden werden, wird Wissen zum Faktor der individuellen Absicherung. Bildung wird vom Einzelnen als strategische Investition verstanden, Bildungswege werden frühzeitig geplant, kontinuierlich gemanagt und langfristig organisiert.

Neue Implikationen für Human Resources

Das hat erhebliche Auswirkungen für die Unternehmen und ihre Human-Resource-Strategien. Denn für eine solche Generation ist ausgemacht, dass man sich fortwährend qualifiziert, sich immer weiterbildet, dass sich Unternehmen um das geistige Potenzial und das Know-how ihres Fachkräfte-Pools kümmern. Sie spiegeln und verstärken einen klaren Trend: Die Voraussetzungen für Wachstum, Fortschritt und Innovation sind künftig grundlegend andere als in der alten Industriewelt. Unternehmenswerte basieren mehr denn je auf dem Wissen der Mitarbeiter. Wie sehr sie dabei auf hoch qualifiziertes „kreatives Kapital“ angewiesen sind, zeigt der rapide steigende Akademikeranteil an den Beschäftigten: In der EU hatten Mitte der 1990er-Jahre noch nicht einmal 20 Prozent einen Hochschulabschluss, heute sind es rund 31 Prozent. Künftige Arbeitsumgebungen werden mehr und mehr Hochbildungsumgebungen sein.

Der Megatrend New Work hebt den Arbeitsbegriff dabei auf eine neue Ebene: Die „schöne neue Arbeitswelt“ verunsichert ebenso, wie sie zugleich fasziniert. Kenntnisse, Skills, Talent, all das wird derzeit auch durch eine neue Generation Nachwachsender im Zusammenspiel mit der alles umfassenden Digitalisierung einer Neudefinition ausgesetzt: Die Generation Y ist gerade dabei, die Spielregeln von Recruiting, Talentmanagement, Karriereplanung, Personal- und Führungskräfteentwicklung umzuschreiben.

Das neue Leistungsverständnis der Generation Y

„Wollen die auch arbeiten?“, fragte Deutschlands größte Wochenzeitung im Frühjahr 2013 provokant in einer Bestandsaufnahme zur Generation Y (Die Zeit, 11/2013). Dahinter verbirgt sich der vielfach geäußerte Verdacht – und bisweilen auch das Vorurteil und der Vorwurf –, junge Beschäftigte erwarteten viel, wollten aber nur noch wenig geben. Kreativität ja, Klotzen nein. Hochqualifiziertes Streben nach Selbstverwirklichung, allerdings ohne Ausdauer im Arbeitsleben. Ihnen fehle es am „Zug zum Tor“. Mangelnder Leistungswille, lautet oft die Schnelldiagnose.

Die Ergebnisse unserer Umfrage zeigen jedoch: Es ist kein fehlendes, es ist ein neues, verändertes Leistungsverständnis, das die Generation Y auszeichnet. Insofern müssen sich Den 20- bis 35-Jährigen geht es darum, gestalten und verändern zu können Manager und Personalabteilungen die Frage stellen, ob ihre Instrumente, mit denen Leistung gefördert und gemessen wird, noch zeitgemäß sind. Die weit überwiegende Zahl, über drei Viertel der Befragten, sagt von sich: Wenn der Job Spaß macht, bin ich bereit, alles zu geben (77 Prozent). Zwei Drittel stehen auf dem Standpunkt, dass ihnen ein hohes Arbeitspensum nichts ausmacht, wenn die Anerkennung für ihre Leistung vorhanden ist (66 Prozent). Und ähnlich viele empfinden „positiven Stress“ als zusätzliche Motivation (61 Prozent).

Es ist das Bild einer Generation, die sehr wohl Karriereambitionen hat (55 Prozent), und ihre Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen, ist groß. Es sind allerdings auch neue Motivationsmechanismen wirksam. Die Ideologie der Karriere als Selbstzweck funktioniert nicht mehr, die Zugkraft der materiellen Anerkennung lässt erkennbar nach. Es geht den 20- bis 35-Jährigen vielmehr darum, tatsächlich etwas gestalten, bewirken und verändern zu können. Sie sind also durchaus bereit, einiges zu geben. Und Unternehmen können auch weiterhin viel von ihnen erwarten.

Die Ära der Selbstaufgabe ich vorbei

Richtig ist allerdings auch die Erkenntnis: Die Ära der Selbstaufgabe für den Job ist vorbei. „Mein Beruf ist mein Leben, ich trenne da nicht so strikt zwischen Arbeit und Freizeit“, das sagen heute nur noch 31 Prozent der Befragten im Alter zwischen 20 und 35 Jahren. Unternehmen haben folglich zwei Möglichkeiten: Sie können weiterhin darauf setzen, mit ihren Rekrutierungsstrategien genau diesen kleinen und tendenziell geringer werdenden Teil unter den Nachwuchskräften herauszufiltern, die dem Leistungsdenken der vergangenen Jahrzehnte anhängen (und daran zu zweifeln beginnen), oder sie setzen auf neue Anreizprinzipien in einer sich wandelnden Arbeitswelt.

Worin diese Anreize liegen, machen die Ergebnisse der Umfrage ebenfalls deutlich: Nicht nur die heutigen Führungskräfte sind sich unsicher – die nachrückende Generation ist, bei aller zur Schau getragenen Selbstzuversicht – tief geprägt durch eine Welt, in der nichts stabil und für immer beständig scheint. Wandel ist die Grundmelodie ihrer Lebensprägung. Vor diesem Hintergrund wird die Leerstelle, die dieser permanente Wandel aufzeigt, zum Attraktor, den heutige Führungskräfte nutzen können: Planbarkeit vermitteln und Sicherheit bieten. Durch nachvollziehbare Strategien, viel mehr aber noch durch Transparenz und Kommunikation. Die nachwachsende Führungskräfteriege will lernen, sie will verstehen und – noch prosaischer ausgedrückt: Sie will darüber reden. Denn das ist es, was sie gewohnt ist.

Beim genauen Blick auf die Ergebnisse zeigt sich, dass sich hinter mancher Großspurigkeit ein sehr leicht nachvollziehbarer Mechanismus und Wunsch verbirgt: als eigenständige Persönlichkeit wahrgenommen zu werden. Das ist es, was die Generation Y in ihrem Umfeld zeitlebens vermittelt bekommen hat. Unsere Gesellschaft feiert das Individuum, den Einzelnen und seine 15 Minuten Ruhm. Um dies zu erlangen, muss man sichtbar sein und ein Bild erzeugen. Bisweilen auch, wenn man so will, sein eigenes Klischee. Die Spannung entsteht aus der Diskrepanz von gesellschaftlicher Prägung und dem traditionellen Arbeitsbegriff des Industriezeitalters, Peer-Group-Individualismus ist die Grundhaltung der kommenden Managergeneration in dem es gerade nicht um Individualisierung, sondern um Rationalisierung und Effizienz ging, an die Anpassung des Menschen an die Strukturen, Prozesse und Standards. In diesem Konflikt befinden sich die Generationen der heutigen und der künftigen Manager. Höherkomplexe Lösungen und Ansätze in den Human-Resource-Abteilungen werden künftig durchweg mit dem Thema der Integration des Individuellen in die Organisation, in das Wir des Gesamten zu tun haben. Denn Peer-Group-Individualismus ist die Grundhaltung der kommenden Managergeneration.

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Megatrend New Work

Megatrend New Work

Wie sieht die Zukunft von New Work aus, welche Entwicklungen treibt der Megatrend voran und wie wirkt der Wandel auf die Arbeitswelt der Zukunft?

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