Keine Angst vor den Maschinen

Von New Work zu Next Work: Die Digitalisierung schafft ein neues Miteinander von menschlicher und technologischer Intelligenz. 

Von Christian Schuldt (09/2016)

Pixabay / Skeeze / Astronaut - Robonaut / CC0

Wir sind nicht mehr allein. Intelligente Maschinen bevölkern schon heute unseren Alltag. In Zukunft werden sie uns nahtlos begleiten. Als stimmgesteuerte Personal Assistants, als automatisierte Übersetzer oder als selbstfahrende Autos. Die technologische Intelligenz ist wie ein neues Familienmitglied, mit dem wir auskommen müssen.

Einerseits ist das nichts Neues: Mensch und Technik stehen schon immer in einem Verhältnis der Co-Evolution. Und seit jeher neigt der Mensch dazu, Technik zu vermenschlichen – und seine Ängste auf sie zu projizieren. Ein Großteil des Science-Fiction-Genres lebt davon. Neu ist aber die Qualität und Komplexität der technologischen Veränderung. Die digitale Vernetzung lässt Innovationen nicht mehr nur in einzelnen Bereichen und Branchen entstehen, sondern zunehmend an den Schnittstellen – und mit immer "intelligenteren" Lösungen. Diese neue Komplexität macht einfache Erzählungen attraktiv.

Eine dieser Erzählungen ist die Geschichte von den intelligenten Maschinen, Robotern und Algorithmen, die uns Menschen die Arbeit wegnehmen – oder uns sogar zu ihren Untergebenen machen. Prominente Köpfe wie Bill Gates, Elon Musk oder Stephen Hawking warnen vor diesem düsteren Szenario.

Eine andere Geschichte erzählen die Technologie-Enthusiasten. "Robots Will Be The Biggest Job Creators In World History", verkündete das "Forbes"-Magazin 2015: Der technologische Fortschritt befreie uns von unnützer Arbeit, eine neue Ära der Arbeitsfreude oder der arbeitsfreien Selbstverwirklichung stünde bevor.

Beide Erzählungen reduzieren die komplexe Dynamik soziotechnischer Fortschritte auf simple, lineare Szenarien. Aber Gesellschaft ist keine statische, eindimensionale Größe. Sie ist ein komplexes, dynamisches System. Kein Job wird 1:1 von Maschinen ersetzt, und jeder technologische Fortschritt bewirkt vielfältige Verschiebungen. Auch im Ökosystem Arbeit.

Zum einen führt jede Automatisierung zu einer Aufwertung jener Jobs, die (noch) nicht automatisierbar sind. Etwa komplexe handwerkliche Tätigkeiten: Bis Maschinen eine Heizung installieren können, wird es noch lange dauern. Zum anderen öffnen neue Technologien den Blick für ganz neue Arbeitsfelder und Bedürfnisse. So wird die Digitalisierung eine neue Phase der Wissensarbeit einläuten, die genuin menschliche Fähigkeiten in den Fokus rückt: Kreativität, soziale Kompetenzen, emotionale Intelligenz – alles, was uns ermächtigt, in hypervernetzten Kontexten komplexe Entscheidungen zu treffen. Denn das smarteste aller Systeme ist und bleibt das menschliche Hirn.

Unser heutiges Selbstverständnis orientiert sich noch immer stark an kognitiven und rationalen Fähigkeiten. Aus dieser Perspektive ist es logisch, dass uns intelligente Maschinen bedrohlich erscheinen: weil wir uns selbst als intelligente Maschinen sehen. Doch in einer digitalisierten Welt brauchen wir ein komplexeres Selbstbild: Der Mensch als widersprüchliches, nicht auszurechnendes Sozialwesen. Erst diese Perspektive kann auch die Potenziale der digitalisierten Arbeitswelt erschließen.

Unternehmen müssen dafür heute die Weichen stellen. Entscheidend ist eine ganzheitliche Unternehmenskultur: ein Mindset, das Komplexität nicht blockiert, sondern fördert, um innovative Verknüpfungen zu ermöglichen. Nicht nur zwischen Mitarbeitern und Kunden sondern auch zwischen Mensch und Maschine. Denn in der hypervernetzten Welt von morgen werden wir technologischer Intelligenz immer mehr auf Augenhöhe begegnen.

Eine Ahnung davon liefert Spike Jonzes Film "Her", in dem sich der Protagonist in sein Betriebssystem Samantha verliebt. Smarte Sprachassistenten zeigen schon heute, wie diese Vision Realität zu werden beginnt. Unsere Beziehung zu smarter Technologie wird näher und intimer werden, und wir werden "Arbeit" neu definieren, so wie schon nach der Erfindung der Schrift oder des Buchdrucks.

Für diese Neuerfindung der Arbeit brauchen wir nicht nur ein neues Selbstverständnis, sondern auch ein neues Maschinenverständnis, das technologische Intelligenz ernst nimmt als integralen Bestandteil unserer Gesellschaft. Denn wir sind nicht mehr allein – aber dank digitaler Technologien können wir uns selbst besser verstehen und eine wirklich smarte Arbeitswelt gestalten.

Dieser Artikel entstand in Kooperation mit Xing Spielraum.

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