Diversity in Startups

Warum gibt es in den meisten Startups weniger Diversity als in klassischen Unternehmen? Wo bleibt der Gender Shift in der Startup-Szene?

Von Robert Franken (02/2017)

Pexels / rawpixel.com / CC0

Diversity ist zu einem recht unscharfen Konzept geworden. Wir übersetzen es mit "Vielfalt" und meinen damit u.a. Vielfalt an Geschlechtern, Alter, Ethnien, Fähigkeiten, Herkunft, Sozialisation, Meinungen oder Herangehensweisen. Daraus ist eine gewisse Willkürlichkeit abzulesen. Beziehungsweise der Versuch, das Diversity-Konzept dem jeweils gewünschten und gerade passenden Kontext einzuverleiben.

Hierzulande geht es bei der Diskussion auch häufig um Gender. In unserem Kulturkreis scheint das biologische wie soziale Geschlecht wahrnehmbarer zu sein als andere Diversity-Aspekte. Dennoch sollte man in der Debatte auch zu unterscheiden lernen: Trennschärfe birgt Überzeugungskraft. Vielfalt wird im eingangs genannten Deutungsraum vielfach als Vorbedingung für Innovation verstanden. In Zeiten von VUCA (Volatility, Uncertainty, Complexity, Ambiguity) gilt die Summe möglichst unterschiedlicher Teile als Schlüssel zur Bewältigbarkeit unwägbarer Zukunftsszenarien – und in diesem Zuge Gender Balance quasi als Minimalkonsens.

Der Blick richtet sich beim Thema Innovation gleichzeitig unmittelbar auf die Startup-Szene. Sie gilt als Nukleus für neue Ideen, neue Technologien und neue Formen der Zusammenarbeit. Doch legt man hier die Diversity-Messlatte an, so fällt der Realitätsabgleich mitunter recht ernüchternd aus. Subjektiv wirken die Gründerteams, die einem aus den Timelines von Deutsche Startups oder Gründerszene entgegenblicken, sehr homogen. Vom Gesichtsausdruck über den Kleidungsstil bis hin zum Geschlecht: Man(n) gleicht sich sehr. Ist der eigenen Wahrnehmung an dieser Stelle zu trauen?

Ein Blick in die Statistiken bestätigt den Anfangsverdacht: Deutsche Startups mögen in Sachen Vielfalt der Geschäftsmodelle punkten können – bei der Zusammensetzung ihrer Gründer-Teams bleibt das System sehr eindimensional, sehr männlich und sehr weiß.

Das Global Startup Ecosystem Ranking 2015 des Datendienstleisters Compass untersucht die Startup-Metropolen. Danach waren in Berlin, das hierzulande als Aushängeschild der Szene gilt, gerade einmal neun Prozent der Gründer weiblich. Zum Vergleich: Im Silicon Valley lag dieser Anteil bei 24 Prozent, in Chicago gar bei 30 Prozent. Und laut dem Deutschen Startup Monitor gab es zwar insgesamt einen Anstieg bei den Gründerinnen im Vergleich zum Vorjahr, dennoch wurden 2015 in Deutschland lediglich 13 Prozent aller Startups von Frauen gegründet.

Gleichzeitig mehren sich Hinweise, dass Diversity ein wesentlicher Erfolgsfaktor für Startups ist, doch die Tech-Gründer scheinen nach wie vor ein Problem mit dem Transfer solcher Erkenntnisse und Forschungsergebnisse zu haben. Nach einer Studie von Lawless Research erkennen 81 Prozent der Gründer an, dass Diversity ein Treiber für Innovation und Kreativität ist, doch nur zwölf Prozent haben mehr als fünf Angestellte mit entsprechendem Background. Und so bleibt alles beim Alten: Satte 84 Prozent des Entwickler-Teams bei Facebook sind männlich, ebenso wie 70 Prozent der Google-Angestellten.

