Bitcoin reloaded: von der Währung zum Spekulationsobjekt

Der Bitcoin hat Anfang 2021 die 30.000-Euro-Marke überschritten. Die Investoren spielten verrückt und die Kryptobörsen erlebten ein neues Allzeithoch. Jeder will ein Stück vom Kuchen. Doch kaum jemand weiß, was der Bitcoin eigentlich ist und welche Potenziale die Blockchain für Wirtschaft und Gesellschaft birgt.

Von Lena Papasabbas

Foto: Erwan Hesry/Unsplash

Schöne neue Kryptowelt?

Wer in die Welt der Kryptowährungen eintauchen will, muss zuerst Bitcoin, die Mutter aller Kryptowährungen verstehen. Bitcoin ist zunächst einmal eine virtuelle Währung, mit der man online, aber auch in Geschäften bezahlen kann. Im Gegensatz zu konventionellen Währungen wird Bitcoin über die Blockchain dezentral verwaltet und durch ein großes Netzwerk von Usern kontrolliert, was für Transparenz und Sicherheit sorgt. Alle Teilnehmer agieren anonym mit einem Public Key. Das heißt: Alle getätigten Transaktionen innerhalb der Währung sind für alle Teilnehmer im Netzwerk einsehbar und damit nicht mehr manipulierbar.

Dieses Verhältnis von Transparenz und Anonymität ermöglicht den Aufbau völlig neuartig organisierter Communitys, die auf ganz anderen Regeln des distribuierten Vertrauens beruhen. Zudem führt der Ausfall einzelner Rechner im Netz nicht zum Ausfall des gesamten Systems, was ihm einen großen Vorteil gegenüber zentral verwalteten Strukturen verschafft. Die innovative Kombination von Dezentralität, Transparenz und Anonymität schafft eine zukunftsweisende Organisationsform unserer digitalisierten Welt, die ganze Bereiche der Wirtschaft und Gesellschaft verändern könnte.

Wer den Bitcoin erschaffen hat, ist unklar. Satoshi Nakamoto heißt der Erfinder der Technologie. Wer wirklich hinter dem Pseudonym steckt, mit dem die entscheidende Software veröffentlicht wurde, weiß niemand – sehr wahrscheinlich ist Satoshi Nakamoto aber heute milliardenschwer. 2008 tauchte das folgenreiche Bitcoin-Whitepaper erstmals im Internet auf. „Das Kernproblem konventioneller Währungen ist das Ausmaß an Vertrauen, das nötig ist, damit sie funktionieren“, schreibt der mysteriöse Satoshi Nakamoto darin. Und genau das macht den Bitcoin so attraktiv: Er funktioniert, ohne dass man einer Bank vertrauen muss – oder einem Staat. Es gibt keine zentrale Instanz mehr, der man sein Vermögen blind in die Hände gibt. Einzig der Technologie muss man vertrauen. Und das erscheint immer mehr Menschen die bessere Alternative. Transparenz und Dezentralisierung sind die Kernwerte des Bitcoins: Jeder kann alle Transaktionen, die je getätigt wurden, einsehen – und niemand steht alleine an der Schnittstelle und kann willkürlich ins Geschehen eingreifen.

Vom Darknet an die Börsen

Seit dem Erscheinen des Whitepapers hat der Bitcoin einen beispiellosen Siegeszug hinter sich. Das erste Mal mit Bitcoin bezahlt wurde bereits 2008. Damals wurden für zwei bestellte Pizzen 10.000 Bitcoins von einem frühen Kryptofan überwiesen. Anfang 2011 erreichte der Bitcoin erstmals den Wert eines US-Dollars. Heute ist ein einziger Bitcoin mehr als 30.000 Euro wert (Stand Januar 2021). Hätte der Käufer damals auf die Pizzen verzichtet und stattdessen seine Bitcoins behalten, wäre er heute Multimillionär.

