Neuer Status, neue Lebensstile

Der Wandel der Statuswerte manifestiert sich auch in neuen Lebensstilen. Fünf Beispiele: Proll Professionals, Superdaddys, Gutbürger, Creativiteens und Forever Youngsters.

Von Lena Papasabbas und Christian Schuldt (02/2016)

Proll-Professionals: Alter Status, neu verpackt

Die ehrliche Freude an materiellem Luxus, an primitiven Vergnügungen und gestylter Körperlichkeit, verbunden mit Cleverness und hoher Leistungsbereitschaft – das zeichnet die Proll-Professionals aus. Der Begriff "Proll-Professionals" ist nicht abwertend gemeint: Er beschreibt den Drang zur Selbstdarstellung und den Spaß an trivialen Freuden – mit einem Augenzwinkern und viel Selbstkontrolle. Eben professionell.

Geld ist den Proll-Professionals so wichtig, weil es Zugang zu Spaß, Vergnügen und Anerkennung ermöglicht. "Ich denke, reich ist besser als arm", sagt TV-Millionär Robert Geiss: "Man sollte sich mit seinem Geld lieber ein schönes Leben machen, als es zu sparen." Dafür sind sie bereit, hart anzupacken. Robert Geiss oder Daniela Katzenberger fungieren vor allem deshalb als Vorbilder, weil sie sich ihr extravagantes Leben hart erarbeitet haben und bei allem Reichtum bodenständig und authentisch geblieben sind.

Zur Bodenständigkeit mit Hang zum Luxus gesellt sich ein gut sortiertes Weltbild. Geschlechterklischees werden von den Proll-Professionals kultiviert und ästhetisch inszeniert. Frauen sollten vorzugsweise blond sein, Männer muskulös. Die Mädels interessieren sich für Schuhe, die Kerle für Fußball. In diesen Klischees kann es sich jeder gemütlich machen – weil sie durch Professionalität in der Selbstvermarktung wieder durchbrochen werden. Eine Daniela Katzenberger ist eben auch eine erfolgreiche Unternehmerin, mit TV-Show, Restaurant und lukrativen Werbeverträgen.

Proll-Professionals sind der Traum jedes Marketers: Sie geben gerne Geld aus – und hinterfragen wenig. Themen wie Nachhaltigkeit sind für sie zweitrangig, Konsum soll vor allem Spaß machen und Anerkennung bringen. So praktizieren die Proll-Professionals das Programm "Status reloaded" in einer Light-Variante: zwar weit entfernt vom neuen Statusdenken, das zunehmend auf immaterielle Werte setzt. Aber ebenso distanziert zum alten, bierernsten Status der starren Hierarchien und Besitztümer.

Superdaddys: Vaterschaft als Status

Väter haben Konjunktur. Es gibt Väternetzwerke, Väterinitiativen, Vätertage, Väterradio und Väterratgeber. Die Vaterschaft ernst nehmen liegt zweifelsohne im Trend. Mittlerweile nehmen 27 Prozent der deutschen Väter Elternzeit. Superdaddys – aktive Väter, die sich wirklich um ihre Kinder kümmern – programmieren die Gesellschaft der kommenden Jahre um: Die Familie ergänzt die Arbeit als sinnstiftendes Element des männlichen Status. Dem zugrunde liegt ein revidiertes Selbstverständnis des Mannes als Vater und Teil der Familie, und zwar nicht (nur) als Ernährer.

Zwei wesentliche Dinge sind für diese neue Generation von Männern anders als für ihre Väter:

1. Gleichberechtigung ist kein Thema mehr: Mann und Frau haben die gleichen Rechte. Punkt. Das kann noch nicht in allen Facetten des Lebens umgesetzt werden, wird aber nicht mehr in Frage gestellt.

2. Die Familie wird zum wichtigsten definitorischen Element des Lebens: Sie übernimmt die Sinnstiftungsfunktion der Arbeit, die als alleiniges Definitionszentrum nicht mehr taugt. Sich abgrenzen von anderen, besser sein, herausstechen aus der Menge und Karriere zu machen – die Insignien des Individualismus weichen dem Wunsch nach dem "Wir".

Superdaddys stehen vor einer doppelten Herausforderung. Die meisten von ihnen sind nach wie vor vollzeitbeschäftigt und sehr leistungsorientiert. Zugleich wollen sie an der Entwicklung der Kinder intensiv teilzuhaben. Erfolg im Beruf ist ihnen wichtig – Kinder und Familie allerdings noch mehr. Das verändert einen wesentlichen Teil des alten männlichen Identitätsmodells: Ich arbeite, also bin ich.  

Wer dieser paradoxen Rollenanforderung aus Toughness und Achtsamkeit genügt, stellt auch hohe Anforderungen an Konsum und Freizeit. Egal, ob es um die Anschaffung eines neuen Familienautos geht, um kulturelles Leben oder soziales Engagement: Supperdaddys sind anspruchsvoller als ihre Altersgenossen. Status bedeutet für sie, alles unter Kontrolle zu haben, ohne Abstriche zu machen: Beruf, Partnerschaft, Kinder.

