Ein Muskel wächst in der Regenerationsphasen, nicht während des Trainings. Es ist das „Wirkenlassen“, das die schweißtreibenden Anstrengungen in Wachstum umwandelt. Was im Spitzensport seit jeher über High-Performance-Ergebnisse entscheidet, findet auch in der Gesellschaft und in Unternehmen Zuspruch: Vorbei sind die Zeiten, in denen fatalerweise angenommen wurde, dass „Work-Hard“-Parolen die Antwort auf zunehmende Anforderungen seien. Wer sich heute erfolgreich in der neuen Arbeitswelt bewegen will, muss wegkommen davon, immer härter, mehr und schneller zu arbeiten, zurück zu einem menschlichen, gesunden Maß. Dieses neue Bewusstsein für „Work Smart“ lässt 9-to-5-Jobs immer mehr zu einem unattraktiven Relikt einer auslaufenden Leistungsgesellschaft werden.
Die Mühlen der Arbeitswelt sind unfreiwillig entstanden: Wir hatten in der westlichen Welt gar keine Wahl, ob wir überhaupt Teil der Leistungsgesellschaft
Nichtstun und Muße sind gerade dabei, sich zu einem erstrebenswerten und zugleich verklärten Ideal einer Leistungsgesellschaft am Limit zu etablieren
werden wollten, sondern nur die Wahl, welchen Platz wir darin einnehmen möchten. Und sogar dies ist abhängig von familiärer Prägung und Herkunft. Sobald wir uns entscheiden, im Spiel nicht mitzumachen, oder wenn wir nicht vollen Einsatz zeigen, stigmatisieren wir uns selbst als Minderleister, Schmarotzer und als jemanden, dessen gesellschaftliche Relevanz gering ist. Unser Selbstwertgefühl ist damit verbunden, wie sehr wir durch unsere Arbeit wirken: Wir definieren uns über den Job und unsere Leistung.
Denken wir zurück an unsere Kindheit: Damals hätten wir uns niemals vorstellen können, eines Tages circa 40 Stunden pro Woche für fremde Menschen zu arbeiten und dabei nur 25 Tage frei zu bekommen – wohlgemerkt auch nur dann, wenn dies der Chef erlaubt. Nein, wir hätten uns wahrscheinlich umgedreht und beschlossen, weiter an unserer Sandburg zu bauen, nur von den Grenzen unserer Vorstellungskraft und den Ausmaßen des Sandkastens beschränkt. Der Wandel der Arbeitswelt ist in vollem Gange, und langsam, aber stetig verlieren die Vertreter der Leistungsgesellschaft an Einfluss und werden an ein menschliches Maß der Arbeit erinnert.