„Keiner will zu einer arroganten Firma“

Kommunikationsexpertin Beate Munding über die neue Recruiting-Realität – und wie sich Unternehmen den Herausforderungen eines veränderten Arbeitsmarktes stellen können.

Wie hat sich das Verhalten von Bewerbern in den vergangenen Jahren geändert? Wohin geht der Trend?
Beate Munding: Die Bewerber von heute sind selbstsicher und wissen, was sie wollen - und was nicht. Sie fragen nicht: „Was erwartet das Unternehmen von mir?“, sondern „Was tut das Unternehmen für mich?“ Dabei geht es nicht unbedingt um monetäre Vorteile. Viel wichtiger ist es den jungen Bewerbern, wie viele Überstunden gemacht werden, wie schnell sie Verantwortung übernehmen können und welche Sinnhaftigkeit der Job mit sich bringt.

Vor allem die gut ausgebildeten jungen Bewerber wissen, wie schwer es für Firmen in Deutschland inzwischen geworden ist, gute Mitarbeiter zu finden. Die Arbeitslosenzahlen sind so niedrig wie lange nicht mehr. Insofern sind sie in der privilegierten Situation, Forderungen stellen zu können. Vor einigen Jahren sah das noch ganz anders aus. Gute Stellen waren hart umkämpft und junge Bewerber mussten sich den Forderungen der Firmen unterordnen.  

Etwas anders ist es bei älteren Bewerbern. Für sie ist es auch heute nicht so leicht, einen guten Job zu finden. Die über 50-Jährigen sind heute deutlich kompromissbereiter als die jüngere Generation. Trotz der langjährigen Berufserfahrung wird Ihnen von Unternehmensseite oftmals weniger zugetraut. Und sie sind in der Regel teurer. Außerdem fürchten Unternehmen, dass ältere Mitarbeiter öfter krank sind und sie mit größeren Ausfallzeiten rechnen müssen. Dazu kommt, dass gerade die Baby Boomer Generation gelernt hat, sich unterzuordnen. Das gilt leider vor allem für Frauen.

Aber nicht alle Unternehmen finden sich mit dem harten Kampf um gut ausgebildete junge Bewerber in Deutschland ab. Vor allem international agierende Firmen sehen sich zunehmend im Ausland nach geeigneten Bewerbern um. Diese sind vielleicht nicht immer so gut ausgebildet wie die Deutschen, aber stellen dafür auch weniger Forderungen. Dafür sind manche Unternehmen auch bereit, in Aus- und Fortbildung ausländischer Bewerber zu investieren, z.B. im Rahmen von Trainee-Programmen.

Das Phänomen der so genannten Generation Y gibt es in süd- und osteuropäischen Ländern interessanterweise auch gar nicht. Dort herrscht teilweise eine hohe Arbeitslosigkeit und die Bewerber haben deutlich weniger Macht als hierzulande. Für mich geht der Trend - erst einmal bei den großen Konzernen - deshalb ganz klar zu einer Globalisierung des Arbeitsmarktes.

Welche neuen Ansprüche bringen die Millennials und die folgenden Generationen mit?
Im Gegensatz zur Generation Y, die vor allem den eignen Vorteil und die Erfüllung der eigenen Wünsche zu sehen scheint, geht es bei den folgenden Generationen voraussichtlich mehr um die Karriere und den schnellen Aufstieg. Parallel dazu zeichnet sich bei der jüngeren Generation eine stärkere Tendenz zu engeren Bindungen ab: Werte wie Familie, Ehe und Treue gewinnen wieder an Relevanz.

Wie sollten Unternehmen auf die veränderten Motivationsmechanismen reagieren?
Neben Förderprogrammen, Möglichkeiten von Auslandsaufenthalten und der schnellen Übertragung von Verantwortung, geht es vor allem darum, den Bewerbern die Sinnhaftigkeit des Berufs nahe zu bringen. Es werden in Deutschland zum Beispiel dringend Patentanwälte gesucht. Um den Beruf ausüben zu dürfen, braucht man einen Abschluss in einem technischen Studiengang. Danach folgt eine dreijährige Weiterbildung. Der Ausbildungsweg ist also ziemlich langwierig. Wenn man den potenziellen Bewerbern aber nahe bringt, dass man als Patentanwalt Geheimnisträger ist, oftmals als einer der Ersten von neuen technischen Möglichkeiten erfährt und eine wichtige Schutzfunktion für Unternehmen und Erfinder darstellt, so sind das Werte, für die ein technisch und juristisch interessierter Studienabsolvent durchaus bereit ist, drei Jahre Weiterbildung in Kauf zu nehmen.

