Die neue Nähe zwischen Handwerk, Produkt und Konsument
Durch die gekonnte und „meisterliche“ Inszenierung vor allem von Herstellungsprozessen werden in Zukunft wieder intensivere Verknüpfungen zwischen dem Produkt, dem Produzenten und dem Kunden entstehen. Und dabei spielt das Handwerkliche, auch dort, wo es mit viel Technik unterstützt wird, eine große Rolle. Denn um mit Inszenierungen punkten zu können, wird mehr benötigt als schöner Schein. Sie müssen uns als Konsumenten dabei unterstützen, Erfahrungen auf unterschiedlichen Ebenen machen zu können. Und das heißt, die einzelnen Elemente bei der Präsentation von Lebensmitteln so zu orchestrieren, dass sie gleichzeitig mehrere Sinne ansprechen und damit in Erinnerung bleiben. Nur so erlangen sie Zutritt zu unserem Langzeitgedächtnis, und nur so können sich Informationen in Wissen verwandeln. „Richtige“ Foodies nehmen sich – anders als „Spontan-Hedonisten“ – auch die nötige Zeit dafür.
BEST PRACTISE: Lingenhel - Die Stadtkäserei zu Wien
Johannes Lingenhel bietet mitten in Wien eine Kombination von Shop, Gastronomie und Handwerk rund um den Käse. Denn der Genuss beginnt nicht erst beim Verkosten, sondern bereits bei der Herstellung. Diese ist ein wahres Erlebnis – und soll den Städtern nicht vorenthalten werden. Die Nähe zum Produkt kann man in der Werkstatt bei Käsekursen mit allen Sinnen erfahren: „Mit beiden Armen im lauwarmen Käsebruch, dem Duft von frischer Molke in der Nase, der Ruhe beim Rühren und dem Staunen über die wundersame Verwandlung von bester Milch in herrliche selbstgemachte Käsekreationen.“ Dies können Käsefans einmal im Monat in den sechsstündigen Kursen unter Anleitung von Robert Paget und Johannes Lingenhel ausprobieren. Auch ohne alpine Sennerei-Atmosphäre ein unvergessliches Erlebnis. www.lingenhel.com
Resonanz durch sinnliche Verführung
Es geht dabei aber nicht nur darum, Emotionen zu wecken oder neue Bedürfnisse zu schaffen. Es geht darum, über sinnliche Verführung Sinn zu manifestieren, Zusammenhänge klarzumachen, Geschichten – über Produkte und Produzenten – zu erzählen, Wissen zu vermitteln und – über Zertifikate, Gütesiegel und Kennzeichnungen hinaus – Vertrauen herzustellen. Kurz: Resonanz zu erzeugen und zu erfahren. Denn beim Essen dreht es sich immer auch um soziale Beziehungen. Und das betrifft nicht nur die sprichwörtliche Tischgemeinschaft, sondern auch die Beziehungen zwischen Produzenten und Konsumenten.
BEST PRACTISE: Zotter - Das Schoko-Laden-Theater
Vielfalt, Qualität, Kreativität, Nachhaltigkeit und 100 Prozent bio und fair lautet das Versprechen der renommierten österreichischen Schokoladenmanufaktur Zotter. Rund um den Betrieb ist in den vergangenen Jahren eine bunte Erlebniswelt entstanden, die kleinen und großen Schleckermäulchen anschaulich die weite Welt der süßen Verführung erklärt. Die Besucher des Schoko-Laden-Theaters in Riegersburg in der Steiermark erfahren, wie die Kakaobohnen geröstet werden, das Schokoladenpulver feingewalzt wird und wie aus dem Pulver beim Conchieren eine aromatische, schmelzende Schokomasse wird. Die Entstehung von Schokolade kann mit allen Sinnen erfahren werden: Eine Filmreise führt zu den Kakaobauern in Lateinamerika, frisch geröstete Kakaobohnen aus vielen unterschiedlichen Herkunftsländern können ebenso verkostet werden wie die weiteren Zwischenschritte der Schokoladenproduktion. www.zotter.at
Meet Food: Trendprognose
Je intensiver sich Konsumenten mit Kalorien und Vitaminen, Zusatzstoffen und Allergenen, Fetten und Kohlenhydraten beschäftigt, also ihr Ernährungswissen optimiert haben, desto mehr haben sie die Gelegenheiten vernachlässigt, ihr kulinarisches Erfahrungswissen zu erweitern. Foodies oder solche, die es gerne werden möchten, wollen Lebensmittel aber wieder mit allen Sinnen wahrnehmen. Sie wollen wieder „näher ran“ ans Produkt und den Produzenten über die Schultern schauen. Für Produzenten eröffnet sich damit die Chance, ihre handwerkliche Meisterschaft zu zeigen, die Qualität ihrer Produkte anschaulich zu vermitteln und damit ein neues Vertrauensverhältnis aufzubauen.
Ein gekürzter Auszug aus dem „Food Report 2018“