KMU und Startups: Kurs auf Kollaboration!

Kollaborationen mit aufstrebenden Startup-Firmen können den Innovationsbestrebungen in einem KMU neuen Kick verleihen. Der erste Schritt dahin? Networking.

Von Dr. Christine Larbig, Fabio Mercandetti & Vincenzo Tuozzo (02/2017)

Pexels / Miguel Á. Padriñán / / CC0

Bei Startups denken wir an junge, dynamische Unternehmen, Venture Capital, risikoreiche Innovationen – vor allem technologischer Natur –, geringe Markterfahrung, Ungewissheit beim Absatz, erfindungsreiche Entrepreneurs mit Leidenschaft für die Sache und schnelles Wachstum. Fragt man Startups, so lässt sich die Liste der Assoziationen erweitern um Aussagen wie "Just do it", "Stop talking about it and try out", "See what will happen" und "Trial and Error". Kurzum: Startups nutzen ihre offene, optimistische Mentalität, um Innovationen hervorzubringen.

Das sind nicht gerade Charakteristiken, die alteingesessenen kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) zugeschrieben werden:

  • solide
  • stark im Markt verankert
  • eher konservativ
  • organisches Wachstum
  • langfristige Orientierung
  • etablierte Strukturen und Kundenbeziehungen
  • langsame und vorsichtige Entscheidungen
  • begrenzte finanzielle Ressourcen
  • aus dem operativen Geschäft hervorgebrachte Innovationen

Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass Startups und KMU nicht allzu häufig miteinander kollaborieren, insbesondere in den Bereichen Innovation und neue Businessansätze. Die Initiativen, die solche Verbindungen dennoch fördern, zeigen zugleich auf, welche Herausforderungen Startups und KMU bei einer Kollaboration meistern müssen – und welche Potenziale sie dann erschließen können.

Dass eine Kollaboration zwischen Startups und KMU zu neuem Wachstum verhelfen kann, ist aufgrund der unterschiedlichen Denkmuster kaum vorstellbar, obgleich etwa am WEF 2015 in Davos auf den möglichen Innovationsschub bei Kollaborationen mit Startups bereits hingewiesen wurde. Durch die Nähe zu technologischem Wissen, zum Beispiel über Universitäten, Research Center und Kunden, ist es Startups möglich, mit unterschiedlichen Vorgehensweisen im Business zu experimentieren – und so die Agilität der Unternehmen zu fördern.

Das wird am Beispiel der Blockchain-Technologie deutlich, die die Finanzindustrie grundlegend verändern könnte – ein Zukunftspotenzial, das auch bereits auf EU-Ebene erkannt worden ist. Selbst Großunternehmen in der Finanzindustrie haben große Mühe, mit den agilen Entrepreneurs und deren Visionen Schritt zu halten. Im Gegensatz zu KMU verfügen sie jedoch über Ressourcen, um Kollaborationen mit Startups aufzugleisen.

So gibt es etwa bei der Swisscom bereits seit einiger Zeit das Pirates Hub, das zur Förderung der Kollaborationen zwischen etablierten Finanzinstitutionen und Startups gegründet wurde. Unter anderem wird dort ein Coworking-Space mit "Corporate Ferien" angeboten: In einem Zeitraum von ein bis zwei Wochen stellt das Unternehmen Startups je nach ihren Bedürfnissen Experten in den Bereichen Finanzen, Legal, Produktentwicklung und Vermarktung zur Seite, um die Produktentwicklung der Startups voranzutreiben.

Eine Einrichtung wie das Pirates Hub ist für KMU kaum finanzierbar: Die starke Ausrichtung auf das operative Geschäft bindet zeitliche und personelle Ressourcen, und außerhalb der Hauptgeschäftstätigkeit bleibt wenig Zeit, um Kooperationen im Bereich Innovation zu realisieren. KMU verfügen meist über ein eigenes, auf Vertrauen aufgebautes Netzwerk von Kunden, Lieferanten und Partnern, das oftmals kleiner ist als bei Großunternehmen. Fordert ein Kunde die Zusammenarbeit mit einem Startup, sind auch KMU gewillt, im Bereich Innovation mit Startups zusammenzuarbeiten.

