In einer Ökonomie der Neugierigen lernen Unternehmen voneinander und inspirieren sich zu Cross-Innovationen für neue Märkte.
Von Dr. Carl Naughton und Andreas Steinle (12/2015)
In einer Ökonomie der Neugierigen lernen Unternehmen voneinander und inspirieren sich zu Cross-Innovationen für neue Märkte.
Von Dr. Carl Naughton und Andreas Steinle (12/2015)
Von Branchen, die ein Nischendasein fristen und unter erschwerten Bedingungen arbeiten, lässt sich viel lernen. Hier ist der Innovationsdruck meist am größten – und die Chancen auf neue Anregungen besonders hoch. Die Pornoindustrie bietet dabei ein besonders interessantes Beispiel: Sie hat eine hohe Nachfrage in breiten Bevölkerungsschichten, wird aber von keiner Lobby unterstützt – und hat deshalb eine erstaunliche Dynamik und Flexibilität entwickelt, von der andere Unternehmen lernen können. Die vier wichtigsten Learnings im Überblick:
In vielen Branchen lösen technische Neuerungen erst einmal Skepsis aus. Firmen versuchen den Status quo zu erhalten oder beharren aufgrund von Investitionen auf veralteten Technologien. Die Pornoindustrie hingegen begegnet Neuerungen keine andere Branche mit offenen Armen und großer Neugier. So gab es bereits 24 Stunden nach der Markteinführung des iPads eine erste auf tabletoptimierte Porno-Website. Generell war die Pornoindustrie anderen Branchen im Internet stets rund zwei bis drei Jahre voraus. Sie war Vorreiter bei Pop-ups, Bezahlinhalten, hochauflösendem Video-Streaming oder Geo-Location-Software zur Standortbestimmung. Es lohnt sich also, die technischen Features der Pornoindustrie im Blick zu behalten, insbesondere bei der Optimierung von Websites und E-Commerce-Angeboten.
Im Internet, wo jeder Kunde nur einen Klick von der Konkurrenz entfernt ist, macht es wenig Sinn, sich zu bekämpfen oder gegeneinander ausspielen zu lassen. Die Pornoindustrie hat das früh erkannt. So ist es Usus, auf die Seiten der Konkurrenz zu verlinken – mit dem Ziel, der gesamten Branche zum Wachstum zu verhelfen. Diese neue Form der Zusammenarbeit, genannt Coopetition, findet in immer mehr Branchen Verbreitung. Etwa in der Autoindustrie, wo konkurrierende Konzerne auf gemeinsame Antriebsentwicklungen zurückgreifen. Die Pornoindustrie zeigt: Das Knüpfen von Netzwerken führt zu Synergieeffekten, von denen letztlich alle profitieren. Je mehr sich übergreifende Plattformen im Internet entwickeln, desto wichtiger wird dieses Prinzip.
Auch in Sachen Kommunikation sind die Protagonisten der Pornoindustrie Pioniere. Pornostars aus den USA haben meist die aufwändigsten und bestgeführten Social-Media-Profile. Sie setzen gezielt Videochats ein und schaffen so ein Vertrauensverhältnis, das in Loyalität mündet. Content Marketing wurde in der Pornoindustrie schon lange praktiziert, bevor es als Konzept ins Marketing Einzug hielt. In dieser persönlichen Ansprache bewahrheitet sich ein Credo des berühmten Cluetrain-Manifests: „Märkte sind Gespräche. Die Märkte bestehen aus Menschen, nicht aus demografischen Segmenten.“
Medienunternehmen haben im Internet-Zeitalter mit einer stetigen illegalen Vervielfältigung ihrer Inhalte zu kämpfen. Die Pornobranche versteht es wie keine andere, trotz der Masse an Gratisinhalten, die online angeboten werden, nachhaltige Geschäftsmodelle zu etablieren. Denn es wurde schon früh begriffen: Wer etwas bekommen will, muss zuvor etwas geben. Das Freemium-Geschäftsmodell, das sich inzwischen im Journalismus etabliert hat, wurde von der Pornobranche massiv vorangetrieben: Vieles ist gratis, doch für speziellere (Premium-)Bedürfnisse oder Services muss bezahlt werden. So können aus Gelegenheitsnutzern Stammkunden werden.
Dieser Text ist ein gekürzter Auszug aus der Studie “Neugier-Management”.