Die neuen Werte der jungen Kosmopoliten
Das Internet hat die hässliche Seite globalisierter Produktionsketten sichtbar gemacht: zerstörte Landschaften, vergiftete Gewässer, unmenschliche Arbeitsbedingungen. Die globale Präsenz von Smartphones und die rasante Verbreitung von Online-Zugängen und sozialen Netzwerken lassen die ehemals im Dunkeln liegenden Verbindungen zu Produkten unseres täglichen Lebens sichtbar werden, über deren Entstehung wir uns in prä-digitalen Zeiten kaum Gedanken gemacht haben. Die Generation Global ist im Digitalen zu Hause und sich daher der Bedeutung von alltäglichen Konsumentscheidungen im globalen Wirtschaftsgefüge stärker bewusst als jede andere Generation vor ihr. Deshalb macht sie kritischen Konsum zum gesellschaftsfähigen Thema.
Die jungen Globalen sind aufgeklärt über Massentierhaltung, Kinderarbeit, Umweltverschmutzung und Lebensmittelverschwendung. Dieses neue Bewusstsein schwingt bei ihren Kauf- und Konsumentscheidungen mit. Für sie ist es genauso verpönt, bei Primark einzukaufen wie bei McDonald’s zu essen oder Pelz zu tragen. Es ist kein Zufall, dass der höchste Anteil an Vegetariern in Deutschland mit fast 9 Prozent bei den Unter-30-Jährigen (GfK 2015) liegt. 16- bis 24-Jährige machen mit Abstand den größten Anteil in der Käufergruppe von Fleischersatzprodukten aus (Mintel 2015).
Das Ende von „schneller, höher, weiter“
Es ist der Lebensstil einer gebildeten vernetzten Generation, die dem Wachstumskapitalismus kritisch gegenübersteht und dem Immer-mehr-Konsum ihrer Elterngeneration einen achtsameren Immer-besser-Konsum entgegensetzt. Dabei stehen Fairness und Nachhaltigkeit an oberster Stelle. Dem ewigen Sich-Zudröhnen setzen sie bewussten Genuss entgegen, der mit Achtsamkeit als Lebensprinzip einhergeht.
Die Generation Global vereint drei grundlegende Eigenschaften.
- Sie ist gebildet und digital vernetzt.
- Sie strebt nicht-materialistische Werte an.
- Sie denkt global und handelt lokal.
Die alten Steigerungslogiken der Wirtschaftswunderzeit – „schneller, höher, weiter“ – haben für die Generation Global ihren Reiz verloren. Sie kennt die Auswirkungen der globalisierten Wirtschaft; sie weiß, was Massenproduktion für die Umwelt bedeutet. Sie will nicht teilhaben an der Ausbeutung von Menschen und Natur. Und: Sie ist die Generation, welche die erste Burn-out-Welle miterlebte. Sie weiß, dass ein Hamsterrad von innen aussieht wie eine Karriereleiter. Warum also einsteigen und losrennen, wenn sowohl Menschen auf der anderen Seite des Globus darunter leiden als auch Individuen der westlichen Welt mit mehr Stress, psychischer Belastung und dem Gefühl von Zeitnot und Sinnlosigkeit kämpfen als je zuvor?
Neo-Tribes: postmoderne Stammeskulturen
Überall auf der Welt bilden sich Communities, Interessengemeinschaften und Kollektive heraus, die modernen Stammeskulturen ähneln – erweitert um die Dimension digitaler Vernetzung. Manche beginnen, sich selbst „Neo-Tribes“ zu nennen, ein Konzept aus der Soziologie, der als Sammelbegriff für die zahlreichen großen und kleinen Gruppen der neuen Wir-Kultur immer häufiger auftaucht.
Modernen Neo-Tribalisten ist gemein, dass sie die technologische Infrastruktur nicht als Wurzel allen Übels betrachten, sondern als Chance, sich auf intelligente Weise zu vernetzen, um Lebensgemeinschaften, Bewegungen oder projektbasierte Communities zu bilden. Diese Gemeinschaften entwickeln stammesähnliche Schemata von Regeln, Werten und kulturellen Ritualen, die dem postmodernen Lebensstil angemessen sind. Neo-Tribes sind sowohl temporär begrenzte Gemeinschaften, die auf Festivals wie dem Burning Man oder der Fusion zusammenkommen und dort einmal im Jahr eine hochritualisierte Feierkultur pflegen – oftmals angelehnt an archaische Rituale, wie das symbolische Verbrennen von selbst erbauten Statuen.