Cross-Channel: Das Ende der Pure Player

Wie verhalten sich Konsumenten im Cross-Channel-Zeitalter? Eine Studie zeigt: Pure Player sind nicht zukunftsfähig, weder als stationäre Händler noch als reine Online Retailer.

Von Dr. Eva Stüber (04/2016)

Die Online-Umsätze in Deutschland steigen stetig, getrieben von immer mehr Branchen und verschiedensten Playern. Ein Großteil des Umsatzes ist jedoch auf einen einzigen Anbieter zurückzuführen: Amazon. Durch neue Services erschließt der Online-Gigant immer weitere Branchen und baut seinen Marktanteil aus. 2014 konnte Amazon bereits 38 Prozent des gesamten Online-Umsatzes auf sich vereinen. Aber auch die Multi-Channel-Händler sind im Netz gut unterwegs: Laut dem „IFH-Branchenreport Online-Handel“ kommen sie mit rund 15 Milliarden Euro ebenfalls auf einen Anteil von rund 36 Prozent.

Vereinfacht man das kanalbezogene Kaufverhalten der Konsumenten drastisch, lassen sich nach Allensbach drei Typen identifizieren. Die Studie „Cross-Channel im Umbruch“ des ECC Köln in Zusammenarbeit mit SAP hybris zeigt ihre Verteilung unter den Deutschen und liefert wertvolle Erkenntnisse zum Cross-Channel-Konsumentenverhalten.

Laut der Studie lassen sich die Deutschen in Sachen Online-Shopping in drei Lager unterteilen:

  • Die Mehrheit zählt mit 45 Prozent zu den selektiven Online-Shoppern, die abhängig von Situation und Produkt den Kaufkanal wählen.
  • Nur noch 32 Prozent bezeichnen sich als traditionelle Handelskäufer, die ungern online kaufen.
  • 23 Prozent sind begeisterte Online-Shopper, die am liebsten alles online kaufen würden.

Diese Ergebnisse zeigen zum einen, wie stark die Digitalisierung das Kaufverhalten verändert hat – und verdeutlichen zum anderen auch, welche Relevanz der stationäre Handel weiterhin besitzt. Gefragt sind die beiden Kanäle heutzutage vor allem im Zusammenspiel: Fast 40 Prozent der Käufe in stationären Geschäftsstellen werden in Online-Shops vorbereitet, womit die Rolle des Online-Showrooms für den stationären Handel weiter ausgebaut wurde.

Betrachtet man die Smart Natives, die „digital geboren“ wurden und ein intensives Online-Verhalten zeigen, lässt sich die künftige Entwicklung ablesen:

  • Die Online-Kaufvorbereitung für stationäre Käufe wird weiter zunehmen – mehr als die Hälfte der stationären Käufe von Smart Natives werden in Online-Shops vorbereitet.
  • Es wird vermehrt selektiv gekauft – 67 Prozent der Smart Natives legen sich immer weniger auf einen Kanal fest.

Händler mit stationärem Geschäft und Online-Shop haben daher zwar mehr Aufwendungen, um ihren Kunden Informations- und Kaufmöglichkeiten in beiden Kanälen zu bieten. Aber die Bemühungen dieser Händler lohnen sich: Multi-Channel-Händler werden von deutschen Konsumenten durchweg positiver wahrgenommen als rein stationäre Händler und Online-Pure-Player. Die Deutschen schätzen Händler, die beide Kanäle bedienen, als innovativer, kundenfreundlicher, spannender und sympathischer ein. Stationäre Händler gelten zwar im Vergleich zu Online-Pure-Playern als altmodisch, punkten dafür jedoch mit Seriosität und Vertrauen.

Händler sollten diesen Vorteil nutzen und ihren Kunden kanalübergreifende Einkaufserlebnisse bieten – noch stellt dies auch eine gute Möglichkeit zur Differenzierung gegenüber dem Wettbewerb dar. Allerdings müssen Vertriebskanäle künftig noch mehr ineinander greifen, um den steigenden Konsumentenanforderungen gerecht zu werden. Kunden haben bei Cross-Channel-Services das Produkt und den Anbieter im Fokus – doch ob stationär oder online gekauft wird, ist zweitrangig. So gaben 60 Prozent der für die Cross-Channel-Studie befragten Click & Collect-Nutzer an, stationär gekauft zu haben, für 40 Prozent handelte es sich um einen Online-Kauf.

Auch wenn Amazon als Online-Pure-Player gut unterwegs ist, zeigt sich deutlich, dass es schlichtweg keine Alternative zu Cross-Channel gibt und die Einzelbetrachtung von Kanälen kein zukunftsfähiges Konzept ist: Das Ende des Pure Plays ist eingeleitet – sowohl für den stationären Handel als auch für die reinen Online-Händler. Trotz hohen Online-Affinitäten ist auch für Online-Pure-Player die “Ein-Kanal-Denke“ wenig zukunftsweisend. In einem hart umkämpften Online-Wettbewerb fällt es immer schwerer, Alleinstellungsmerkmale zu entwickeln und somit Kundenbedürfnisse zu befriedigen. Deshalb ist auch Amazon bestrebt, sich als Cross-Channel-Händler aufzustellen – das stationäre Geschäft bietet nach wie vor Vorteile.

Über die Autorin

Dr. Eva Stüber ist Leiterin Research und Consulting am IFH Köln sowie der dort angesiedelten Marke ECC Köln. Einer ihrer Schwerpunkte ist das Cross-Channel-Management. In ihrer Promotion untersuchte sie empirisch die „Personalisierung im Internethandel”.

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