„Technologie ist nicht gleich Innovation“

Studienleiterin Lena Papasabbas erläutert im Interview exemplarisch drei Thesen der Trendstudie Future Products, erklärt den Blindspot beim Thema Innovation und gibt einen Einblick darin, wie zukunftsfähige Produktentwicklung gelingt.

Zu Innovation wurde schon viel gesagt und geschrieben. Welche neuen Inputs bringt das Zukunftsinstitut mit seiner Studie Future Products in die Diskussion ein? 

Wir haben gesehen, dass beim Thema Innovation ein gigantischer Blindspot entstanden ist. Es geht fast ausschließlich um Technologien und die technologische Machbarkeit. Der tatsächliche Nutzen des neuen Produkts oder Services, was und ob es dem Einzelnen oder der Gesellschaft etwas bringt, diese Frage wird gar nicht mehr ernsthaft gestellt. Genau da setzen wir an, denn es braucht eine neue Perspektive auf Produkte und Innovation.

Wie gehen Sie in „Future Products“ an das Thema heran?

Wir haben unser Expertennetzwerk genutzt und uns mit einer Reihe kluger Köpfe auseinandergesetzt. Matthias Laschke etwa, ein innovativer Designer, der mit seinen Produkten für positive Irritationsmomente im Alltag sorgt. Dr. Carmen Hijosa arbeitete 13 Jahre lang in der Fashionbranche. Der Besuch einer Lederproduktion erschütterte sie derart, dass sie zu einer Cradle-to-Cradle-Pionierin wurde und nun eine Lederalternative aus Ananasfasern herstellt. Hendrik Haase (aka Wurstsack), einer der einflussreichsten Food-Influencer Deutschlands, kommt in der Studie ebenso als Experte zu Wort wie Dr. Stephan HerbstTechnical General Manager bei Toyota, um nur einige zu nennen.

Diese Inputs haben wir mit unseren Erkenntnissen aus der Trend- und Zukunftsforschung in Verbindung gesetzt und sie im Kontext der Megatrends analysiert. Das Ergebnis sind 9 Thesen, die ausdrücken, was Produkte auszeichnet, die in Zukunft erfolgreich sein werden. Jede der Thesen wird von Best Practices, also ganz konkreten Produkten, untermauert. Insgesamt zeigen wir 91 kontextualisierte Innovationen und bilden damit sowohl Theorie als auch Praxis ab.

Welche Thesen vertreten Sie dabei?

Etwa dass eine Circular Economy Anfang und Ende eines Produktes eliminiert. Im Grunde wird kein Müll mehr produziert, weil Produkte von Anfang an in Kreisläufen konzipiert werden. Nichts ist mehr Müll, sondern alles in irgendeiner Form Rohstoff. Diese These kommt gerade langsam in den Industrien an, befeuert beispielsweise vom Plastikproblem, das den Mainstream erreicht hat. Post Plastic nimmt in diesem Kapitel eine wesentliche Rolle ein.

Eine These besagt, dass Wearables von Disappearables abgelöst werden. Der Nutzen von Wearables wird geschätzt, allerdings soll der eigene Körper nicht von blinkenden Geräten übersät sein. Das Potenzial der smarten Alltagshelfer, die fast oder gänzlich unsichtbar an und in unserem Körper beispielsweise Werte tracken und Bewegungen analysieren, ist gerade für den Gesundheitssektor riesig.

Komplexitätsreduzierer bilden die Grundlage einer weiteren These. Da unsere Welt – vor allem durch Technologie – immer komplexer wird, gewinnen gerade Technologien an Attraktivität, die dem entgegenwirken und das Leben wirklich vereinfachen. Etwa durch kluges Auswählen und Kuratieren oder indem sie echte Transparenz schaffen.

Wem hilft die Studie?

Offensichtlich ist die Studie natürlich interessant für all jene, die sich mit Produktentwicklung beschäftigen. Im Grunde betreffen die Themen aber alle, die im End-Consumer-Bereich arbeiten, beispielsweise auch im Marketing. Die Studie ist nicht nur eine Auflistung von Produkten der Zukunft, sondern zeigt auch, warum sie es sind und auf welche neuen Logiken und Werte es ankommt. Gerade in Kombination mit den Erkenntnissen über die neuen Lebensstile zeichnet diese konkret auf Produkte abzielende Studie ein sehr deutliches Bild davon, was die Menschen – und potenzielle Kunden – in Zukunft wollen.

Welche Erkenntnis der Studie hat Sie persönlich am meisten überrascht? 

Da komme ich noch einmal auf die Circular Economy und das Thema nachhaltige Produktentwicklung zurück. Uns am Zukunftsinstitut begleitet das Thema ja schon seit Längerem, überraschend ist aber, wie viel mittlerweile auf diesem Gebiet in der Industrie passiert ist und wie ernst das Thema genommen wird. Da sehen wir heute deutlich, dass man ein paar Schritte weiter als noch vor zwei, drei Jahren ist. Auch die großen Konzerne sind interessiert, engagieren sich und kooperieren mit den Start-ups, die wir in der Studie vorstellen. Das Thema ist richtig angekommen.

Dieser Artikel ist in folgenden Dossiers erschienen:

Dossier: Innovation und Neugier

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Wie entstehen Produkte und Dienstleistungen? In der komplexen Netzwerköonomie wird Innovation immer wichtiger: die Fähigkeit, neue Sichtweisen einzunehmen, neue Ideen zu entwickeln und neue Zukunftsperspektiven für Organisationen zu entwerfen.

Dossier: Marketing

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Wir stehen vor einer Marketing-Zäsur. Selbstbewusste, ermächtigte Kunden werden Marketing in Zukunft anders bewerten. Mehr Marketing wird nicht mehr automatisch für mehr Absatz sorgen. Künftig werden Konsumenten nur dann zu echten Kunden, wenn die Vertrauensbilanz stimmt.

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