Digital eats Management

Die Digitalisierung wird viele Führungskräfte ihre Jobs kosten, schon bald. An ihre Stelle treten die „Key Player“. Vielleicht kein schlechter Tausch.

Von Stefan Doblhofer

Foto: Pexels/Matan Segev

Management per App? Alexa als Chefin? Solche Ideen nahmen auch Experten bis vor kurzem nicht sehr ernst. Ja, Artificial Intelligence könne Daten sammeln und aufbereiten, aber die Entscheidungen würden weiterhin die Menschen treffen, mit ihrer Intuition und Kreativität. Die Digitalisierung werde zum Verlust vieler Arbeitsplätze führen – die der Manager und Managerinnen seien aber sicher.

Die Jobkiller: Alexa, Slack & Scrum

Bei näherer Betrachtung sind es aber gleich drei Trends, die dem Management, so wie wir es heute kennen, das Wasser abgraben: Erstens wächst Artificial Intelligence schon jetzt über die Rolle der Entscheidungsvorbereitung hinaus. Zweitens steckt in den Collaboration Tools ein Potenzial, das wir gerade erst begonnen haben auszuprobieren: in Slack, Trello, Jira, aber auch darin, dass konventionellere Programme wie z.B. Microsoft Teams deren Funktionalitäten übernehmen. Und dazu kommen drittens noch jene wachsenden Initiativen und Bewegungen (am bekanntesten: Agile), die die Hierarchien im Unternehmen verflachen oder gar ganz in Frage stellen.

Diese drei Entwicklungen – und vor allem ihr Zusammenwirken! – werden das Management gründlich verändern. Wird es auch Management Jobs reduzieren? Ja natürlich, vor allem auf den unteren Ebenen:

  • Die meisten Führungskräfte verbringen mehr als die Hälfte ihrer Zeit mit administrativen Tätigkeiten. AI und Collaboration Tools können das übernehmen. Schon sehr bald bzw. eigentlich oft schon heute.
  • Dazu kommt in vielen Firmen, dass durch agile Praktiken und verstärkte Selbstorganisation (in Projekten, aber auch weit darüber hinaus) immer mehr Führungstätigkeiten in die Hände der Teams gelegt werden. Wo diese „Distributed Authority“ sorgfältig eingeführt und eingeübt wird, funktioniert sie oft hervorragend.
  • Wenn Selbstorganisation erst beginnt, das volle Potenzial der neuen Tools auszuschöpfen und proaktiv weiterzuentwickeln, dann bleibt für viele First-Line und Middle Manager nicht mehr viel zu tun. (Ja, sie können Artificial Intelligence wächst schon jetzt über die Rolle der Entscheidungsvorbereitung hinaus. sich dann auf Leadership konzentrieren. Aber wie viele von ihnen werden wir dafür brauchen?)

Schon heute fragen sich HR-Akteure in manchen Unternehmen, ob und wie sie ihre Talents noch für eine Führungskarriere motivieren sollen.

Kein Drama! Aber ein Übergang

Es gibt auch gute Nachrichten: erstens, der Abschied vom Teamleiter wird eher undramatisch. Es wird für viele Firmen ohnedies immer schwerer, (zumindest auf den unteren Ebenen) neue Führungskräfte zu finden. Immer mehr Kandidatinnen und Kandidaten – und nicht nur Millennials – hinterfragen den Deal: ein bisschen mehr Geld für so viel mehr Druck und durchgehende Erreichbarkeit?

Zweitens, auch in Zukunft werden wir Führung brauchen – sie muss aber nicht immer von Vollzeitfunktionären wahrgenommen werden. Ich sage daher das Entstehen einer neuen Gruppe voraus, die ich „Key Player“ nenne: Menschen, die zentrale Rollen auf Zeit übernehmen und dann wieder zu ihren Kernaufgaben zurückkehren. Leadership on demand! Im Projektgeschäft oder in Change-Prozessen kennen wir das schon länger.

Lasst die Key Player kommen

Wir werden z.B. Collaboration Tool Masters brauchen, die genau jene Lösungen bereitstellen und bedienen, die die „Blended Collaboration“ zwischen Menschen und ihren maschinellen Kollegen ermöglichen. Aber auch interne Coaches und Mediatorinnen für Konflikte – die Mitarbeitende in solchen Situationen vielleicht sogar besser begleiten können als viele Führungskräfte heute. Oder auch sogenannte Cross-Links, also Botschafter an den Schnittstellen zwischen Team oder Abteilungen, Moderatorinnen für komplexe Entscheidungsprozesse, Evangelists für das Ausrollen neuer Initiativen etc. etc. Die Liste ist gerade erst eröffnet.

Allen gemeinsam wird sein, dass sie führen – aber ohne direktes Mandat, ohne Berichtslinien, und ohne Vollzeit-Führungsverantwortung. Für diese Art der Führung werden sie emotionale Intelligenz brauchen, Digital Literacy, und eine Grundkompetenz in Gruppendynamik und Organisationsentwicklung.

Unternehmen können diese Entwicklung (die da und dort schon beginnt) geschehen lassen, oder aber proaktiv in die Hand nehmen und gestalten. Sie bekommen damit flexiblere Strukturen und eine Personalreserve für die verbleibenden Mittel- und Topmanagement-Positionen. Denn wer ohne Berichtslinien führen kann, kann es mit ihnen allemal. Key Player könnten einen eigenen Karriereweg beschreiten, Allrounder werden oder Spezialistinnen, phasenweise aktiver sein und dann wieder kürzer treten – was sich auch in eigenen Vergütungsmodellen widerspiegeln könnte. Key Player Pools könnten die Anlaufstelle für ihre Dienste werden, aber auch für Austausch untereinander und (Weiter-)Qualifikation sorgen. Ich bin ganz sicher: für viele Talents ist ein solches Angebot deutlich attraktiver als eine Teamleiterstelle, die die ersten smarten Teams schon heute kaum mehr brauchen.

Über den Autor

Stefan Doblhofer, MBA, ist Organisationsberater, Trainer und Coach. Zuvor war er Leiter des Afro-Asiatischen Instituts Graz, Gründer eines IT-Startups in Chile, MBA in Fontainebleau/Frankreich, stv. Leiter des Hernstein Instituts, seit 2004 ist er selbständig tätig. Sein Fokus liegt auf Führung, Change, Agilität und Innovation. Er hat einen Lehrauftrag zu Innovation an der Warwick University/UK inne. Doblhofer ist regelmäßig tätig in Europa, den USA und Ostasien.

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