Deutschland ist nicht gerade als Hochburg der Gründerkultur bekannt. Patrick Mijnals, Gründer der Crowdfunding-Plattform bettervest, sieht gute Chancen, dass sich das bald ändert.
Von Patrick Mijnals (01/2017)
Deutschland ist nicht gerade als Hochburg der Gründerkultur bekannt. Patrick Mijnals, Gründer der Crowdfunding-Plattform bettervest, sieht gute Chancen, dass sich das bald ändert.
Von Patrick Mijnals (01/2017)
Dass unsere Ökonomie Schumpeters "kreative Zerstörung" braucht, ist inzwischen Common Sense. Selbst die Kanzlerin plädiert für eine Kultur des Scheiterns, um Startups in Deutschland einen wachstumsförderlichen Nährboden zu bereiten. Eine zentrale, für die Zukunft unserer Wirtschaft und Gesellschaft entscheidende Frage lautet: Betrachten Menschen das Gründen als realistische Option auf ihrem persönlichen Karriereweg – oder nicht?
Doch während die Gründer-Kultur in den USA fest in der Gesellschaft verankert ist und der "Startup-CEO" in jugendlichen Kreisen echte Popstar-Potenziale hat, ist die Zahl der Gründungen hierzulande seit rund einem Jahrzehnt stark rückläufig. In den vergangenen Jahren lag die Gründungsquote stets deutlich unter zwei Prozent. Für das Jahr 2050 geht das Institut für Mittelstandsforschung gar von einem Fünftel weniger Gewerbegründungen im Vergleich zu heute aus.
Ist der Gründungs-Boom also schon vorbei, bevor er richtig begonnen hat? Wirft man einen Blick hinter die blanken Zahlen, zeigen sich in der Gründerszene in jüngster Zeit einige interessante Phänomene – Trends und Gegentrends, die auf eine positivere Zukunft hoffen lassen.
Die gute Botschaft vorweg: Tatsächlich lernen inzwischen immer mehr junge Menschen das Unternehmertum schon früh als eine mögliche Berufsoption kennen. Seit einigen Jahren werden beispielsweise an vielen Schulen Schülerfirmen gegründet. Vorangetrieben von Initiativen wie Gründerrepublik, Rockit Biz oder NFTE, die sich für die frühzeitige Sensibilisierung von Jugendlichen für Unternehmertum engagieren, könnte Gründen eines Tages durchaus zum Teil des Curriculums werden.
Auch am anderen Ende des Altersspektrums tut sich einiges. Während der durchschnittliche Gründer in Deutschland 34,9 Jahre jung ist, verzeichnet man europaweit in den vergangenen Jahren ein Anstieg weitaus älterer Gründer. Dienstleister wie Gründer50plus konzentrieren sich darum auf die künftig am stärksten wachsende Zielgruppe in einer schrumpfenden Gesellschaft: Sie coachen und begleiten alterserfahrene, aber gründungsunerfahrene "Silverpreneure" auf den ersten Schritten zum eigenen Unternehmen. Die IHK-Gründungsberatung stellt in der Kategorie "Ü50" seit 2007 einen Anstieg von zwölf auf über 20 Prozent fest.
Wie die nächste Generation der Entrepreneure aussieht, ist aber nicht primär eine Altersfrage, sondern eine des Mindsets. Die einflussreichsten Entrepeneure der Zukunft sind wohl keine coolen Mitzwanziger, die wie Mark Zuckerberg mit Badelatschen ins Büro kommen. Denn auch Konzerne erkennen inzwischen, dass die Förderung unternehmerischen Denkens und Handelns ihrer Mitarbeiter nicht zum gefürchteten Brain Drain führt, sondern vielmehr dazu beiträgt, die besten Köpfe langfristig an Bord zu halten.
Intrapreneure – Gründer innerhalb bestehender Unternehmensstrukturen – arbeiten irgendwo zwischen Fikus und Firmenwagen mit Hilfe von Silicon-Valley-Philosophien wie der lean Startup-Methodik. Sie pitchen Ideen, um die besten Köpfe aus anderen Abteilungen für ihr Team abzuwerben, und nutzen unternehmensinterne Venture Capital Fonds, um Visionen in die Tat umzusetzen.
Auch die Ziele und Visionen, die umtriebige Gründer sich vornehmen, sind einem Wandel unterzogen. En vogue sind zurzeit vor allem zwei Formen der Entrepreneurship, die auf den ersten Blick nicht unterschiedlicher sein könnten. "Finanz-Innovationen" wurden bislang von linken Blockupy-Aktivisten und Tante Erna gleichermaßen als Grundübel und Wurzel der Finanzkrise wahrgenommen. Jetzt kommen mit den sogenannten Fintechs technologiegetriebene, agile Störer in den Markt, die die verschlafene und bislang noch bit- und bytearme Branche mit Stichworten wie Robo-Advice, Crowdfunding oder Cryptocurrency ordentlich wachrütteln.
Während die einen dem "glasfaserschnellen" Geld hinterherrennen, treiben auf der anderen Seite des Spektrums soziale und ökologische Aktivisten "in disguise" die kapitalistische Sinn-Maximierung voran. An Orten wie den Social Impact Labs in Frankfurt, Leipzig und Potsdam nutzen sie betriebswirtschaftliche, zuweilen ebenfalls stark technologie- bzw. datengetriebene Geschäftsmodelle, um nicht nur ökonomische, sondern auch gemeinwohlorientierte ROIs zu generieren.
Diese neuen Tendenzen lassen ein gründungsfreundlicheres Klima entstehen. Nicht nur im vermeintlichen Startup-Hotspot Berlin, sondern überall im "Land der Ideen". Denn coden, pitchen und Venture Capital auftreiben kann man auch im polyzentrischen Rhein-Main-Gebiet, im Ruhrpott oder in einem Industriegebiet auf der grünen Wiese in Ostwestfalen-Lippe.
Dieser Text entstand in Zusammenarbeit mit Xing-Spielraum.