Der Blick auf aktuelle Anwendungsfälle und Projekte aus Wirtschaft und Wissenschaft zeigt, wie Künstliche Intelligenz (KI) helfen kann, die ökonomische und gesellschaftliche Resilienz zu erhöhen. – Ein Auszug aus der Studie Zukunftskraft Resilienz – Gewappnet für die Zeit der Krisen.
Mit künstlicher Intelligenz zur Krisenresilienz

Je schwieriger die Analyse hyperkomplexer Zusammenhänge und globaler Krisen im Kontext von Hypervernetzung und Klimaerwärmung wird, umso dringlicher wird auch die Frage: Wie können KI-Technologien wie Machine Learning und Deep Learning dazu beitragen, krisenresiliente Strukturen aufzubauen und die systemische Zukunftsfähigkeit zu sichern? Diverse Beispiele zeigen, wie die Superkompetenz von KI-Systemen – das blitzschnelle Analysieren, Clustern und Auswerten riesiger Datenmengen – bereits gezielt eingesetzt wird, um das Gesundheitswesen oder die Landwirtschaft zu optimieren, aber auch um Wälder zu schützen oder das Energiemanagement zu sichern.
Aus europäischer Perspektive spielen dabei die Themen Datenschutz, Transparenz und Privatsphäre eine wichtige Rolle, insbesondere im Wettbewerb mit den KI-Giganten USA und China. In diese Richtung wirkt auch das Leuchtturmprojekt LEAM:AI (Large European AI Models), das ethische und vertrauenswürdige KI-Modelle nach europäischen Standards entwickelt, um eine offene, gemeinwohlorientierte und damit auch resiliente Daten-Infrastruktur für KI-Innovationen zu schaffen. Die Wissensplattform Climate-ADAPT bringt die Expertise europäischer KI-Expertinnen und Klimaschützer zusammen, um gemeinsam die Klimaresilienz zu erhöhen.
KI-Support in der Krise
Welche Möglichkeiten auf künstlicher Intelligenz basierende Plattformen generell eröffnen, um Krisenprävention und -management zu optimieren, zeigen drei konkrete Projekte, die sich zum Teil noch in der Entwicklungsphase befinden:
- ResKriVer (Resiliente Krisenrelevante Versorgungsnetze) ist eine Kommunikations- und Informationsplattform, die als KI-gestütztes Frühwarnsystem funktionieren soll: Über verschiedene KI-Anwendungen werden krisenrelevante Informationen gesammelt, die mögliche Engpässe für Versorgungsketten prognostizieren.
- CoyPu zielt auf schnelle Hilfe im akuten Krisenfall: Ziel der Plattform ist es, über aktuelle Handlungsempfehlungen und zusammengefasste Wirkungszusammenhänge die Reaktionsfähigkeit politischer und ökonomischer Entscheiderinnen und Entscheider zu erhöhen.
- DeepEye, ein Projekt des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz, analysiert mittels Deep-Learning-Verfahren Satellitenbilder und reichert sie mit Daten aus sozialen Medien an, um die Auswirkungen von Naturkatastrophen zu erfassen und Einsatzkräfte mit dringlichen Informationen zu unterstützen.
Resiliente Lieferketten dank künstlicher Intelligenz
Die Corona-Krise hat vor Augen geführt, wie schnell alltagsrelevante Lieferketten im Krisenfall zusammenbrechen können. Lieferketten bilden die Basis für Produktions- und Versorgungssysteme und somit letztlich auch für eine resiliente Gesellschaft – ihr Ausfall gefährdet die Versorgungssicherheit mit lebenswichtigen Gütern. Verschiedene Anwendungen und Projekte zeigen, wie der Einsatz von KI helfen kann, logistische Ströme und Produktionssysteme auch unter den Bedingungen gesteigerter Vernetzungskomplexität agil und flexibel zu halten.
Das vom Wirtschaftsministerium geförderte Projekt Spaicer der RWTH Aachen etwa entwickelt eine KI-basierte Optimierung von Produktionssystemen – eine Art smarter Resilienz-Service. Einen ähnlichen Ansatz verfolgt MOEE (Maximize Overall Equipment Effectiveness), eine autonome Produktionsoptimierung, die alltägliche Störungen in Prozessabläufen der Industrie strategisch verbessern soll. Als KI-basierte Plattform liefert Scoutbee Unternehmen relevante Marktinformationen für eine agile und strategische Lieferantenauswahl – und unterstützt so die wirtschaftssystemische Resilienz. AI4DT (Artificial Intelligence for Digital Twins) ist ein gemeinsames Projekt des Bundeslandes Baden-Württemberg und der niederländischen Provinz Noord-Brabant, bei dem Unternehmen, Expertinnen und Technologieanbieter gemeinsam intelligente Lösungen für die industrielle Produktion entwickeln. Ziel ist vor allem die Förderung von KI-Anwendungen in KMUs.
Cyber-Resilienz
Die Kriminalität mithilfe von Informations- und Kommunikationstechnologie – von digitaler Industriespionage über Identitätsmissbrauch bis zu Verstößen gegen geistiges Eigentum oder digitalen Fälschungen – wird mit fortschreitender Vernetzung zu einem immer größeren Risikofaktor. Die Sicherung einer grundsätzlichen Cyber-Resilienz rückt damit zunehmend ins Zentrum, insbesondere für Unternehmen.
