Möglichkeiten und Grenzen der Trend- und Zukunftsforschung

StokPic / Ed Gregory

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s ist ein Wunsch- und Irrglaube, Trends machen zu können. Man kann natürlich ein Produkt in den Markt drücken, indem man sehr viel Geld für die Kommunikation ausgibt und behauptet, das Produkt sei „hip“ oder „angesagt“. Aber das geht eben nur im Bereich von Moden und Produkten. Und es ist auch nicht sonderlich zielführend. Denn wenn man den Werbedruck wieder wegnimmt, bricht dieser Markt sofort in sich zusammen. Richtige soziokulturelle Trends und Megatrends kann man nicht herstellen, sie entstehen in den Tiefen der sozialen Wandlungsprozesse und haben ökonomische oder andere fundamentale Wurzeln und Ursachen.

Es lassen sich also keine Trends machen, sondern nur Trends benennen. Wie sie benannt werden und ob sie für die Ableitung einer Prognose, Prophezeiung oder Vision genutzt werden, folgt unterschiedlichen Motivationen.

Kann das Zukunftsinstitut die Zukunft vorhersagen?

Kaum eine Frage wird an das Zukunftsinstitut so häufig gestellt, wie diese. Zukunft ist zunächst einmal nicht deterministisch, jedenfalls nicht, wenn es um komplexe Systeme wie Ökonomien, Märkte und Gesellschaftssysteme geht. Märkte können zusammenbrechen oder blühen, Gesellschaften scheitern oder sich weiterentwickeln, Ökonomien ins Schlingern geraten oder neue Wertschöpfungsketten generieren. All dies hat jedoch gewisse Wahrscheinlichkeiten und Bedingungen, in denen eben NICHT NUR ZUFALL regiert. Und über diese der Zukunft zu Grunde liegenden Entwicklungen und Bedingungen lassen sich Aussagen treffen.

Viele Entwicklungen lassen sich relativ genau prognostizieren; so verändert sich etwa die Geburtenrate einer Bevölkerung nicht so schnell. Andere Entwicklungen sind sehr komplex in ihren Wechselwirkungen oder sehr durch Zufälle und äußere Einflüsse „störbar“. Je komplexer das betrachtete System und je langfristiger die Perspektive, desto schwieriger sind Prognosen. Zukunft lässt sich also nicht voraussagen, aber durch die Auseinandersetzung mit ihr wächst der Gestaltungsspielraum. Zukunftsforschung lässt sich als eine Art SPIEGELUNG begreifen: Durch den Blick in das mögliche MORGEN verstehen wir das HEUTE besser. Wir werden handlungs- und entscheidungsfähiger, wir lernen, uns auf Herausforderungen einzustellen. Das ist Ziel und Ethos der Zukunftsforschung: Die FUTURE FITNESS von Unternehmen, Individuen und Gesellschaften zu erhöhen.  

Erfolgreiche Prognosen des Zukunftsinstituts?

Eine weitere häufig gestellte Frage an das Zukunftsinstitut lautet: „Mit welcher Prognose lagen Sie völlig falsch?“ Erinnert wird dann an Aussagen wie die des IBM-Vorsitzenden Thomas Watson aus dem Jahre 1943: „Ich denke, dass es einen Weltmarkt für vielleicht fünf Computer gibt.“

Das Zukunftsinstitut versucht erst gar nicht die Illusion zu verkaufen, die Zukunft ließe sich ausrechnen. Wir können schlichtweg nicht sagen, wie viele Menschen in 20 Jahren probiotische Joghurts essen. Ebenso wenig können wir sagen, in welchem Segment die Nanotechnologie einen neuen Milliardenmarkt herausbildet. Diese Form der Prognose steht auch nicht im Zentrum unserer Arbeit.

Das Zukunftsinstitut benennt Entwicklungen. Zukunft ist immer in der Gegenwart eingekapselt. Das heißt: Trends existieren immer schon im Heute – wenn auch in Nischen. Wir versuchen, diese zarten Zukunftspflänzchen frühzeitig aufzuspüren, beobachten sie in ihrer Entwicklung und geben eine Einschätzung über ihre Bedeutung ab.

