Der Handel der Zukunft ist kollaborativ

Das Konzept des Community Retail bringt Produzent und Konsument auf Augenhöhe zusammen - auch in Produktions- und Vermarktungsprozessen

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Die Trends Collaborative Consumption und Shareconomy fordern dem Handel neue Konzepte ab: Community Retail beschreibt die Verschmelzung von Produzent und Konsument. Käufer und Verkäufer werden zu gleichberechtigten Partnern, nicht nur im Verkaufs-, sondern bereits im Herstellungsprozess, in der Sortimentsauswahl, in der Produktgestaltung und in der Vermarktung. Verkaufen ist ein gemeinschaftliches Unterfangen, das den einstigen Verbraucher zum kreativen Sales Associate macht. Das reelle Ladengeschäft wird dabei zum Kreativ-Hub für einen kollaborativen Handel der Zukunft.

Der mündige Konsument ist nicht nur besser informiert als je zuvor, er fordert auch ein Mitspracherecht. Seine Macht und sein Einfluss sind enorm. – Das beweisen meist Negativbeispiele wie Shitstorms, die in der Online-Kommunikation über ein Unternehmen niedergehen. Inzwischen steht nicht mehr nur der Verkäufer zwischen einer Marke und dem Kunden. Überinformierte Kunden sind bereit, Ratschläge und Empfehlungen auszusprechen oder beim Verkauf zu helfen – erwarten dafür aber auch eine entsprechend honorierende Gegenleistung.

Der Kunde als Innovator

In ihrer Studie „User-generated versus designer-generated products“ (International Journal of Research in Marketing 2/2013) zeigen Hidehiko Nishikawa, Martin Schreier Die Zukunft des Point of Sale liegt sprichwörtlich in den Händen der Konsumenten” und Susumu Ogaw, welche Vorteile Open Innovation und Crowdsourcing für den Handel bieten können. In Kooperation mit dem japanischen Retailer Mujo untersuchten die Forscher, ob es Unterschiede in den Verkaufszahlen von Produkten gibt – in diesem Fall Möbel –, wenn sie von Konsumenten entworfen wurden oder aus der hauseigenen Designabteilung stammten. Das verblüffende Ergebnis: Im ersten Jahr nach der Produkteinführung waren die Verkaufserlöse der nutzergenerierten Objekte dreimal so hoch wie die aus der Designschmiede. Diese Effekte verstärkten sich über die Jahre noch. Drei Jahre nach Markteinführung, so die Autoren, hatten mehr Produkte „überlebt“, die von Kunden gestaltet wurden, als solche, die von Designern entwickelt wurden.

Der Kunde als Markenbotschafter

Eine aktuelle Studie des Handelsforschungsunternehmens Conlumino in Zusammenarbeit mit dem E-Commerce-Partner Webloyalty in Großbritannien belegt, dass 49 Prozent der Konsumenten, die Mitglied in einem Sozialen Netzwerk sind, mit einem Retailer via Social Media interagiert haben. Doch nur knapp vier Prozent der Befragten haben über Social-Media-Kanäle einen Kaufabschluss getätigt. Das entspricht gerade einmal 0,5 Prozent der gesamten Handelsumsätze. Social Networks werden weniger zum Kaufen von Produkten genutzt, als vielmehr um Ideen zu sammeln und Neuigkeiten über Marken zu erhalten. Ein Drittel der Konsumenten machen ihre Kaufentscheidung von Empfehlungen anderer abhängig.

Ken Morris, Chef des Beratungsunternehmens Boston Retail Partners, beschreibt die Entwicklung vom Verkaufsort zum Customer-Point-of-Sale: „Die Zukunft des PoS liegt sprichwörtlich in den Händen der Konsumenten. (...) Laut einer Studie der Harvard Business Review nutzen Konsumenten ihre Smartphones zu 19 Prozent der Zeit für Socializing. Dieses Feedback von Freunden ist wichtig für Konsumenten. Und Händler, die diese Möglichkeiten während des Einkaufens anbieten, können Vertrauen schaffen und loyale Kundenbeziehungen aufbauen.“

Dieser Artikel ist in folgenden Dossiers erschienen:

Dossier: Handel

Dossier: Handel

„Handel ist Wandel“ – das ist die Devise einer Handelslandschaft. Das Flächenwachstum im stationären Einzelhandel stößt an seine Grenzen und im Internet wird die Handelswelt neu vermessen.

Folgende Menschen haben mit dem Thema dieses Artikels zu tun:

Janine Seitz

Die studierte Kulturanthropologin ist seit 2008 Redakteurin des Zukunftsinstituts. Ihr Fokus: die Zukunft des Handels, Digitalisierungstrends und Global Sustainability. Als Projektleiterin verantwortet Seitz die inhaltliche Koordination der Branchen-Reports.