Das bringt einen unweigerlich zur Frage nach Henne und Ei. "Seeing is believing" heißt das Credo, daher ist es eigentlich fatal, wenn die mit einer Gründerszene assoziierten und transportierten Bilder in der überwiegenden Mehrheit Männerteams zeigen. Langfristig wird so eher das Problem manifestiert, als dass etwa Frauen dazu ermutigen würden, ein Unternehmen zu gründen.

Doch es geht nicht nur um Bilder, es geht um Startbedingungen und Organisationskulturen. Unsere Systeme, in denen wir leben und arbeiten, basieren auf einer männlichen Norm. Durch die Prägung in und mit diesen Systemen bilden und verfestigen sich Stereotype und unbewusste Wahrnehmungs- und Beurteilungsverzerrungen. Solche "unconscious bias" zu erkennen, zu reflektieren und ihre Bedingungen an unterschiedlichen Stellen auszuhebeln, gehört mit zu den schwierigsten Unterfangen überhaupt.

Hinzu kommt, dass das Prinzip Diversity bei der Zusammensetzung von Startup-Gründerteams eher eine untergeordnete Rolle spielen dürfte. Solche Teams finden sich häufig im Studium. Und dort greift bereits das Phänomen der homosozialen Reproduktion: Man umgibt sich mit Gleichgesinnten. Frühestens beim Geschäftsverteilungsplan fällt dann vielleicht auf, dass komplementäre Fähigkeiten durchaus eine Grundvoraussetzung für unternehmerischen Erfolg sind bzw. gewesen wären.

Vielleicht ist es an dieser Stelle auch sinnvoll, die Startups einmal ein wenig aus der Schusslinie zu nehmen. Denn auch wenn diese ganz sicher über ein enormes Innovationspotenzial verfügen: Zur gesellschaftlichen Blaupause taugen sie nicht. Und schon gar nicht zu einer Art normativem Soziotop.

Es wäre vielleicht sogar zu viel verlangt, wenn ausgerechnet diejenigen Unternehmen, die aufgrund der bekannten Investoren-Logik unter großem Druck stehen, gesellschaftliche Veränderungen vorantreiben sollen. So lange Vielfalt kein KPI auf der Liste der Geldgeber ist, bleibt für Startups ein Engagement in diesem Bereich mehr oder weniger dem Zufall oder dem ganz persönlichen Engagement einiger, weniger Gründer überlassen.

Stattdessen bleiben Politik sowie größere Unternehmen und international agierende Konzerne in der Pflicht. Umso mehr, als die Vorteile von Diversity inzwischen vielfach bewiesen wurden. 2015 zeigte die McKinsey-Studie "Why Diversity Matters", dass Unternehmen, die im Bereich Gender Diversity vorne lagen, ihre jeweiligen Wettbewerber um 15 Prozent übertrafen, während diejenigen Unternehmen, die sich im Bereich Vielfalt an Ethnien als Top-Performer erwiesen, sogar um 35 Prozent besser abschnitten als ihre Konkurrenten.

Andere Untersuchungen haben ergeben, dass weiblich geführte Startups ein um 35 Prozent höheres ROI (Return on Investment) erzielen. Und Intel fand heraus, dass Umsatz, Ertrag und Marktwert eines Unternehmens unmittelbar davon abhängen, wie vielfältig die Mitarbeiterschaft zusammengesetzt ist.

Worauf warten wir also? Auf Quoten und Vorgaben? Vielleicht wäre es ein erster wichtiger Schritt, wenn die globalen Rankings für Startup-Metropolen ihre Kriterien anpassen würden. Das bereits erwähnte Global Startup Ecosystem Ranking etwa legt aktuell folgende Indizes für die Bewertung der Regionen an: Performance, Funding, Talent, Market-Reach, Startup-Experience, Growth. Von Diversity oder Gender Balance ist nicht die Rede. Hier wäre ein guter Ansatzpunkt um deutlich zu machen, dass Unternehmen sich zukünftig auch an anderen Kritisieren messen lassen müssen, als an den klassischen Erfolgskennzahlen neoliberaler Wirtschaftssysteme.

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