Free-Ager sind die Protagonisten des neuen Lebensabschnitts „Alter“ als eigenständige und wertvolle Lebensphase. Sie lehnen die kulturell geprägte Rolle des passiven, unproduktiven und abseits der Gesellschaft geführten Rentnerdaseins ab, die im 20. Jahrhundert mit der Einführung des Renten- und Pensionssystems entstand. Sie lehnen aber auch den Jugendwahn ab, der sich als Folge davon breit machte – und der die Angst einer ganzen Gesellschaft vor dem selbst erschaffenen Monstrum namens Alter(n) widerspiegelt. Diese Orientierung an Jugendlichkeit mit zunehmendem Alter, die im Marketingbegriff „Anti-Aging“ gipfelt, führte eine ganze Generation in die Sackgasse.
Alt werden, alt sein – eine neue Haltung
In einer Welt, in der eine ernsthafte Debatte über eine Wirtschaft nach dem Wachstum sogar in der Ökonomie geführt wird und „Cradle to Cradle“ als neues, altes wirtschaftliches Prinzip kollektiv wahrgenommen wird, finden
Der kulturelle Mindshift vom Anti- zum Pro-Aging ist eingeläutet
Free-Ager ihren Platz mit ihrer neuen Haltung zum Altern. Der kulturelle Mindshift vom Anti- zum Pro-Aging ist damit eingeläutet. Wilhelm Schmid, Lebensphilosoph und Autor des überaus erfolgreichen Buches „Gelassenheit. Was wir gewinnen, wenn wir älter werden“, zeigt auf, was es heißt, die Perspektive zu wechseln und das Altern als Gewinn und nicht als Verlust zu betrachten. Der einzige Verlust, den der Mensch in seinem Leben tatsächlich erlebe – so seine Meinung –, ist das Leben selbst.
Wer einmal 50 geworden ist, hat eine Menge Lebenserfahrung gesammelt, die schützend wirken und eine tiefe Gelassenheit erzeugen kann. Nur wer durch Lebenskrisen geschritten ist, Verletzungen erfahren hat und Erfolge in diversen Dimensionen feiern durfte, kann eine Resilienz aufbauen, die keine äußere Kraft benötigt, sondern sich aus einer inneren Ausgeglichenheit nährt. Darin liegt eine große Freiheit, die sich – anders als die Freiheit der Jugend – nicht aus einer äußeren Optionenvielfalt ergibt, sondern aus einer inneren Gelöstheit.
Free-Ager schaffen soziale Verbundenheit
Laut Statistischem Bundesamt nutzte 2015 fast die Hälfte aller Personen ab 65 Jahren das Internet. Dies taten Free-Ager nicht nur, um mit ihren Kindern in Kontakt zu bleiben, sondern auch zur besseren sozialen Vernetzung untereinander: Online-Plattformen wie Seniorbook in Deutschland oder Stitch in Australien bieten neben romantischen Bekanntschaften viele weitere Möglichkeiten, um sich mit anderen Senioren zu vernetzen: Reisepartner, Wandergruppen oder Kunst- und Kulturliebhaber finden sich hier zusammen und organisieren gemeinsame Freizeitaktivitäten.
Free-Ager legen großen Wert auf eine funktionierende soziale Infrastruktur in ihrer unmittelbaren Wohnumgebung. Der Wunsch nach Gemeinschaft und kooperativem Schaffen ist in allen Lebensbereichen gewachsen – Nachbarschaftsnetzwerke oder Urban-Gardening-Projekte bilden zwei der vielen neuen Plattformen für einen generationsübergreifenden Austausch. Die Free-Ager sind nicht unwesentliche Triebfedern, denen es mit Erfahrung und dem richtigen Gespür für die Bedürfnisse ihres Umfeldes gelingt, eine Kooperationskultur zu erschaffen, die gemeinnütziges Handeln zur neuen moralischen Grundhaltung macht.