ExeonTrace bietet ein intelligentes System für Cybersicherheit, in dem potenzielle Bedrohungen und Anomalien von Algorithmen frühzeitig erkannt und bewertet werden, um Schäden zu verhindern, noch bevor diese überhaupt entstehen. Mimecast bietet ein cloudbasiertes Sicherheitssystem, um den E-Mail-Verkehr und die Ausfallsicherheit in Unternehmen zu gewährleisten. KI wird dabei auf verschiedene Arten und in Ergänzung zu traditionellen Erkennungstechniken von Bedrohungen eingesetzt. Phishing, Malware und weitere Gefährdungen über E-Mails und Webseiten werden so strategisch bekämpft.
KI für eine nachhaltigere Welt
Im Kontext der Nachhaltigkeit bietet der Einsatz von KI-basierten Systemen eine Fülle von Anwendungsmöglichkeiten. Ein Teilbereich ist die Gewährleistung einer grundsätzlichen Ernährungssicherheit, die auch einen wichtigen Aspekt des zweiten globalen Nachhaltigkeitsziels bildet. Die App Plantix etwa hilft Landwirtinnen und Landwirten, Ernteausfälle und Profiteinbußen zu minimieren sowie Wasserressourcen zu schonen. Indem die KI-basierte Software erkrankte Pflanzen erkennt und Hinweise für passende Behandlungsmittel gibt, wird der Einsatz von Düngemittel vermieden und die Bewässerung auf das Nötigste reduziert.
KINERA (Künstliche Intelligenz für eine effiziente und resiliente Agrartechnik) soll ein Konzept der verteilten KI aufbauen, das Landwirtinnen und Landwirten hilft, resilientere Prozesse in der Feldbestellung zu schaffen und die Betriebsfähigkeit auch bei externen Störungen aufrechtzuhalten. Auf Basis einer Cloud-IT-Infrastruktur, die Daten auf überbetrieblicher Ebene vernetzt, sollen dabei auch autonome Feldroboter zum Einsatz kommen.
Auch im Kontext des Klima- und Waldschutzes schaffen automatisierte und selbstlernende Systeme neue Möglichkeiten. Gerade in Bereichen, die den Schutz von Klima, Mensch und nachhaltiger Entwicklung betreffen, muss die Entwicklung von KI-Innovationen dabei auf eine interdisziplinäre Zusammenarbeit setzen. Viele Anwendungen stecken noch in der Phase der Vernetzung, andere zeigen bereits, wie KI sinnvoll eingesetzt werden kann, um die planetare Resilienz zu steigern:
- ReCircE ist ein vom Bundesumweltministerium gefördertes Vorhaben, das die Wiederverwertung komplexer Produkte mittels KI fördert. Die Entwicklungsziele umfassen unter anderem Algorithmen, um Materialien sortenreiner zu trennen, und einen digitalen Produktpass, der Wertstoffketten transparent macht.
- GreenCityWatch zeigt, wie KI für den Waldschutz eingesetzt werden kann. Die Mission des Start-ups ist die Verbesserung der Resilienz von urbanen Waldflächen mithilfe einer Open-Source- und raumbezogenen KI, die städtische Wälder kartiert – trotz der oft mangelhaften Datengrundlage vonseiten der Städte. Die Kombination aus Ecological Engineering, Fernerkundung und maschinellem Lernen wurde bereits erfolgreich in Städten wie Amsterdam, Boston oder Jakarta eingesetzt.
- FutureForst ist ein KI-basiertes Projekt des Darmstädter Start-ups wetransform und der Zukunft – Umwelt – Gesellschaft gGmbH. Das Ziel: resiliente Waldökosysteme, die extreme Wetterereignisse überstehen und den Wald kontinuierlich erhalten. Zentrale Resilienzfaktoren wie Bodenbeschaffung, Waldzusammensetzung, Schädlingsentwicklung, Luftverschmutzung und Klimadaten werden von der KI analysiert, um widerstandsfähige Waldumbauszenarien aufzuzeigen.
Gerüstet für das Unerwartete
Künstliche Intelligenz kann weder den Klimawandel, das Artensterben oder die Ressourcenknappheit verhindern noch die globale Erwärmung aufhalten. Aber lernende Algorithmen ermöglichen präzisere Voraussagen über das Klima, detailliertere Auskünfte über die resiliente Zusammensetzung von Ökosystemen und effektivere Ansätze für präventive wie für akute Maßnahmen, die helfen, das Leben in Zeiten der Hypervernetzung, der globalen Erwärmung und der sich häufenden Krisen sicherer zu gestalten. Und in allen Sphären der Resilienz, von planetar bis organisational, kann der Einsatz von KI dazu beitragen, starr gewordene Strukturen zu flexibilisieren und agilere Reaktionen auf unerwartete Ereignisse zu ermöglichen.
Dieser Text ist ein Auszug aus der Studie Zukunftskraft Resilienz – Gewappnet für die Zeit der Krisen.