Coworking Spaces: Startup-Spirit tanken

Wie können etablierte Unternehmen von der Startup-Kultur lernen? Coworking Spaces bieten eine Möglichkeit, inspirierende Schnittstellen zwischen beiden Welten zu erschließen.

Von Lena Schiller Clausen (01/2017)

WeWork / WeWork Hollywood Lounge in L.A.

Neues entsteht aus überraschenden Begegnungen und zufälligen Gesprächen. Es sind die informellen Wege, die zu den notwendigen neuen Kontakten für Inspiration und Erkenntnisgewinn führen. Viele innovative Vorhaben scheitern bereits, bevor sie angefangen haben, weil die etablierten Strukturen des Unternehmens zu starr sind: Die fixierten Prozessabläufe und hierarchischen Organisationsdiagramme der Großkonzerne bieten keine Freiräume, um sich wirklich entfalten und auf eigenen Beinen stehen zu können.

Innovationsprojekte und ihre Teams müssen sich deshalb strukturell und räumlich von den ausgetretenen Pfaden des Unternehmens entfernen. Und da es bei diesen Projekten immer auch immer um eine Annäherung an die vielfältige Dynamik rund um die neuen Technologien geht, bietet sich die Schnittstelle in die junge, kreative, technologienahe Szene als neue temporäre Projektheimat an. Dies ermöglichen zum Beispiel Coworking Spaces. Sie sind das Zuhause der Gründer-, Kreativ- und Startup-Szene, in der Wertschöpfung vor allem mit neuen Technologien und durch Wissensaustausch, -verarbeitung und -weitergabe entsteht.

Die Idee des Coworkings kommt ursprünglich von der amerikanischen Westküste, seit einigen Jahren ist sie auch in Europa fest etabliert – als alltäglicher Bestandteil des Arbeitslebens vieler junger Unternehmen und Kreativer. Vor allem in der Digital-Szene, aber auch darüber hinaus.

Coworking Spaces sind zunächst einmal reale Orte: Räume, die eine Mischung aus entspannter Kaffeehausatmosphäre und konzentriertem Arbeitsumfeld bieten, zwischen Arbeit und Freizeit, Strukturen und Freiraum – und die damit Konzentration, Kollaboration, Kreativität, Problemlösung und Weiterentwicklung ermöglichen. Sie beinhalten große offene Arbeitsräume, büroähnliche Teamräume, Meeting- und Projekträume, Werkstätten, Konferenzbereiche und "Telefonzellen". Am wichtigsten sind allerdings die Cafébereiche, das pulsierende Herz der Spaces, die Orte der Begegnung: Hier kann man zusammenfinden, sich vernetzen.

Denn seit der erste große Hype vorüber ist, bieten Coworking Spaces bewusst auch großen Unternehmen die Möglichkeit einer niedrigschwelligen Schnittstelle zu ihren Communities. Unternehmen, die sich diese räumliche Annäherung an die Digital- und Kreativszene trauen und selbst für eine Zeit ein Teil des Startup-Arbeitsalltags werden, kommen nachhaltig mit der gesamten Szene in Interaktion.

Sie stehen aber auch vor der Herausforderung, die Offenheit und Flexibilität der Coworking-Kultur anzuerkennen und aktiv am Wissensaustausch teilzunehmen. Nicht trivial ist auch die Frage: Welcher Coworking Space ist die richtige Heimat für die eigenen Unternehmensprojekte? Denn die Konzepte, die den Begriff Coworking für sich in Anspruch nehmen, sind sehr unterschiedlich, und nicht alle bieten Schnittstellen in das Startup-Ökosystem. Es sind eben nicht die Räumlichkeiten an sich, die die Spaces interessant machen, sondern die Gemeinschaft derer, die hier ihre Wirkungsstätte gefunden haben.

Üblicherweise haben Unternehmen, die Projekte und deren Teams für eine Zeit in Coworking Spaces entsenden, die typischen Tuchfühlungsprojekte mit Startup- und Innovationsthemen längst hinter sich – etwa einen Design-Thinking-Workshop oder eine "Ein-Tages-Safari" durch Berliner Inkubatoren. Sie wollen mehr als nur ein bisschen Inspiration, nämlich nachhaltige Beziehungen zur ansässigen technologieaffinen Szene. Sie wollen ihren Teams eine innovationsfreundlichere Arbeitsorganisation ermöglichen – und nicht selten auch junge Arbeitnehmer aus den kreativen und digitalen Themenfeldern für sich begeistern.

Denn wer diese als potenzielle Mitarbeiter für seine Innovations- und Entwicklungsabteilungen im Unternehmen ansprechen möchte, muss ihnen eine austauschfördernde Infrastruktur und ein Arbeitsumfeld für vernetztes Arbeiten anbieten können. Und vor allem: ein Mindset, das den hoch vernetzten, agilen Arbeitsweisen der digital geprägten nachfolgenden Generation gerecht wird. Je eher etablierten Firmen sich darum bemühen und sich ein Beispiel an der Gründerszene nehmen, desto besser stehen ihre Chancen, die Chancen der Digitalisierung für sich zu nutzen.

Zum Weiterlesen: Giesa, Christoph und Schiller Clausen, Lena: New Business Order – Wie Startups Wirtschaft und Gesellschaft verändern, München, Hanser Verlag 2014.

Über die Autorin

Foto: Frank Schinski

Lena Schiller Clausen beschäftigt sich als Unternehmerin, Speakerin und Autorin mit den Mitgestaltungsmöglichkeiten unseres Fortschritts, mit der Digitalisierung und der Zukunft der Arbeit. Als Mitgründerin und ehemalige Geschäftsführerin des Coworking Spaces "betahaus Hamburg" schuf sie eine bedeutende Schnittstelle zwischen Creative Class, zivilgesellschaftlichen Akteuren und Unternehmen. In ihrem Buch "New Business Order" diskutiert sie gemeinsam mit Christoph Giesa die Frage, wie Startups Wirtschaft und Gesellschaft verändern.

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