Connected China: Die neue E-Commerce-Macht

Hinter der „Great Firewall of China“ verbirgt sich eine vibrierende Internetlandschaft mit den aktivsten Nutzern der Welt.

Quelle: Trend Update 04/2014

Tanawatbig / fotolia.com

Chinas Internetlandschaft wurde 2013 alle 0,6 Sekunden um einen neuen Nutzer reicher. Das geht aus dem neuesten Report des China Internet Network Information Center (CNNIC) hervor. Ende 2013 hatten 618 Millionen Menschen in China Internetzugang. Damit ist knapp die Hälfte aller Chinesen im Internet. Über drei Viertel der chinesischen Nutzer sind mit mobilen Geräten im Netz vertreten (CNNIC-Report). Bei flächendeckendem Netzausbau und sinkenden Smartphone-Preisen lässt sich prognostizieren, dass 2015 fast alle chinesischen Internetnutzer einen mobilen Zugang haben werden.

Chinesische Internetnutzer wenden sich vom bislang sehr beliebten Micro-Blogging ab, wie der neue CNNIC-Report zeigt. Fast 28 Millionen Blogger weniger tummeln sich auf Plattformen wie Sina Weibo, einer Mischung aus Facebook und Twitter. Dafür stiegen die Nutzerzahlen bei den Instant-Messaging-Diensten wie WeChat um fast 65 Millionen.

Social-Media-Innovation „All-in-One“-Apps

WeChat wird vom Internetkonglomerat Tencent betrieben. Die „All-in-One“-Smartphone App ist ein Messaging-Service, der Text-, Video- und Audio-Messaging Chinas Internetnutzer wenden sich ab vom Micro-Blogging vereint. Die App ist sowohl Kommunikationsmittel als auch soziales Netzwerk und E-Commerce-Plattform. WeChat hat bereits 270 Millionen Nutzer, die die App aktiv nutzen. Ein Viertel dieser Nutzer befindet sich außerhalb Chinas. Denn marketingtechnisch ist WeChat aggressiv auf internationalem Expansionskurs. Erfolgreich, wie der Global Web Index berichtet: WeChats weltweite Nutzerzahlen exklusive China stiegen im 4. Quartal 2013 im Vergleich zum 2. Quartal um spektakuläre 379 Prozent. Damit befindet sich WeChat international auf Platz fünf der mobilen Kommunikations-Apps hinter Facebook, WhatsApp, Twitter und Instagram.

China ist der größte E-Commerce-Markt der Welt

2013 löste China die USA als führenden Online- Sales-Markt ab. Das Research Center der Alibaba Group erwartet für das Jahr 2020 einen E-Commerce-Umsatz in China von insgesamt 10 Billionen RMB (120 Milliarden Euro), der für 16 Prozent aller gekauften Konsumgüter steht.

Ein konkretes Beispiel des Online-Shopping-Trends liefert die Alibaba Group selbst. Das Unternehmen hinter den führenden B2B- und B2C-Plattformen Taobao und TMall wartet mit beeindruckenden Zahlen auf: Der jährlich stattfindende Shopping Day am 11. November konnte 2013 im Vergleich zum Vorjahr einen 83-prozentigen Anstieg in den Verkaufszahlen aufweisen. Über Alipay, den Online-Payment-Service der Alibaba Group, wurde an diesem Tag eine Rekordsumme von umgerechnet vier Milliarden Euro abgewickelt. Jack Ma, Gründer der Alibaba Group, kommentierte den E-Commerce-Boom auf der Credit Suisse Asian Investment Konferenz letztes Jahr so: „In anderen Ländern ist E-Commerce eine Einkaufsmöglichkeit wie andere auch. In China ist es eine Lebensphilosophie.“

Spannend dabei ist die Entwicklung der Käufe über mobile Endgeräte. Über die App von Taobao wurden letztes Jahr ein Viertel der Shopping-Day-Einkäufe erledigt, fünfmal mehr als noch im Jahr 2012. Der „Shoppers Trend Report“ von RetailMeNot und Ipsos Public Affairs gibt an, dass in China 18 Prozent der Internetnutzer über ihre mobilen Endgeräte einkaufen, in Deutschland liegt der Anteil der mobilen Shopper gerade mal bei sechs Prozent.

Vom Hinterland kommen neue Nutzer- und Käufergruppen

Der Trend zu sozialer Vernetzung und Mobile Shopping wird sich durch die Erschließung neuer Käufergruppen von Tablets und Smartphones noch verstärken. Speziell “In China ist E-Commerce eine Lebensphilosophie” die Landbevölkerung wurde als neuer Absatzmarkt erkannt. Aufgrund der niedrigeren Kaufkraft werden sich ländliche Konsumenten zwischen verschiedenen Endgeräten entscheiden müssen – Smartphones und Tablets werden bei dieser Entscheidung im Preis-Leistungs-Verhältnis gewinnen. Dies wird zur Folge haben, dass „Mobile“ als Kanal für Onlinehandel weiter an Bedeutung zunimmt.

Und selbst für diejenigen, die sich noch kein eigenes Smartphone leisten können, entstehen Initiativen mit dem Ziel, am digitalen Leben und Konsumieren teilzuhaben. Die lokale Regierung in der Region Suichang hat ein Programm namens „51ganjie“ ins Leben gerufen. In fünf Bauerndörfern haben die Menschen nun Gelegenheit, über ein Webportal online zu kaufen und zu verkaufen. Die Dörfer in Suichang haben damit beste Chancen zu sogenannten „Taobao Villages“ zu werden. Taobao Villages werden Dörfer genannt, in denen mindestens zehn Prozent der Einwohner auf der E-Commerce-Plattform Taobao als Händler registriert sind. Laut Alibaba, dem Betreiber von Taobao, haben die 14 größten Taobao Villages zusammen 10.000 Onlinepräsenzen und setzen jährlich knapp 600 Millionen Euro um.

Chinesische Tech-Unternehmen erobern den Weltmarkt

Xiaomi, Baidu, Tencent, Alibaba, WeChat – Namen, die noch nicht ganz so geläufig sind wie Google, Amazon oder Apple, avancieren zu Trendsettern in Telekommunikation, mobilen Endgeräten und Online-Services. Um sich nicht nur auf dem heimischen Markt, sondern auch international zu etablieren, stellen sie Führungskräfte aus dem Silicon Valley ein und richten ihre Marketingkampagnen international aus. Colin Light, Partner bei PricewaterhouseCoopers, sieht in einem Interview mit dem „Wall Street Journal“ die chinesische Tech-Industrie im Aufstieg: „Chinesische Unternehmen waren traditionell immer das, was man ‚Frühe Folger‘ nennt. Doch jetzt beginnen sie ernstlich zu innovieren.“

Die Erfolgsstory von Xiaomi ist ein Beispiel für diese Entwicklung. Das neueste Smartphone-Modell Mi3 des Tech-Startups verfügt über den derzeit schnellsten Prozessor auf dem Markt. Das Marketing konzentrierte sich ausschließlich auf soziale Medien, über WeChat wurden im November letzten Jahres in Flash-Sale-Manier 150.000 Mi3-Geräte innerhalb von zehn Minuten verkauft. In ganzen Zahlen ist die Entwicklung noch beeindruckender – Xiaomi verkaufte 2012 sieben Millionen Geräte, 2013 lag der Absatz schon bei 19 Millionen.

China wird zum M-Commerce-Leader

Der potenzielle Markt wird durch die Verbreitung von internetfähigen Geräten und kompatiblen Netz werken weitaus größer. Speziell „Mobile“ wird in den kommenden Jahren stark wachsen, wenn sich Hunderte von Millionen Menschen auf dem Land ein Smartphone leisten, um mit ihren abgewanderten Familien in den Städten einfacher zu kommunizieren oder per Onlineshop-Präsenz ihren Lebensunterhalt zu verbessern. In den Städten wird „Mobile“ ebenfalls zum Kommunikations- und Shoppingtool Nr.1. Ein Großteil des E-Commerce-Umsatzes wird bereits in wenigen Jahren auf mobiles Shoppen zurückzuführen sein und China zum M-Commerce-Leader aufsteigen.

Der Markteintritt vereinfacht sich um ein Vielfaches im Vergleich zu Zeiten, in denen ausländische Firmen nur punktuelle Offline-Präsenz zeigen konnten. Plattformen Gute Einstiegschancen für deutsche Unternehmen wie TMall oder WeChat können als bequemes Einfallstor genutzt werden, wo E-Payment-Serviceanbieter sich um die Finanztransaktionen kümmern, ganz ohne dass sich das deutsche Unternehmen einer komplizierten Unternehmensregistrierung unterziehen oder ein chinesisches Bankkonto eröffnen muss. Die Hürden für einen Markteintritt verringern sich also, doch dadurch erhöht sich auch die Konkurrenz durch andere Marken und es wird wichtig sein, die Menschen durch gezielte Social-Media-Kampagnen zu erreichen und die Entwicklungen aufmerksam zu beobachten.

Der Artikel hat Bezug zu folgenden Formaten:

Dieser Artikel ist in folgenden Dossiers erschienen:

Megatrend Konnektivität

Megatrend Konnektivität

Der Megatrend Konnektivität beschreibt das dominante Grundmuster des gesellschaftlichen Wandels im 21. Jahrhundert: das Prinzip der Vernetzung auf Basis digitaler Infrastrukturen. Vernetzte Kommunikationstechnologien verändern unser Leben, Arbeiten und Wirtschaften grundlegend. Sie reprogrammieren soziokulturelle Codes und bringen neue Lebensstile, Verhaltensmuster und Geschäftsmodelle hervor.

Folgende Menschen haben mit dem Thema dieses Artikels zu tun:

Online-Redaktion

Die Online-Redaktion des Zukunftsinstituts kümmert sich um alle sichtbaren Inhalte auf dieser Website und sorgt dafür, dass die ständig wachsende Anzahl neuer Informationen einen angemessenen Platz bekommt.