Beispiele für Trendentwicklungen, auf die das Zukunftsinstitut frühzeitig aufmerksam gemacht hat, sind folgende:

  • Super-Daddies auf dem Vormarsch: Von der öffentlichen Wahrnehmung teilweise unbemerkt haben sich die Männer auf den Weg gemacht, ein neues Selbstverständnis zu entwickeln. Der Zukunftsletter beleuchtete in dem Artikel „Familienpolitik für Männer“ 1999 erstmals ein verändertes Verständnis der Vaterrolle. Damals nutzten gerade einmal 1,5 Prozent der Männer die Möglichkeit, Erziehungsurlaub zu nehmen, jedoch der Trend war schon erkennbar. In unserer Studie „Lebensstile 2020“ aus dem Jahr 2007 nahmen wir die „neuen Väter“ unter dem Begriff „Super-Daddies“ dann genauer unter die Lupe und prognostizierten eine weitere Verbreitung. Mittlerweile sind es bereits rund 20 Prozent der Väter, die Elternzeit beantragen.
  • Lohas – der grüne Lifestyle: Auf den sogenannten „Lifestyle of Health and Sustainability“ machte das Zukunftsinstitut bereits im Jahre 2004 im Zukunftsletter aufmerksam. Wir prognostizierten seinerzeit, dass ausgehend von einer neo-ökologischen Konsumelite der grüne Lifestyle die Massenmärkte prägen wird. Im Jahr 2007 publizierten wir hierzu mit unserer Studie „Zielgruppe Lohas“ eine grundlegende Beschreibung des Trends. Mittlerweile gibt es grüne Produkte mit Lifestyle-Affinität in allen Branchen und Märkten – sei es das Hybridfahrzeug Toyota Prius oder das luxuriöse Eco-Resort in Tasmanien.
  • Open Innovation – kollaborative Ideenentwicklung: Lange bevor die sozialen Netzwerke und Ideenplattformen die Kommunikation und Zusammenarbeit in den neuen Medien prägten, berichteten wir im Jahre 2006 im Zukunftsletter über die Öffnung von Innovationsprozessen. Wir beschrieben die Möglichkeiten des „Brain-Outsourcing“ und wie sich durch die Integration von Externen in Innovationsprozesse die Wertschöpfung steigern lässt. In unserer Studie „Praxis-Guide Cross-Innovations“ aus dem Jahr 2009 beleuchteten wir das Phänomen auf Basis einer empirischen Erhebung unter Innovationsmanagern im deutschsprachigen Raum. Heute hat sich das „Open Innovation“-Prinzip als neues Paradigma in Entwicklungsprozessen durchgesetzt.

Da wir nicht gottgleich die Zukunft voraussagen können, kommen bei uns wie bei unseren Kollegen aus der Zunft auch Fehleinschätzungen vor. Es ist jedoch überraschend, dass im Verlauf der Menschheitsgeschichte die meisten wichtigen Entwicklungen sehr genau vorausgesagt wurden.  

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Ist die Trend- und Zukunftsforschung eine „Wissenschaft“?

Um die Frage nach der „Wissenschaftlichkeit“ beantworten zu können, müssen wir uns zunächst mit den Definitionen von „Wissenschaft“ auseinandersetzen.

Bei Wikipedia heißt es zum Beispiel:

„Wissenschaft ist die Erweiterung des Wissens durch Forschung, seine Weitergabe durch Lehre, der gesellschaftliche, historische und institutionelle Rahmen, in dem dies organisiert betrieben wird, sowie die Gesamtheit des so erworbenen menschlichen Wissens.“

Nach dieser weit gefassten Definition kann man auch die Trend- und Zukunftsforschung als „Wissenschaft“ begreifen, wenn sie denn „organisiert“ betrieben wird. Hierfür stehen die verschiedenen Methoden der Trend- und Zukunftsforschung zur Verfügung. Für viele spielt jedoch der institutionelle Rahmen die entscheidende Rolle, beispielsweise die Verankerung an einer Universität wie es beim Masterstudiengang „Zukunftsforschung“ an der Freien Universität Berlin der Fall ist.

Das Zukunftsinstitut hat keine Verankerung in einer wissenschaftlichen Institution. Es ist ein privatwirtschaftliches Unternehmen, das sich selber finanzieren muss. Wir sehen uns daher auch nicht als ein wissenschaftliches Institut, da bei uns nicht die Forschung und Lehre, sondern die praktische Anwendung des Wissens im Vordergrund steht. Dies geschieht in einer transparenten und nachvollziehbaren Weise: Wir dokumentieren unsere Ergebnisse in frei erwerblichen Studien und geben die dafür verwendeten Quellen an. Bei Auftragsstudien geben wir selbstverständlich den Auftraggeber an. Die von uns getroffenen Aussagen über die Zukunft sind in der Form verifizierbar, dass sie nach einem gewissen Zeitverlauf an der dann eingetretenen Wirklichkeit gemessen werden können. 

Hier erfahren Sie mehr zu den von uns angewandten Methoden der Trend- und Zukunftsforschung und den Grundlagen zu Trends, Megatrends und Trendforschung.