Echte Markenerlebnisse: Die Messe als Touchpoint von morgen

In Zeiten von komplett digitalisierter Kommunikation und Robo-Beratern bieten haptische Erlebnisse einen Gegenentwurf zum Digitalen, der Menschen für Marken begeistern kann. Clemens Meiß, geschäftsführender Gesellschafter der Markenagentur Get the Point, über die Messe als zukunftsweisendes Kommunikationsinstrument.

Foto: Duvenbeck

Wenn es darum geht, Menschen live zu begeistern, sind für viele Branchen, speziell im B2C-Bereich, der stationäre Handel oder Pop-up-Shops Mittel der Wahl. Zulieferer und B2B-Unternehmen stehen dagegen vor der Herausforderung, dass sie ihren Kunden nur selten von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen. Hier erlangt die Messe als eines von vielen Instrumenten im Marketing-Mix heute und künftig eine ganz besondere Bedeutung.

Diese neue Relevanz belegen auch die Ergebnisse der AUMA Messe-Trends-Erhebung 2019: In der Rangliste „Instrumente im Marketing-Mix und ihre Wichtigkeit“ liegen Messebeteiligungen mit 83 Prozent auf Platz zwei, direkt hinter der eigenen Homepage (90 Prozent). Tatsächlich bringt es das Instrument Messe auf einen Anteil im Marketingbudget von knapp 50 Prozent. Deutsche Messeaussteller werden in 2020 durchschnittlich 263.000 Euro in ihre Messebeteiligungen investieren.

Ein Großteil der Unternehmen sieht die Kernaufgabe einer jeden Messebeteiligung im Verkauf und Vertrieb: Es geht darum, neue Produkte und Entwicklungen zu präsentieren, die dann für volle Auftragsbücher sorgen und bestenfalls zum Vertragsabschluss führen. Das ist das alte Messe-Mindset. Und jeder, der vor kurzem noch auf einer Messe war, weiß, dass sich daran meist nicht viel geändert hat – denn ein Großteil des Budgets fließt in den Standbau. Doch das ist zu kurz gedacht. Gerade die Digitalisierung und die damit verbundene Veränderung von Märkten und Zielgruppen weisen der Messe eine neue Funktion zu: Menschen zu berühren und zu begeistern. 

Zwischen Entertainment und Strategie

Menschen wollen über das Produkt hinaus die Marke fühlen, sie emotional erleben – persönlich, haptisch, multisensorisch. Was früher einmal die Produktpräsentation war, wird heute zu einem Erlebnis, das alle Aspekte der Marke greifbar macht. Und kaum ein Kanal eignet sich dafür besser als die Messe. Immer mehr wächst die Erkenntnis, dass Messeaussteller ihre vorrangigen Ziele – Stammkundenbindung, Neukundenakquisition und Steigerung des Bekanntheitsgrades – sehr viel effektiver umsetzbar sind als mit bloßen Produktpräsentationen, statischen Standbauelementen oder einseitigen Fachdiskussionen.



Allerdings dürfen Messen auch nicht zu reinem emotionalen Entertainment mutieren – Strategie, Ziele und Maßnahmen müssen genauso pointiert kalkuliert und investiert sein wie bisher. Das gleiche gilt für die Vor- und Nacharbeiten, die den Erfolg einer Messebeteiligung erst manifestieren. Es ist der Charakter der Messen, der sich verändert – nicht die Strategie, in die sämtliche Maßnahmen zielorientiert eingebettet sein müssen. Wie der Spagat gelingen kann, führen verschiedene Beispiele vor Augen:

  • Die Deutsche Telekom zeigte auf dem Mobile World Congress 2019: Das Thema 5G wurde als magentafarbenes Zukunftsland inszeniert, und mit dem Hashtag #TAKEPART wurde dennoch konkret gezeigt, wie der neue Mobilfunkstandard den Alltag bereichert.
  • Auch die Fortnite-Präsenz auf der Gamescom 2018, prämiert als „bester Messestand“, war ein solches Erlebnis – ohne eine einzige Spielstation. Stattdessen gab es Infotainment via Mitmach-Aktionen, eine Showbühne und Meet&Greets mit Youtubern.

  • Das mittelständische Logistik-Unternehmen Duvenbeck interpretiert seine erklärungsbedürftigen und hoch komplexen Dienstleistungen mit dem Claim „The Culture of Logistics“ für Messen immer wieder neu – beachtlich für den Vertreter einer Branche, die nicht unbedingt als Vorreiter innovativer Marketingkampagnen gilt.

  • Auch bei Osram gibt es keine klassische Produktschau mehr: Bei der Light + Building 2018 stellte sich das Messeteam unter dem Titel „The Shape of Energy“ die Frage, welche Form Energie annehmen kann. Damit unternimmt Osram einen Exkurs in die künstlerische Sphäre und ist dennoch in der Lebensrealität der Menschen verankert.

Indem Marketer den Mehrwert ihrer Produkte gerade im Messekontext kritisch und kreativ hinterfragen und sich damit von der Branche differenzieren, können sie echte Erlebnisse erschaffen und die Sichtbarkeit der Marke steigern – mit positiven Auswirkungen auf Beziehungen, auf die Gesprächsatmosphäre und letztlich auf die großen Messeziele Kundenbindung, Neukundenakquisition und Bekanntheitsgrad. Künftig wird der Messeauftritt daher zu einem Touchpoint im wahren Sinne des Wortes: Er berührt emotional mit definierten Imageaspekten, schafft echte Beziehungen – und sorgt damit für nachhaltige Vertriebs- und Markterfolge.

Über den Autor

Clemens Meiß ist geschäftsführender Gesellschafter der Kölner Markenagentur Get the Point, die auf Positionierung und Markenbildung spezialisiert ist. Als Herausgeber der Studie „Markenführung in der Logistik“ sowie in Vorträgen teilt Clemens Meiß seine über 25-jährige Erfahrung aus der täglichen Markenarbeit.


Empfehlen Sie diesen Artikel!

Dieser Artikel ist in folgenden Dossiers erschienen:

Dossier: Marketing

Dossier: Marketing

Wir stehen vor einer Marketing-Zäsur. Selbstbewusste, ermächtigte Kunden werden Marketing in Zukunft anders bewerten. Mehr Marketing wird nicht mehr automatisch für mehr Absatz sorgen. Künftig werden Konsumenten nur dann zu echten Kunden, wenn die Vertrauensbilanz stimmt.

Folgende Menschen haben mit dem Thema dieses Artikels zu tun: