Die systemischen Dynamiken widersprechen einer solch binären Herangehensweise, jedoch schienen die Silos der politischen Ideologien und die Zukunftsangst in der Bevölkerung damals eine ganzheitliche Lösung unmöglich zu machen. Angenommen, Realpolitik hätte den Anspruch, ihrem Mandat nachhaltig und integer gerecht zu werden ... wir hätten uns gewünscht, die Entscheiderinnen hätten sich nicht auf ihre Ich- und Wir-Inseln zurückgezogen, sondern in den Future Room. Dort hätten wir das Vereinigte Königreich und seine Rolle innerhalb der EU und der Welt systemisch beleuchten können. Angefangen mit der Zukunftsfrage. Diese hätten wir in einen strategisch relevanteren und offeneren Rahmen gesetzt, beispielsweise:
„Was ist in Zukunft die Rolle des Vereinigten Königreichs in einer vernetzten Welt?“
Komplexität benötigt eine Synthese der verschiedenen Dynamiken. Politik im Allgemeinen – und populistische Politik im Speziellen – möchte jedoch das Gegenteil erreichen. Der Dialog, den wir medial beobachten konnten, zeigte, wie aktiv mit den Blind Spots der Bevölkerung gespielt wurde. Anstatt Sie zu beleuchten, wurden sie bewusst im Dunkeln gelassen.
Das Spiel mit den Blind Spots
Nehmen wir ein Beispiel: Geld, welches in die EU fließt, soll nach dem Brexit in den National Health Service fließen. Dabei handelt es sich um eine falsche Äquivalenz zwischen illoyaler Allokation von Geld für Fremdkontrolle anstatt Geld für die Gesundheit „unserer Britinnen“. Es ist verständlich, dass Bürgerinnen allgemein in ihrem Alltag keine Finanzierungsanalysen vornehmen, um zu realisieren, dass man ihnen hier ein Luftschloss verkauft. Die wachsende Komplexität überfordert viele, was der reaktionären Politik den Weg ebnet. Mit Versprechen wie „Great Again“ und Mythen einer glorreichen Vergangenheit befeuert die Politik die emotionale Bindung an die nationale Identität, jedoch lässt man völlig außen vor, dass es sich bei Großbritannien um eine Insel handelt, welche vor der EU ein globales Netzwerk an extraktiven Ressourcen besaß. Die EU und die sukzessive Dekolonisierung der Welt bedeutet, dass das Vereinigte Königreich keineswegs zu dieser „glorreichen“ Vergangenheit zurück kann, sondern im schlimmsten Fall allein dasteht und riskiert, europäische Firmen und Investoren zu verjagen.
Die zentralisierte Macht in England verstellte dem öffentlichen Diskurs den Blick darauf, dass Schottland und Irland ebenso EU-Mitglieder sind. Der Norden Irlands wird eine Grenze mit der Republik Irland und somit mit der EU teilen. Damit riskiert England ein weiteres Referendum zur Unabhängigkeit in Schottland und möglicherweise eine Wiedervereinigung Irlands. Diese Blind Spots resultierten aus der gleichen Überheblichkeit und Kurzsichtigkeit, welche die Brexit-Parteien bei allen, für die Entscheidung relevanten Themen, an den Tag legten. Anstatt die Blind Spots zu beleuchten und so neue Perspektiven auf Chancen und Potenziale zuzulassen, wurden die bereits vorhandenen Perspektiven verfestigt.
Das Modell der „Lazy 8“, auch „Adaptive Loop“ genannt, kommt aus der Resilienzforschung und besteht aus der horizontalen Achse „Institutionalisierung“ und der vertikalen Achse „Ressourcen“. Das Vereinigte Königreich zu Zeiten des Brexit befindet sich hoch im rechten Quadranten, kurz vor einer vermeintlichen Krise. An diesem Punkt wollen viele Organisationen den Status Quo aufrechterhalten, jedoch schlagen die Brexit-Parteien vor, aufgrund der „Weak Signals“, die sie sehen, von der EU loszulassen.