Bezahlen nach dem Peer-to-Peer-Prinzip

Überweisungen in digitaler Form zwischen Privatpersonen werden die Art, wie wir bezahlen und mit Geld umgehen, radikal verändern

Quelle: TREND UPDATE 02/2015

Spätestens seit Apple im Herbst 2014 die Einführung seines mobilen Bezahldienstes Apple Pay angekündigt hat, dürfte auch dem letzten Skeptiker klar sein, dass an Mobile Payment kein Weg mehr vorbeiführt. Während sich Handel, Banken und Zahlungsdienstleister, IT- und Telekommunikationsunternehmen noch Gedanken über neue Systeme „Trust your friends, not banks!“ und Standards zum bargeld- und kartenlosen Bezahlen machen, gehen viele Innovationen bereits deutlich weiter: Sie schaffen nicht nur eine neue Kultur des Bezahlens, sie revolutionieren auf grundlegende Weise den Umgang mit Geld.

Vertrauen als Währung

In dem Maße wie das Vertrauen in zentral gesteuerte Finanzinstitutionen und Banken sinkt, verschiebt es sich hin zu dezentralen, netzwerkartig organisierten Transaktionsformen, Zahlungsmethoden und kollaborativen Investitionsarten. Die Konsumenten nehmen Schritt für Schritt ihre Geldgeschäfte nach dem Peer-to-Peer-Prinzip (P2P) selbst in die Hand und lassen damit Banken fast überflüssig werden.

Ganz neu ist der Trend nicht: Über Plattformen wie Prosper.com, Zopa.com oder Lendstar.io erledigen bereits Millionen Privatleute Kreditgeschäfte quasi im Do-it-yourself-Verfahren, ohne dass dafür noch klassische Banken nötig sind. Als einer der führenden Online-Marktplätze zur Vermittlung von P2P-Krediten hat Prosper seit seiner Gründung 2006 bereits über 2 Milliarden Dollar an Darlehen vermittelt – ausschließlich von Privat an Privat.

Zur Studie: Gutes Geld

„It took us eight years to reach the first billion in loans on our platform, and just six months to reach the second billion“, verkündete Prosper-Vorstand Aaron Vermut im Oktober 2014. Das rapide Wachstum innerhalb eines halben Jahres verdeutlicht die Dynamik dieses „neuen Marktes“. Doch das war erst der Anfang dieser Art Geldgeschäfte nach P2P-Verfahren zu tätigen: Mittels der Smartphone-App von Lendstar etwa leihen sich Freunde und Gleichgesinnte nach dem Motto „Trust your friends, not banks!“ gegenseitig zinsfrei Geld.

Kein Wunder also, dass inzwischen auch die ersten Finanzdienstleister auf den Trend reagieren. Die Münchner Fidor Bank ist die erste, die vollständig auf das Peer-to-Peer-Banking setzt. „Banking mit Freunden“ lautet die Philosophie des Unternehmens, dessen eigentliches Kapital die Kunden bilden. Die beraten sich nicht nur gegenseitig in Finanzthemen. Bei Fidor können Kunden weit mehr eigenständig und gemeinsam tun: Etwa vom Girokonto Geld an Twitter-Accounts versenden, per Facebook-Likes den Dispozins verwalten oder in 60 Sekunden Transaktionen durchführen. Fidor sorgt regelmäßig mit Innovationen für Aufmerksamkeit, etwa durch den Handel mit der Kryptowährung Bitcoin oder als erste Bank, die das Open-Source-Protocol Ripple verwendet, das kostengünstige Transaktionen in nahezu Echtzeit ermöglicht, ganz gleich ob konventionelle oder virtuelle Währungen.

Die Megatrends Individualisierung, Mobilität und Konnektivität bilden die Basis für innovative Anwendungen, vor allem im Mobile-Commerce. Sie sind die Treiber für einen wachsenden Bedarf an unkomplizierten Geldtransfers im privaten Bereich. Verbunden mit möglichst geringen Transaktionskosten müssen diese flexibel, komfortabel und einfach zu bedienen sein.

Bezahlen in Social-Media-Manier

Inzwischen stehen immer mehr technische Anwendungen für P2P-Payments bereit (siehe Kasten). Damit sind die Voraussetzungen gegeben, dass sich auch diese neuen Bezahlformen aus der Nische herausbewegen und künftig den Mainstream unserer Konsumkultur bestimmen. Innovative Lösungen für den privaten Transfer von Geldbeträgen weisen nicht nur viele Parallelen mit sozialen Netzwerken auf. Sie werden selbst zu sozialen Finanznetzwerken für sämtliche Transaktionen. Letztlich lassen sich aus der Integration in Social Networks enorme Synergieeffekte erzielen. So werden Anwendungsbereiche fürs P2P-Payment immer interessanter für Internetgiganten wie Facebook, Twitter, Google oder Amazon – oder, seit Neuestem, Snapchat.

Eines zeichnet sich damit schon heute klar ab: Finanzmanagement nach Social-Media-Manier führt dazu, dass der Einfluss von Banken wie auch des Staates zurückgedrängt wird und das Machtgefüge sich zugunsten der Kunden verschiebt.

Finanzwelt im Wandel

Finanzsysteme passen sich dem neuen digitalen Lifestyle an. Innovative Services und Geschäftsmodelle werden das Bankenbusiness und den E-Commerce radikal verändern. Dass sie sich in die alltäglichen Prozesse von Wirtschaft und Gesellschaft zunehmend integrieren, steht mittlerweile außer Frage.

In der Konsequenz dieser neuartigen Zahlungspraktiken werden sich auch die Geldströme, die Handelsprinzipien und die gesamte Finanzwelt verändern. Derzeit drängen mehr und mehr Startups mit innovativen Ansätzen auf den Markt. Als branchenfremde Akteure setzen sie etablierte Player gehörig unter Druck. Wer sich am Ende durchsetzen wird – viele Kleine oder wenige Große – ist völlig offen. Letzten Endes wird es auch eine Frage der zunehmenden Standardisierung und Kompatibilität untereinander sein, ob verschiedene Systeme zeitgleich am Markt fortbestehen können.

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