Es geht also darum, der Öffentlichkeit zu erklären, warum man als Unternehmen etwas tut. Und zwar unabhängig von finanziellen Aspekten. Da allerdings oftmals die Zahlen und die eigene Eitelkeit im Vordergrund stehen, tun sich manche Firmen schwer damit. Ich habe schon öfter die Sätze gehört: „Unser Unternehmen macht so tolle Hochglanzprodukte und hat ein derart hochkarätiges Image, dass wir immer Bewerber finden werden - auch wenn wir im Bereich Personalentwicklung wenig zu bieten haben.“ Doch wenn man sich die demographische Entwicklung in den kommenden Jahren ansieht, erkennt man, dass es künftig deutlich weniger Bewerber geben wird. Sich auf dem bestehenden Image auszuruhen, ist meiner Meinung nach schlichtweg kurzsichtig und arrogant. Und zu einer arroganten Firma geht kein gut ausgebildeter junger Bewerber freiwillig, wenn er andere Alternativen hat.

Welche Branchen spüren den Wandel besonders deutlich - und wie sollten sie damit umgehen?
Der Wandel zieht sich durch sämtliche Branchen. Eine Branche, die bis vor wenigen Jahren sehr beliebt war und sich die Rosinen unter den Bewerbern herauspicken konnte, war die Beraterbranche. Doch selbst die großen erfolgsverwöhnten Unternehmensberatungen tun sich inzwischen immer schwerer, geeignete Bewerber zu finden. Noch finden sie welche, ohne Abstriche machen zu müssen. Aber der Pool, aus dem sie schöpfen, wird immer kleiner. Einer der Hauptgründe ist die hohe Stundenzahl, die in dieser Branche gearbeitet wird. 60 bis 80 Wochenstunden sind da ganz normal. Dazu kommt, dass man zwar relativ früh in eine fachliche Führungsposition kommt, nicht aber in eine disziplinarische. Das wiederum kann ein Nachteil sein, wenn man später in eine gehobene Position in der Industrie wechseln will.

Besonders schwer haben es natürlich kleine und mittelständische Industrieunternehmen in ländlichen Gebieten. Wer möchte schon als junger Mensch nach dem Studium in einer abgelegenen Kleinstadt arbeiten? Wenn ein Unternehmen da nicht etwas Besonderes bieten oder die Sinnhaftigkeit der Arbeit vermitteln kann, wird es in den kommenden Jahren noch schwerer werden, Bewerber anzulocken. 

Wie werden sich Unternehmen und Bewerber künftig begegnen? Was wird sich in Sachen Recruiting wandeln, was bleibt gleich?
Ich denke, Firmen müssen künftig noch stärker in Personalmarketing investieren und ihren Bekanntheitsgrad als Arbeitgeber in der Öffentlichkeit präsentieren. Dabei spielen Unternehmensmission und -vision eine große Rolle. Wer sind wir? Wo wollen wir hin? Warum tun wir das, was wir tun? Soziale Netzwerke spielen nach wie vor eine große Rolle. Wichtig sind aber auch traditionelle Wege wie die regionale Anbindung, etwa Tage der offenen Tür. Unternehmen müssen sich mehr öffnen und zeigen, wer sie sind. Es ist wie beim einzelnen Menschen: Wenn ich nicht zeige, wer ich bin, können die Menschen, die zu mir passen, mich auch nicht finden. 

Beate Munding ist Kommunikationsexpertin und Referentin des Zukunftsinstituts. Sie coacht Führungskräfte und berät Unternehmen in Corporate Communications und Krisen-PR. 

Das Interview führte Lena Papasabbas

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