Zunächst bekannt als Währung, mit der man im Darknet Drogen kaufen kann, haftete dem Bitcoin lange ein zweifelhafter Ruf an. Die Tatsache, dass man mit Bitcoin illegale Güter und Dienstleistungen im Darknet kaufen kann, bleibt natürlich bestehen. Doch der Bitcoin ist dem Darknet längst entwachsen. Ehemals verschrien als Währung virtueller Schwarzmärkte, ist er heute ein heißes Thema auf Business-Konferenzen, Strategie-Meetings – und in den Mainstream-Medien. Ein Löwenanteil der Kryptocommunity ist heute an den Börsen aktiv, um sein Geld zu vermehren. Das Geld wird in die verschiedensten Coins investiert, wobei der Bitcoin selbst häufig immer noch die Einstiegsdroge für Kryptospekulanten ist. Die Chance, den eigenen Invest in kurzer Zeit zu verzehnfachen oder sogar zu verhundertfachen, ist in der Kryptowelt eine reale Möglichkeit.

 

Bitcoins werden knapp

Die Zahl der Bitcoins, die durch Mining generiert werden können, ist endlich. Heute sind bereits weit über 18 Millionen Bitcoins im Umlauf. Insgesamt wird es genau 21 Millionen Bitcoins geben. Diese Zahl ist von Anfang an festgelegt und unveränderbar. Das liegt in der Natur des Coin. Man geht davon aus, dass sie ungefähr im Jahr 2140 erreicht wird. Oder nie. Denn die fest im Code verankerte Obergrenze berücksichtigt nicht die Zahl der Bitcoins, die auf kaputten Festplatten, verlorenen USB-Sticks oder verschwundenen Wallets verloren gingen, insbesondere in der Anfangszeit. So oder so steuern wir auf eine Ebbe bezüglich der verfügbaren Bitcoins zu. Dazu kommt der andauernde Trend zum Hodln, ein aus der Meme-Kultur stammender Begriff, der bedeutet: trotz etwaiger Kursschwankungen zu halten und nicht zu verkaufen um kurzfristige Gewinne abzugreifen. Zu vielversprechend sind die Prognosen von allen möglichen, häufig selbst ernannten Experten. Die Marke von 220.000 Dollar soll der Bitcoin im Laufe von 2021 erreichen – solche und ähnliche Verheißungen sind beinahe so alt wie der Bitcoin selbst.

Die größten Hodler sind jedoch längst keine Kryptonerds und risikofreudigen Geeks mehr. Das Geschäft mit den Coins machen heute vor allem Unternehmen. In den letzten Monaten hat sich gezeigt, wohin Coins fließen: In die Wallets von institutionellen Investoren. Knapp 5,5 Prozent aller Bitcoins befinden sich bereits in der Obhut von Unternehmen. Zu den größten Bitcoin-Hodlern unter den Unternehmen zählen der EOS-Konzern Block.One und der US-Datendienstleister Microstrategy. Die Investment-Firma Grayscale verwaltet mit ihren 572.644 Bitcoins alleine über 2,7 Prozent aller Bitcoins, die es jemals geben wird. Nicht nur wird die Zahl der Bitcoins auf den Börsen dadurch immer knapper. Bitcoin, einst als progressive Währung jenseits von Nationalstaat und Finanzwelt gedacht, verkommt immer mehr zum raren Spekulationsobjekt.

Das eigentliche Potenzial der Blockchain

Das eigentliche Potenzial der Blockchain bleibt dabei auf der Strecke. Die zahlreichen Communitys, die sich rund um neue Projekte, Coins, Startups und Initiativen formieren, zeigen, dass diese Technologie ein relevantes Zukunftsfeld ist – und weit mehr als nur ein Mittel zu schnellem Reichtum. Die Blockchain kann immer nur Mittel sein. Die Prinzipien der Dezentralität und Transparenz, wie sie die Blockchain und ihre Folgetechnologien strukturell verankern, bieten eine neue Dimension zwischenmenschlicher Kooperation, die unserem global vernetzten Zeitalter entsprechen: Verträge, Entgeltungssysteme und vieles mehr können auf ein neues Level von Fairness, Transparenz und kluger Distribution gehoben werden. Wir stehen noch ganz am Anfang der Kryptoevolution.


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Dieser Artikel ist in folgenden Dossiers erschienen:

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