Ein genauer Blick auf das Netzwerk eines KMU deutet jedoch auch noch auf andere Möglichkeiten hin, um Innovationskollaborationen mit Startups zu forcieren. Was Startups oft fehlt, sind personelle Ressourcen, Erfahrungen und das Wissen, eine Innovation erfolgreich zu kommerzialisieren. Fehlende Erfolgsnachweise, begrenzte finanzielle Mittel und vor allem ein eingeschränkter Zugang zu Märkten machen es den Startups nicht einfach, ihre Ideen zu verwirklichen. Was ihnen fehlt, ist die Businesserfahrung der KMU.

Genau hier setzen mögliche Zusammenarbeitsformen an: Kollaborationen können durch Verbände, Communities und Hochschulen aktiv gefördert werden. Es gilt jedoch den Fehler zu vermeiden, mögliche Veranstaltungen im Tenor "Start-Ups meet KMU" zu vermarkten. Die vorherrschenden Assoziationen bieten zu wenige Überschneidungen in den Denkmustern. Vielmehr sind generelle Themen gefragt, die Startups und KMU gleichermaßen betreffen.

So wird in Basel seit zwei Jahren zum Thema "Sharing Economy" eine "Share Night" veranstaltet: Junge Entrepreneurs und das in Basel angesiedelte Gewerbe sind dort gleichermaßen anzutreffen. In Workshops wird ein gemeinsames Verständnis zu Themen wie Blockchain, Sharing Economy und Gewerbe geschaffen – mit dem Ziel, das eigene Netzwerk zu erweitern. Denn genau hier liegt das Problem: Startups sind in der Startup-Szene unterwegs, und KMU haben ihr eigenes etabliertes Netzwerk. Nur wenn durch sogenannte "Boundary Spanners” – Menschen mit projektrelevantem Wissen – eine Verbindung der beiden Netzwerke entsteht, lassen sich neue Kollaborationen bilden.

Entscheidend für diese Kollaborationen ist das Entstehen einer Win-win-Situation. Die Voraussetzung ist, dass die Chemie stimmt und dass bei Partner bereit sind, auf Intuition zu vertrauen anstatt auf juristische Verträge. Empfehlungen von Boundary Spanners können daher für Kollaborationen zwischen Unternehmen aus unterschiedlichen Welten eine große Rolle spielen.

Die Zusammenarbeit im Bereich Innovation kann auch durch die Integration eines großen Unternehmens gefördert werden. Zeitaufwendige Prozeduren und Differenzen bei den Erwartungen auf Seiten der Startups und KMU lassen sich vermeiden, wenn ein großer Akteur mit Erfahrung sich in den Prozess der Kollaboration einbringt. Doch auch hier gilt: Ohne Mut und Offenheit für neue Wege geht es nicht.

Über die Autoren

Dr. Christine Larbig arbeitet an der Hochschule Luzern als Dozentin und Projektleiterin im Competence Centre Dienstleistungsmanagement und ist Kernteammitglied des Zukunftslabors CreaLab der Hochschule Luzern. Larbig hat einen Doktor der City University Cass Business School (London). Ihre Schwerpunkte liegen im Bereich Marketing, Prozessmanagement und Innovation.

Fabio Mercandetti hat einen Master in Chemie Ingenieur und ist Dozent für Operations Management im Wirtschaftsingenieur-Studium der Hochschule Luzern. Er war Direktor in börsennotierten Firmen in den Bereichen Operations und Unternehmensentwicklung.

Vincenzo Tuozzo hat einen Bachelorabschluss von der Hochschule Luzern in International Management and Economcis. In seiner Thesis erforschte er das Thema "Open Innovation – Collaborations of Startup Firms".

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