Der größte Hebel für eine zukunftsweisende Wirtschaft liegt nicht im „Was”, sondern im „Wie”: Unternehmen von morgen sind sozial innovativ und kultivieren die innere Vielfalt.
Von Kirsten Brühl (09/2015)
Der größte Hebel für eine zukunftsweisende Wirtschaft liegt nicht im „Was”, sondern im „Wie”: Unternehmen von morgen sind sozial innovativ und kultivieren die innere Vielfalt.
Von Kirsten Brühl (09/2015)
Neue Produkte, innovative Materialien, digitalisierte Prozesse – wenn wir über die „Next Economy" reden, denken wir erst einmal an das, was in Zukunft produziert wird. Ob es vielleicht ein bisschen weniger sein soll, effizienter produziert, mit weniger Abfällen im Gepäck, nachhaltiger oder lokaler hergestellt. Das grundlegende „Wie" der Produktion haben wir oft weniger stark im Fokus: Auf welche Weise werden wir zusammenarbeiten in den Unternehmen der Zukunft, wie kommen wir zu Entscheidungen, wie tragen wir Verantwortung und wie lösen wir miteinander Konflikte?
Doch der größte Hebel für Veränderung liegt genau hier: in der sozialen Innovation – und in dem neuen Bewusstsein, das mit jeder neuen Form der Zusammenarbeit einhergeht. Kaum eines der neuen Geschäftsfelder der Green Economy ist nämlich denkbar ohne die Weiterentwicklung unserer Organisationen und vor allem nicht ohne Update der eigenen „mentalen Software".
Innovative Organisationen entstehen nicht am Reißbrett, sondern durch die Weiterentwicklung von uns selbst und unserer Sicht auf die Welt. Das ist ein zutiefst innerer Prozess. „Vielleicht müssen wir Zugang zu einer neuen Bewusstseinsstufe und einer neuen Weltsicht finden, um unsere Organisationen neu zu erfinden“, schreibt auch Frederic Laloux. Der Berater ist dabei beileibe kein Esoteriker, sondern INSEAD-Absolvent und ehemaliger McKinsey-Mitarbeiter. In „Reinventing Organizations“ (2014) untersucht er die Prinzipien der sogenannten „evolutionären Organisationen“, die an vielen Stellen der Welt gerade entstehen. Ihre Prinzipien: Selbstführung, also keine Hierarchien mehr, Ganzheit im Sinne von Platz für den ganzen Menschen und nicht nur für das „berufliche Selbst“ sowie Raum für organische Weiterentwicklung aus sich heraus statt die Zukunft vorhersagen oder sie zu kontrollieren zu wollen.
Die Notwendigkeit für neue Organisationsformen ergibt sich aus der zunehmenden Vernetzung der Welt, in der wir leben. Denn die erzeugt Komplexität. Was inzwischen fast wie ein leicht ausgeleiertes Mantra klingt („vernetzt“, „komplex“), zwingt uns in der Praxis zu einem Paradigmenwechsel, der noch längst nicht vollzogen ist. Wenn ein System Komplexität im Außen gut kontern will, so weiß man in der Kybernetik seit den 50er Jahren und Ashby’s Law, muss es auch im Innen flexibel bleiben und viele unterschiedliche Zustände einnehmen können. Um zukunftsfähige Unternehmen zu entwickeln, müssen wir also diese innere Vielfalt generieren und kultivieren.
Um in der Next Economy anzukommen, brauchen wir einen Zweischritt. Persönliche Entwicklung und die Entwicklung neuer Organisationen muss in Zukunft Hand in Hand gehen. Zukunft braucht daher souveräne Menschen, die sich als Teams und als Einzelne den Herausforderungen persönlicher Entwicklungsprozesse stellen. Offene Kollaboration, Transparenz, das gemeinsame Aushalten von Unsicherheit. Das alles sind Fähigkeiten, die wir für die Next Economy dringend entwickeln müssen, und die den Boden bereiten für neue Formen von Organisationen.
Kirsten Brühl arbeitet als Zukunftsforscherin und Speakerin für das Zukunftsinstitut sowie unter dem Slogan „LinkingMinds“ als Business-Coach und Beraterin in eigener Praxis. Ihre Themen sind die Arbeitswelt der Zukunft und New Leadership. Beim Zukunftsinstitut ist 2015 ihre Studie „Die neue Wir-Kultur“ erschienen.