Gutbürger: Neo-Ökologie als Status

Das Bürgertum durchläuft eine Renaissance. Die Gutbürger übernehmen Verantwortung oder stoßen Veränderungen an, sie unterstützen ökologische und soziale Initiativen, ob im Nachbarschaftsumfeld oder im globalen Maßstab, und das ganz ohne Hippie-Ästhetik. Gemeinwohlorientierung und Selbstverwirklichung sind für die neuen Gutbürger kein Widerspruch. Dieser Avantgarde-Lebensstil verkörpert einen erwachsenen Community-Gedanken und einen zukunftsweisenden Öko-Pragmatismus.

Die neuen Gutbürger vollen nachhaltige und faire Kleidung – und gut damit aussehen. Marken wie Armed Angels und Shops wie Glore sind Ausdruck dieser neuen Öko-Ästhetik. Sie wollen sich bio und regional ernähren, aber nicht auf Genuss und Komfort verzichten. Qualität und Nachhaltigkeit machen aus alltäglichen Dingen Statusobjekte: vegane Gourmet-Küche, hochwertiges Bio-Fleisch, Gemüse vom eigenen Balkon selbstgebackenes Brot.

Noch stärker aber als über Dinge generiert sich sozialer Status bei den Gutbürgern über neo-ökologisches Wissen, Können und Machen: Mit hervorragenden Kochkünsten, Engagement im Nachbarschaftsprojekt oder profundem Know-how bei der Fahrradreparatur kann man bei den Gutbürgern punkten.

Creativiteens: Vernetzung als Status

Creativiteens stehen für eine neue Generation von Teenagern, die sich nicht mehr primär abgrenzt, sondern die integrativen Kräfte der Digitalgesellschaft nutzt. "Heute bestehen im wahren Leben die großen Möglichkeiten – wenn man es digital vernetzt", formuliert es Philip Riederle: "Wir bewegen uns vom Mitmach-Web ins Mitmach-Leben." Riederles Biografie ist dafür das beste Beispiel: Mit 13 Jahren ließ er sich eines der ersten iPhones aus den USA mitbringen, crackte es und berichtete darüber in seinem Podcast. Seitdem laden ihn Unternehmen ein, sein Wissen über die digitale Weltsicht seiner Generation zu teilen. Die Vernetzung öffnete ihm die Türen.

Creativiteens sind angetrieben von einem grundlegenden Optimismus und dem Glauben an sich selbst. Sie haben viele Pläne – und sie nutzen die Möglichkeiten der neuen Medien pragmatisch, um sie mit dem "echten Leben" zu verknüpfen. Digitale Screens sind für sie keine Monitore, sondern der Zugang zur Welt. Zum neuen Statussymbol wird das smarte Beziehungs- und Alltagsmanagement.

Auch als Konsumenten können Creativiteens wenig mit dem traditionellen Statusdenken anfangen. Die klassische Autowerbung, die Freiheitsgefühle inszeniert, erreicht sie nicht. Freiheit bedeutet für Creativiteens, sich nicht um ein Auto kümmern zu müssen. Und, auch hier: gut vernetzt zu sein. Deshalb nutzen sie lieber Carsharing, Fahrrad oder Bus und Bahn. "Autos werden offenbar als Statussymbol gehandelt", sagt Philip Riederle. "Ich frage mich aber, wann das eigentlich zum Tragen kommt: in der Tiefgarage? Oder soll ich den halben Tag um den Block fahren wie ein Zuhälter, bis mich jemand bemerkt? Das ist mir zu aufwändig."

Was die Creativiteens antreibt, ist die Erfahrung von der Selbst-Wirksamkeit des Talentismus. Im Vordergrund steht, selbst Dinge anstoßen zu können: ein Projekt zu realisieren, eine Community ins Leben zu rufen, eine Crowdfunding-Initiative zu starten. Die Basis dafür ist das Rundum-vernetzt-Sein: Status 2.0.

Forever Youngsters: Jugendlichkeit als Status

Jugendlichkeit ist in unserer Kultur ein Ideal – ganz besonders für Ältere. Wer mit 60, 70 oder 80 noch fit und gesund ist, das Leben in vollen Zügen genießt, wird als junggeblieben gefeiert. Sorglosigkeit, Frische, Sportlichkeit und Optimismus auszustrahlen, gilt als ästhetisch – ein kultureller Imperativ der Moderne, den Medien und Werbung zementieren. Dabei zehren diese Jugendbildnisse selbst von einem Image, das inzwischen in die Jahre gekommen ist: die rebellische "Sex, Drugs & Rock’n’Roll"-Geste derer, die in den 1960er Jahren jung waren.

Jugendlichkeit hat sich vom biologischen Alter emanzipiert und ist zu einem Statussymbol geworden. Und heute sind es heute vor allem die Forever Youngsters, die darauf zurückgreifen, indem sie klassische jugendliche Ideale leben. Sie haben die 50 überschritten und trainieren für den Triathlon oder planen die nächste Reise nach Vietnam – während ihre Kinder und Enkel im "Grandpa-Look" an ihrer Karriere feilen.

Forever Youngsters sind abenteuerlustig, Fitness ist ihr höchstes Gut. Sie achten sehr auf ihre Gesundheit, ernähren sich gesund, gehen joggen und experimentieren gern mit neuen Sportarten. Diese Sportlichkeit ist ein zentrales Element der jugendlichen Statussymbolik: ein Ideal, das Forever Youngsters mit Spaß, aber auch mit eiserner Disziplin verfolgen – und dessen sie sich deutlich stärker bewusst sind als viele Jugendliche.

Mehr über die Lebensstile der Zukunft erfahren Sie in unserer Studie "Lebensstile für morgen".

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